Rz. 18
Aus den oben genannten Gründen gewährt § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG dem Erwerber ein Wahlrecht: Anstelle der abschließenden Sofortversteuerung kann er sich für die – laufende, jährlich im Voraus zu entrichtende – Versteuerung nach dem Jahreswert entscheiden. Die Besteuerungsgrundlagen werden mit dieser Wahl nicht verändert. Es geht um die Besteuerung desselben Rechts, das entweder mit dem Kapitalwert (= vervielfachter Jahreswert) oder mit dem Jahreswert (= einfacher Jahreswert) anzusetzen ist.
Rz. 19
Für die Bewertung sind einheitlich die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erwerbs des Rechts maßgeblich (§ 11 ErbStG). Es wird also nicht der jeweilige Jahreswert, sondern der bei Erwerb des Stammrechts maßgebliche Jahreswert ermittelt. Bei schwankenden Jahresbeträgen wird der Jahreswert mit dem Durchschnittsbetrag vom Bewertungsstichtag zugrunde gelegt.
Rz. 20
Die Wahl der Steuer nach dem Jahreswert wirkt zwar ähnlich einer Stundung, stellt aber keine andere Steuer dar, sondern nur eine andere Modalität der Steuerberechnung. Die Steuer vom Jahreswert ist keine gesonderte, neben der Steuer vom Kapitalwert festzusetzende Steuer. Die Steuer vom Jahreswert entsteht wie die Steuer vom Kapitalwert mit dem Erwerb des Rechts. Die Besonderheit der Steuer vom Jahreswert liegt darin, dass sie vom Gesetz als Jahressteuer ausgestaltet ist und als solche nicht nur einmal im Anschluss an den Erwerb, sondern jährlich neu aufgebracht werden muss. Der Steuerbescheid stellt in diesem Fall als Dauerverwaltungsakt die Rechtsgrundlage für die von dem Steuerpflichtigen jährlich und im Voraus zu entrichtende Steuer dar.
Rz. 21
Die auf den Bewertungsstichtag (§ 11 ErbStG) ermittelte Jahressteuer bleibt bis zu ihrem Erlöschen in der Höhe unverändert. Daran ändern weder Änderungen in der Gesetzeslage noch solche in der Rechtsprechung etwas. Auch wenn die Wahl der Jahresversteuerung im Ergebnis zu einer Steuerlast führt, die über die bei Wahl der Versteuerung nach dem Kapitalwert anfallende Steuer hinausgeht, ist dies nicht zu berücksichtigen. Denn dies ist nach dem Willen des Gesetzgebers ein Risiko, das in die Sphäre des wahlberechtigen Steuerpflichtigen fällt (s. hierzu im Einzelnen § 11 ErbStG Rz. 15 ff.). In Einzelfällen mag dies anders beurteilt werden (vgl. grundsätzlich § 11 ErbStG Rz. 15 ff.); klare Regeln hierfür gibt es aber nicht. Im Zusammenhang mit der Besteuerung einer von Todes wegen erworbenen Leibrente nach § 23 Abs. 1 ErbStG entschied der BFH, dass eine sachliche Unbilligkeit dadurch eintreten könne, dass die Besteuerung an die lebenslängliche Leistung der Rente anknüpft und die Rentenzahlungen tatsächlich aufgrund von Umständen entfielen, die der Rentenberechtigte nicht zu vertreten habe. Insoweit käme es zu einem ungewollten Überhang des Steuertatbestandes, weil der Rentenberechtigte zwar keine Zahlungen mehr erhalte, aber weiterhin bis zu seinem Ableben nach § 23 Abs. 1 ErbStG die Jahressteuer für eine lebenslängliche Rente zu entrichten habe. In der Literatur wird für Fälle, in denen der Verpflichtete wegen Insolvenz keine Rentenzahlungen mehr an den Berechtigten leistet, ebenfalls ein Erlass der Erbschaftsteuer befürwortet.
Rz. 22
Stirbt der Berechtigte der lebenslänglichen Nutzung oder Leistung innerhalb einer bestimmten Zeit nach dem Erwerb, gilt § 14 Abs. 2 BewG. Bei Vorliegen der Voraussetzung ist die Festsetzung der Erbschaftsteuer auf Antrag nach der wirklichen Dauer der Nutzung oder Leistung zu berichtigen. Das gilt in jedem Fall bei der Besteuerung nach dem Kapitalwert, wobei der erforderliche Antrag von den Erben zu stellen ist. Ob die Berichtigung auch bei der Jahresbesteuerung möglich ist, ist streitig. Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 BewG ("Hat eine nach Abs. 1 bewertete Nutzung oder Leistung [...]".) scheint zunächst gegen eine solche Berichtigungsmöglichkeit bei der Jahresversteuerung zu sprechen, weil sich der Abs. 1 des § 14 BewG auf den Kapitalwert bezieht. Dem steht aber entgegen, dass § 23 ErbStG lediglich die Zahlungsweise der bereits entstandenen Erbschaftsteuer regelt. Die Besteuerungsgrundlagen werden mit dieser Wahl nicht verändert. § 14 BewG hingegen ist eine reine Bewertungsvorschrift. Wie die Steuer zu zahlen ist, die sich ergibt, wenn eine lebenslängliche Nutzung oder Leistung mit ihrem Kapitalwert nach § 14 BewG in die Bemessungsgrundlage eingestellt worden ist, ist keine Frage, die in den Regelungsbereich des § 14 BewG fiele. Soweit deshalb die Voraussetzungen des § 14 BewG vorliegen, kann es auf die Frage, ob der Kapitalwert einmalig oder laufend der Jahreswert versteuert wurde, schon systematisch nicht ankommen. Beide Fälle sind mithin gleich zu behandeln. Auch bei der Jahresversteuerung ist damit die Berichtigung nach § 14 Abs. 2 BewG zulässig.
Rz. 23
Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 ErbStG wird die Steuer – um ungerechtfertigte Progressionsvorteile zu verhindern – nach dem Steuersatz erhoben, ...