Rz. 31
Wird das erworbene Vermögen ganz oder teilweise noch vor Begleichung der anlässlich des Erwerbs entstandenen Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer durch den Steuerschuldner einem anderen unentgeltlich zugewendet, haftet der Zweiterwerber als Haftungsschuldner nach § 20 Abs. 5 ErbStG für dessen noch offene Steuerschuld. Realisierbar ist der Haftungsanspruch selbstverständlich nur unter Beachtung der verfahrensrechtlichen Regeln. Die grundsätzlich subsidiäre Inanspruchnahme des Haftungsschuldners durch Haftungsbescheid (§§ 191 Abs. 1 Satz 1, 218 Abs. 1 Satz 1 AO) setzt daher insbesondere die Erfolg- oder Aussichtslosigkeit der vorrangigen Geltendmachung des Steueranspruchs gegenüber dem/den Steuerschuldner(n) voraus (§§ 5, 219 Satz 1 AO).
Rz. 32
Regelmäßig wird die Weitergabe des Vermögens im Wege einer freigebigen Zuwendung geschehen. Hierbei wirkt sich die Haftungsschuld des Zweiterwerbers grundsätzlich bereicherungsmindernd aus. Verstanden als sog. Erwerbskosten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG belastet sie seinen Erwerb potenziell ebenso wie die hierdurch ausgelöste, ihrerseits jedoch nicht abzugsfähige (§§ 10 Abs. 8; 1 Abs. 2 ErbStG), eigene Schenkungsteuer. Sollte der Zweiterwerber tatsächlich durch Haftungsbescheid aufgrund des § 20 Abs. 5 ErbStG in Anspruch genommen werden, reduziert sich bei entsprechender Zahlung jedenfalls seine persönliche Schenkungsteuerschuld. Ein eventueller Antrag auf Änderung des Schenkungsteuerbescheids müsste allerdings rechtzeitig gestellt werden (§§ 5 Abs. 2, 6 BewG).
Rz. 33
Dass einschlägige Haftungsfälle bislang kaum publik wurden, relativiert das mit § 20 Abs. 5 ErbStG bestehende Risiko nicht. Es könnte sich auch realisieren, wenn nach §§ 13a, 19a ErbStG begünstigt erworbenes Betriebsvermögen ganz oder teilweise unentgeltlich weiterübertragen wird und entweder hierdurch oder später, womöglich auch erst durch den Zweiterwerber, eine Nachversteuerung des Ersterwerbs ausgelöst wird. Ist die Inanspruchnahme des Ersterwerbers insoweit – uU gerade wegen der Weitergabe – erschwert, kann sich das Finanzamt durchaus an den hierfür haftenden Zweiterwerber halten. Der Vorschlag, dies durch vorherige Umschichtung des erworbenen Vermögens zu vermeiden, ist jedenfalls finanzgerichtlich noch nicht erprobt.
Rz. 34
Dem Zweck der Norm entsprechend – sicherzustellen, dass die Erbschaft-/Schenkungsteuer aus dem Erwerb entrichtet werden kann – begründet grundsätzlich jede objektiv unentgeltliche Weitergabe erbschaft-/schenkungsteuerpflichtig erworbenen Vermögens die Haftung des Zweiterwerbers. Damit fallen auch Sacheinlagen in Kapital- und Personengesellschaften, die nicht angemessen entgolten werden, in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 5 ErbStG. Ebenso haftungsträchtig sind verdeckte Einlagen, zum Buchwert vorzunehmende Vermögensübertragungen bei Mitunternehmerschaften i.S. von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG sowie von § 6 Abs. 3 und 4 EStG erfasste unentgeltliche Übertragungsvorgänge. Auch (nach § 13 Abs. 1 Nr. 13, 15–18 ErbStG) persönlich steuerbefreite Institutionen kommen als Haftungsschuldner in Betracht, sofern der Steueranspruch nicht gem. § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG durch die Weitergabe erloschen ist. Bei teilunentgeltlicher Weiterübertragung, z.B. im Wege vorweggenommener Erbfolge, ist eine nur verhältnismäßige Haftung des Zweiterwerbers denkbar.
Rz. 35
Bei Weiterübertragung an eine Personen- oder eine Kapitalgesellschaft könnte sich die Frage stellen, ob nur ein (Zweit-)Erwerber i.S. des § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG Haftungsschuldner sein kann. Wer dies bejaht und nach derzeitiger Praxis die Gesellschafter einer Personengesellschaft anteilig als Erwerber betrachtet, müsste konsequent teilweise Weiterübertragungen annehmen (kritisch oben Anm. 25–27). Da § 20 Abs. 5 ErbStG jedoch keine anteilige Haftung vorsieht, wäre somit jeder Gesellschafter potenzieller Haftungsschuldner, soweit der Wert seines Erwerbs die noch offene Erbschaft-/Schenkungsteuer aufgrund des Ersterwerbs deckt. Dass bei Weiterübertragung an eine Kapitalgesellschaft nun auch deren Gesellschafter haften könnten, ist jedoch zu verneinen. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG fingiert zwar Schenkungen an sie, setzt aber hierzu zwingend die unentgeltliche Bereicherung der Gesellschaft selbst voraus (s. § 7 ErbStG Anm. 616 f.). Nur die Kapitalgesellschaft kann demnach als unmittelbarer Zweiterwerber haftbar werden.
Rz. 36
Beachten sollte man auch die Dauer des Haftungsrisikos. Die grundsätzlich vierjährige Festsetzungsfrist für den Haftungsanspruch ist mit der Festsetzungsverjährung des Steueranspruchs verknüpft (§ 191 Abs. 3 AO) und läuft damit gerade bei verdeckten Vorschenkungen faktisch unbegrenzt (§ 170 Abs. 5 Nr. 2 AO – hierzu auch § 30 ErbStG Anm. 18).
Rz. 37– 39
Einstweilen frei.