Rz. 50
Auch in der Bestimmung des Erwerbers folgt das Erbschaftsteuerrecht weitgehend dem Zivilrecht. Da es keinen Erbfall ohne Erben gibt, also keine hereditas iacens oder, wie im österreichischen Recht, einen bis zur Einantwortung als juristische Person bestehenden Nachlass, kann Vollerbe oder Vorerbe nur eine natürliche Person sein, die im Erbfall lebt (§ 1923 Abs. 1 BGB) oder als im Erbfall lebend behandelt wird (§ 1923 Abs. 2 BGB). Wer noch nicht gezeugt ist, kann kein Vollerbe oder Vorerbe sein, sondern nur Nacherbe (§ 2101 Abs. 2 BGB), Vermächtnisnehmer (§ 2178 BGB) oder Auflagenbegünstigter (§ 2192 BGB).
Rz. 51
Erbe oder Vermächtnisnehmer kann aber auch eine juristische Person sein, die im Zeitpunkt des Erbfalls entstanden ist oder als Vorgesellschaft besteht, wenn es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt, oder als Vorverein, wenn es um einen rechtsfähigen Verein geht. Andernfalls können die Kapitalgesellschaft und der Verein nur als Nacherbe (§ 2101 Abs. 2 BGB) oder als Vermächtnisnehmer (§ 2178 BGB analog) eingesetzt werden. Dagegen gilt eine vom Erblasser eingesetzte Stiftung, die erst nach dem Erbfall als rechtsfähig anerkannt wird, als vor dem Erbfall entstanden (§ 84 BGB), so dass sie Vollerbe wird und nicht nur Nacherbe.
Rz. 52
Auch eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung, die körperschaftlich strukturiert ist wie z.B. der nicht rechtsfähige Verein, kann Erwerber sein. Ist sie als Erbe oder als Vermächtnisnehmer eingesetzt, erwirbt sie selbst und nicht ihre Mitglieder. Aber ob sie eingesetzt ist oder ihre Mitglieder, bestimmt der Erblasser. Sein Wille ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln.
Rz. 53
Zivilrechtlich kann auch eine rechtsfähige Personengesellschaft Erbe oder Vermächtnisnehmer sein, also eine OHG, KG oder GbR. Aber die Gesamthandsgemeinschaften sind keine Erwerber i.S. des Erbschaftsteuerrechts. Erwerber sind immer deren Gesellschafter/Gesamthänder.
Rz. 54
Umgekehrt und wiederum abweichend vom Zivilrecht kann eine Vermögensmasse Erwerber sein. Das ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG, und zwar unabhängig davon, ob sie ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Ausland hat oder im Inland. Bei sachgerechter Auslegung muss davon ausgegangen werden, dass die Vorschrift zwar unmittelbar nur die Frage entscheidet, ob der Erwerber ein Inländer ist. Aber mittelbar ist damit zugleich bestimmt, dass der Inländer ein Erwerber sein kann. Denn eine Vorschrift, die jemanden zum Inländer erklärt, der als Erwerber nicht in Betracht kommt, wäre widersinnig (s. dazu § 2 ErbStG Rz. 64).
Rz. 55
Bestätigt wird das Ergebnis durch § 13 Nr. 16 Buchst. b und c ErbStG, der Zuwendungen an inländische und an ausländische Vermögensmassen befreit, die gemeinnützigen Zwecken dienen. Die Vorschrift wäre überflüssig, wenn es Zuwendungen an Vermögensmassen nicht gäbe. Denn eine Körperschaft, die gemeinnützige Zwecke verfolgt, kann auch die "Rechtsform" einer Vermögensmasse haben (§ 51 Abs. 1 Satz 2 AO), was voraussetzt, dass der Vermögensmasse das dafür benötigte Vermögen zur Verfügung gestellt werden kann. Dass nach § 20 Abs. 1 Satz 2 ErbStG eine Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, Erwerber und Steuerschuldner sein kann, wiederholt daher nur, was bereits in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG steht. Auch aus § 34 Abs. 1 Satz 1 AO ergibt sich, dass eine Vermögensmasse Steuerpflichtiger und damit ein Steuersubjekt sein kann, das durch seinen Geschäftsführer vertreten wird.
Rz. 56
Hinzu kommt, dass § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG teilweise gegenstandslos wäre, da es einen ausdrücklichen Steuertatbestand nur für die Bildung bestimmter Vermögensmassen ausländischen Rechts gibt (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG). Für andere Vermögensmassen ausländischen Rechts gäbe es ihn nicht. Und umgekehrt gäbe es für inländische Vermögensmassen, die einer steuerpflichtigen ausländischen Vermögensmasse entsprechen, keinen Steuertatbestand, was mit dem Gebot einer gleichmäßigen Besteuerung nicht zu vereinbaren wäre. Die Lücke könnte auch nicht mit Hilfe von § 8 ErbStG geschlossen werden, da er nicht die Bildung jeder Vermögensmasse erfasst, sondern nur die Bildung der Vermögensmassen, die auf einer Zweckzuwendung beruhen.
Rz. 57
Zudem wäre eine Besteuerung der Zuwendungen von Todes wegen an Vermögensmassen in einem EU-Mitgliedsstaat bei Nichtbesteuerung vergleichbarer Inlandserwerbe diskriminierend und verstieße gegen die gemeinschaftsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG). Um dieses Ergebnis zu vermeiden, ist eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung und Anwendung des ErbStG angezeigt.
Rz. 58
Bei den Vermögensmassen wird es sich regelmäßig um Zweckvermögen handeln, also eine Unterart des Gattungsbegriffs Vermögensmasse. Zwingend ist das jedoch nicht.
Rz. 59
Bei ausländischen S...