Rz. 1120
§ 103 Abs. 3 BewG statuiert im Grundsatz ein Abzugsverbot für alle oben genannten Rücklagen und rücklagengleich wirkende Ausgleichsposten. Eine Ausnahme sieht die Vorschrift lediglich für den zur Zeit – soweit ersichtlich – nicht existierenden Fall vor, dass der "Abzug der Rücklage bei der Bewertung des Betriebsvermögens für Zwecke der Erbschaftsteuer durch Gesetz ausdrücklich zugelassen (wurde)." Eine solche ausdrückliche Zulassung bestand früher für die Rücklage nach dem Entwicklungsländer-Steuergesetz (Abschn. 41 Abs. 4 Satz 5 VStR a.F.).
Rz. 1121
Soweit die Rücklagen – wie i.d.R. (Ausnahme: steuerfreie Rücklagen) – zur Gänze Eigenkapital des Unternehmens ausweisen, enthält das Abzugsverbot des § 103 Abs. 3 BewG lediglich eine (wegen seiner Evidenz überflüssige) Klarstellung. Konstitutive Bedeutung kommt ihm lediglich in Bezug auf die steuerfreien Rücklagen zu, welche nicht in vollem Umfang Eigenkapital dokumentieren. Nur insoweit, nämlich soweit die steuerfreien Rücklagen partiell Steuer"rückstellungen" verkörpern (vgl. oben Rz. 1035) erscheint die von der Finanzverwaltung in R B 95 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ErbStR 2019 und R B 103.1 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2019 getroffene Feststellung plausibel, dass § 103 Abs. 3 BewG die ansonsten bestehende grundsätzliche Bestandsidentität zwischen bewertungsrechtlichem und ertragsteuerrechtlichem Ansatz durchbreche.
Rz. 1122
Zu § 103 Abs. 3 BewG heißt es in R B 103.1 Abs. 2 ErbStR 2019 wie folgt:
„Schulden und sonstige Abzüge bei bilanzierenden Gewerbetreibenden und freiberuflich Tätigen
...
(2) Die Identität wird bei den Rücklagen durchbrochen (> R B 95 Abs. 2 ErbStR 2019). In der Steuerbilanz gewinnmindernd gebildete Rücklagen sind nicht abzugsfähig (§ 103 Abs. 3 BewG). Das gilt unabhängig vom Rechtsgrund für ihre Bildung. Darunter fallen z.B. Rücklagen nach § 6b EStG, R 6.5 EStR, R 6.6 EStR. Entsprechendes gilt für Ausgleichsposten nach § 14 KStG, § 4g EStG sowie für die Luftposten nach § 20 UmwStG. Ausgleichsposten, die Rücklagencharakter haben, sind ebenfalls nicht abzugsfähig.”
Rz. 1123
Im Hinblick auf die bereits aufgezeigte Nähe der steuerfreien Rücklagen zu den stillen Reserven (vgl. oben Rz. 1035) stieß die Nichtabziehbarkeit insb. der Reinvestitionsrücklage nach den §§ 6b, 6c EStG und der Rücklage für Ersatzbeschaffung unter der Geltung der vom Buchwertprinzip beherrschten Rechtslage bis zum 31.12.2008 in der Literatur auf berechtigte Bedenken, welche der BFH allerdings nicht geteilt hat.
Rz. 1124
Wegen des Abzugsverbots von Rücklagen war es nach der alten, bis 31.12.2008 maßgebenden Rechtslage sinnvoll, Investitions-Rücklagen, insb. die 6b-Rücklage, aus bewertungsrechtlicher Sicht möglichst frühzeitig mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens zu verrechnen. Dadurch minderte sich der Steuerbilanzwert des Ersatzwirtschaftsguts, so dass sich auch ein geringerer Wert des Betriebsvermögens ergab.
Rz. 1125
Beispiel
Der Einzelunternehmer R hatte in seiner Vermögensaufstellung neben einem Rohbetriebsvermögen i.H.v. 4 Mio. EUR Schulden, Rückstellungen und passive Rechnungsabgrenzungsposten von 1 Mio. EUR ausgewiesen. Darüber hinaus hatte er auf der Passivseite eine 6b-Rücklage i.H.v. 500.000 EUR angesetzt. Unter Berücksichtigung dieser Bilanzposten ergab sich zum 1.1.2005 ein Wert des Betriebsvermögens von 3 Mio. EUR (4 Mio. EUR ./. 1 Mio. EUR). Im Laufe des Jahres 2005 hatte R ein Ersatzwirtschaftsgut angeschafft und die 6b-Rücklage in voller Höhe auf die Anschaffungskosten von 800.000 EUR übertragen. Die Anschaffungskosten des Ersatzwirtschaftsguts wurden insgesamt fremdfinanziert; ansonsten hatten sich in der Steuerbilanz keine weiteren Änderungen der Bilanzposten ergeben.
Zum 1.1.2006 war als Summe der Besitzposten ein Betrag von 4.300.000 EUR anzusetzen, nämlich 4 Mio. EUR + 800.000 EUR für das Ersatzwirtschaftsgut ./. 500.000 EUR aus der Auflösung der 6b-Rücklage. Die Schulden erhöhten sich zu diesem Stichtag durch die Fremdfinanzierung des Ersatzwirtschaftsguts von 1 Mio. EUR auf 1.800.000 EUR. Als Betriebsvermögenswert verblieb somit ein Betrag von 2.500.000 EUR, nämlich Besitzposten von 4.300.000 EUR ./. Schuldposten von 1.800.000 EUR. Im Vergleich zum Betriebsvermögenswert auf den 1.1.2005 ergab sich somit ein um 500.000 EUR geringerer Wert. Dies entsprach der 6b-Rücklage, die durch die Übertragung auf das Ersatzwirtschaftsgut dessen Buchwert und somit dessen Ansatz in der Vermögensaufstellung minderte.
Rz. 1126
Nach neuem, ab 1.1.2009 anwendbarem Recht ist demgegenüber, sofern es ausnahmsweise, wie etwa im Falle der Mindestbewertung gem. § 109 BewG i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG., auf eine Einzelbewertung der Wirtschaftsgüter ankommt, das angeschaffte oder hergestellte Ersatzwirtschaftsgut mit dem gemeinen Wert anzusetzen (vgl. dazu § 109 BewG Rz. 353 f.) mit der Folge, dass eine auf dessen Anschaffungskosten oder Her...