Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
Rz. 4
Hat das FA vor Erlass eines Steuerbescheids eine Unbedenklichkeitsbescheinigung gem. § 22 GrEStG 1983 erteilt, so berechtigt das nicht zu der Annahme, das FA habe einem Steuerbefreiungsantrag entsprochen. Der mögliche Steuerschuldner kann verlangen, dass das FA ihm einen schriftlichen Bescheid darüber bekannt gibt, ob der Erwerbsvorgang steuerfrei ist (BFH v. 15.2.1984, II R 142/81, BStBl II 1984, 331 im Anschluss an BFH v. 26.10.1962, II 169/60 U, BStBl III 1963, 219). Es kommt nicht darauf an, unter welchen Umständen die Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt wird. Entscheidend ist vielmehr, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 22 GrEStG die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht voraussetzt, dass die Steuer entrichtet wurde oder der Erwerbsvorgang steuerfrei ist. Ein Grundstückserwerber darf sich deshalb nicht entgegen dieser gesetzlichen Regelung darauf verlassen, dass das FA über eine von ihm beantragte Steuerbefreiung positiv entschieden hat, wenn die Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt wurde. Jede andere Auslegung würde dem Zweck der Unbedenklichkeitsbescheinigung zuwiderlaufen, da das FA die Unbedenklichkeitsbescheinigung in jedem Fall erteilen darf, wenn seines Erachtens die Steuerforderung nicht gefährdet ist. Dieses dem FA zum Vorteil des Erwerbers eingeräumte Ermessen kann nicht durch die Rechtsprechung zum Nachteil des Grundstückserwerbers dadurch eingeschränkt werden, dass der Unbedenklichkeitsbescheinigung zumindest der Anschein der positiven Entscheidung des FA über eine vom Erwerber beantragte oder erhoffte Steuerbefreiung zugesprochen werde. Dadurch könnten Finanzämter möglicherweise von einer Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung abgehalten werden, weil sie einen solchen Anschein vor eingehender und möglicherweise zeitaufwendiger Prüfung der Sach- und Rechtslage vermeiden wollten. Der BFH hat in dem o. a. Urteil allerdings klargestellt, dass dies nicht bedeute, dass ein möglicher Steuerschuldner es widerspruchslos hinnehmen müsse, wenn ihm das FA keine Entscheidung darüber bekanntgebe, ob der Erwerbsvorgang grunderwerbsteuerfrei sei oder nicht. Auf Verlangen müsse das FA einen entsprechenden schriftlichen Bescheid (Freistellungsbescheid oder Steuerbescheid) erteilen. Dieser Rechtsgedanke ergäbe sich ausdrücklich aus § 119 Abs. 2 S. 2 AO 1977. Erforderlichenfalls könne der Steuerschuldner Untätigkeitsbeschwerde (§ 349 Abs. 2 AO 1977) oder Verpflichtungsklage (§ 40 der FGO) erheben.
Rz. 5
Der BFH hat mit Urteil v. 31.7.1985, II R 76/83, BStBl II 1985, 698, entschieden, dass die Aussetzung der Vollziehung des den Erwerbsvorgang betreffenden Grunderwerbsteuerbescheids in gleicher Weise einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung erzeugt wie die Stundung der festgesetzten Steuer.
Hieran kann nach BFH v. 17.9.1987, VII R 50 – 51/86, BStBl II 1988, 366, nicht mehr festgehalten werden. Danach lässt die Aussetzung der Vollziehung die Wirksamkeit und den Bestand des Verwaltungsakts unberührt. Die Fälligkeit, die zum materiellen Regelungsinhalt des Verwaltungsakts gehöre, werde durch die Aussetzung nicht berührt oder gar hinausgeschoben.
Das FA darf deshalb bei Aussetzung der Vollziehung eines Grunderwerbsteuerbescheids ohne Sicherheitsleistung die Unbedenklichkeitsbescheinigung nur dann erteilen, wenn nach seinem Ermessen die Steuerforderung nicht gefährdet ist, § 22 Abs. 2 S. 2 GrEStG (koordinierter Ländererlass, z. B. FinMin Niedersachsen v. 1.2.1993, S 4540 – 21 – 36).
Die Nichtentrichtung steuerlicher Nebenleistungen (z. B. von Säumniszuschlägen, § 3 Abs. 3 AO) rechtfertigt es nicht, die Unbedenklichkeitsbescheinigung zu verweigern. Nach § 22 Abs. 2 GrEStG hat das FA die Unbedenklichkeitsbescheinigung zwingend zu erteilen, wenn die Grunderwerbsteuer entrichtet ist. Steuern und steuerliche Nebenleistungen sind nach § 3 AO zu trennen.
Fraglich ist, ob ein Anspruch auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung besteht, wenn sich der Erwerber eines Grundstücks in Insolvenz befindet und die Grunderwerbsteuerforderung zur Tabelle angemeldet worden ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 22 Abs. 2 GrEStG dürfte eine Unbedenklichkeitsbescheinigung in diesen Fällen nicht ohne Weiteres zu erteilen sein, weil von einer Nichtgefährdung der Steuerforderung wohl kaum auszugehen sein dürfte. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens können die zu diesem Zeitpunkt begründeten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur noch nach Maßgabe der Insolvenzordnung als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden. Sie sind nach § 174 InsO beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anzumelden. Nach Feststellung der Forderungen zur Tabelle ist eine Befriedigung nur noch im Rahmen der Verteilung der Masse und damit allenfalls eine quotale Tilgung möglich. Eine Sicherstellung i. S. d. § 22 Abs. 2 S. 1 GrEStG wird damit durch das insolvenzrechtliche Verfahren nicht erreicht. Gleichwohl wird teilweise auch die Auffassung vertreten, dass die Geltendmachung und Berücksi...