Betriebsaufgabe über 2 Veranlagungszeiträume
Der Unterschied zwischen Betriebsaufgabe und Betriebsveräußerung besteht darin, dass bei der Betriebsveräußerung die wesentlichen Grundlagen des Betriebs an einen anderen zur Fortführung des Betriebs übertragen, bei der Betriebsaufgabe dagegen die wesentlichen Wirtschaftsgüter in relativ kurzer Zeit einzeln veräußert und/oder in das Privatvermögen überführt werden.
Betriebsaufgabe erstreckt sich regelmäßig über einen gewissen Zeitraum
Eine Betriebsaufgabe erstreckt sich i.d.R. – anders als die meist punktuelle Veräußerung eines Gewerbebetriebs – über einen gewissen Zeitraum. Zu lange Zeit sollte sich der Steuerpflichtige mit der Betriebsaufgabe jedoch nicht lassen. Wenn der Aufgabezeitraum zu lang wird, ist der Aufgabegewinn von der Tarifvergünstigung ausgeschlossen. Denn nur die zusammengeballte Realisierung der stillen Reserven soll begünstigt werden. Daran fehlt es, wenn sich die Einzelveräußerung oder Entnahme aller wesentlichen Grundlagen über einen längeren Zeitraum hinzieht.
Die Tarifvergünstigungen kommen zum Zuge, wenn sich der Vorgang der Betriebsaufgabe innerhalb eines angemessenen Zeitraums vollzieht. Als Faustregel wird in der Literatur ein Zeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr genannt. Ein Betriebsaufgabezeitraum von 20 Monaten kann im Einzelfall noch angemessen sein (BFH, Urteil v. 22.10.2014, X R 28/11, Haufe Index 7591954).
Realisierung der stillen Reserven tangiert 2 Veranlagungszeiträume
Selbst wenn die Gewinne aus einer einheitlichen Betriebsaufgabe in mehreren Veranlagungszeiträumen anfallen, kann der Aufgabegewinn begünstigt besteuert werden, wenn sich der Vorgang der Betriebsaufgabe über einen gewissen, allerdings nur kurzen Zeitraum erstreckt. Gesichert erscheint, dass ein Betriebsaufgabegewinn noch tarifär begünstigt besteuert werden kann, wenn sich der Aufgabevorgang innerhalb eines angemessenen Zeitraums vollzieht, die Realisierung der stillen Reserven sich aber über 2 Veranlagungszeiträume erstreckt (BFH, Urteil v. 20.1.2005, IV R 14/03, Haufe Index 1337306).
Beginn und Ende der Betriebsaufgabe
Um die Dauer des Aufgabevorgangs ermitteln zu können, muss festgestellt werden, wann die Aufgabe beginnt und wann sie endet. Die Betriebsaufgabe beginnt mit der ersten Handlung, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs als selbständiger wirtschaftlicher Organismus gerichtet ist, wie z.B. die Einstellung der werbenden Tätigkeit. Die Aufgabe endet in dem Zeitpunkt, in dem das letzte Wirtschaftsgut, das zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehört, veräußert oder in das Privatvermögen überführt wird.
Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG
Wird der Aufgabegewinn in 2 Veranlagungszeiträumen realisiert, z.B. weil die wesentlichen Betriebsgrundlagen an verschiedene Erwerber zum Teil im Jahr 2018 und im Übrigen erst im Jahr 2019 veräußert werden, gibt es dennoch nur insgesamt einen Freibetrag. Die Finanzverwaltung hat angeordnet, dass der Freibetrag im Verhältnis der Gewinne auf die beiden Veranlagungszeiträume aufzuteilen ist (BMF, Schreiben v. 20.12.2005, Haufe Index 1466980).
Praxis-Tipp: Verdoppelung der Fünftel-Regelung
Erstreckt sich die Betriebsaufgabe auf 2 Veranlagungszeiträume, ergibt sich eine Verdoppelung der Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 EStG. Sie kann allerdings nicht in Anspruch genommen werden, soweit der Steuerpflichtige die Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz für Veräußerungs- oder Aufgabegewinne bis 5 Mio. Euro nach § 34 Abs. 3 EStG wählt.
Ermäßigter Steuersatz wird prinzipiell für beide Veranlagungszeiträume gewährt – Höchstbetrag wird nicht verdoppelt
Der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG ist begrenzt auf einen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn bis 5 Mio. EUR. Erstreckt sich die Gewinnrealisation auf 2 Veranlagungszeiträume, gilt dieser Höchstbetrag für den Gesamtgewinn der beiden Veranlagungszeiträume nur einmal, die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG kann für diesen Gewinn auf Antrag in beiden Veranlagungszeiträumen gewährt werden (BMF, Schreiben v. 20.12.2005, Haufe Index 1466980). Der Höchstbetrag wird – wie erwähnt – jedoch nicht verdoppelt. Übersteigt der Gewinn die Höchstbegrenzung, muss dieser auf die beiden Veranlagungszeiträume so aufgeteilt werden, wie dies für den Steuerpflichtigen am günstigsten ist (Stahl, in: Korn, EStG § 16 Rn. 247).
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