Wäre Ariane Fischer Zahnärztin, würde man wahrscheinlich sagen, dass sie besonders gut mit Angstpatienten umgehen kann: Im Büro empfängt sie ihre Mandantinnen und Mandanten schon mal in Jeans und Pullover, am liebsten aber trifft sie sich mit ihnen online - schließlich stammen sie aus der gesamten Republik.
„Es ist wichtig, sich auf Augenhöhe zu begegnen und trotzdem eine kompetente Beratung abzuliefern“, sagt Ariane Fischer. Die 34-jährige Steuerberaterin aus dem rheinland-pfälzischen Insheim legt Wert darauf, dass sich die Mandantinnen und Mandanten bei ihr wohl fühlen, will Schwellenängste abbauen. Dabei pflegt sie gleichzeitig eine durch und durch digitale Arbeitsweise. Das ist kein Widerspruch, wie der Blick auf ihren Arbeitsalltag zeigt.
„Wenn ich weiß, dass ich um zehn Uhr einen Teams-Termin habe, dann beginne ich um acht Uhr nicht unbedingt mit einem Abschluss, so kann ich mich auf das Gespräch einstellen und vorbereiten und muss meine angefangene Arbeit nicht unterbrechen“, erklärt sie. Insofern sei über die digitale Begegnung ein intensiverer Austausch möglich als dies bei einem spontanen Mandatsbesuch vor Ort möglich wäre. Dieser kommt gelegentlich vor, ist aber nicht die Regel, da sie Mandantinnen und Mandanten von München bis Hamburg, von Wolfsburg bis zum Pfälzer Wald betreut.
Mandantenacquise via Instagram
Einige ihrer Mandantinnen und Mandanten sind Influencer, sie wurden auf Instagram auf die Beraterin aufmerksam, als diese Anfang 2022 in die Selbstständigkeit startete. Andere sind Geschäftsführer von GmbHs – Fischers Lieblingsberatungsfeld. „Auf Instagram habe ich vor allem Leute mit künstlerischem Background gefunden, vom Fotografen bis zum Hochzeitssänger, die eben selbst sehr aktiv auf der Plattform sind“, erklärt sie.
Außerdem hätten ihr Kollegen Mandate weitergereicht, die schlichtweg überlastet waren. Eine weitere Kundengruppe seien Bekannte, oft über mehrere Ecken. Ihren allerersten Mandanten habe sie quasi noch aus der Schule gekannt, derselbe Jahrgang wie sie, 1988, UG-Geschäftsführer, der, als er hörte, „dass die Ariane sich selbstständig macht“, sofort zu ihr gewechselt sei. Dass „die Ariane“ in die Selbstständigkeit geht, war schon seit dem Besuch des Wirtschaftsgymnasiums in Landau ihr erklärtes Ziel.
Selbstständigkeit als Familientradition
„Meine Eltern betreiben als Selbstständige gemeinsam eine Massagepraxis, da war diese Form des Arbeitens für mich immer das ganz normale Modell“, sagt sie, auch und gerade im Bewusstsein der Tatsache, dass Tage eben nicht um 17 Uhr enden und auch das Wochenende nicht immer automatisch frei von Arbeit ist. Im Moment ist es das bei Ariane Fischer allerdings meistens schon, weil sie eine zweijährige Tochter hat. Samstags und sonntags ist daher Kinderprogramm mit Zoo, Freibad und Wanderung angesagt. Und alle 14 Tage geht es zum Heimspiel auf den Betze, ihre Dauerkarten haben ihr Mann und sie – beide glühende Fans des 1. FC Kaiserslautern – auch nach der Geburt der Tochter beibehalten.
In die Selbstständigkeit startete Ariane Fischer unmittelbar im Anschluss an eine einjährige Elternzeit. Zuvor hatte sie einige Jahre in einer mittelgroßen Kanzlei in Bayern gearbeitet, war 2019 als Steuerberaterin bestellt worden. Dass sie Steuerberaterin werden wollte, war ihr indes bereits in der Oberstufe klar, nach einem Praktikum in der Kanzlei ihrer Tante. Sie war so überzeugt vom Beruf, dass sie sich sogar das 13. Schuljahr und die Abiturprüfung sparte und nach der 12. Klasse mit dem automatisch zuerkannten Fachabitur nach rheinland-pfälzischer Regelung erfolgreich die Ausbildung zur Steuerfachangestellten absolvierte. Anschließend nahm sie ihr Studium an der Hochschule in Worms auf. Dort schloss sie an den Bachelor-Studiengang „Steuerlehre“ den „Master of Taxation“ an.
Seit Anfang 2022 betreibt Ariane Fischer ihre eigene Kanzlei, von Beginn an in zwei Büroräumen im Gebäude der Praxis ihrer Eltern. Obwohl sie im kommenden Sommer eine zweite Kraft einstellen möchte – derzeit beschäftigt sie eine Minijobberin – plant sie mittelfristig keine räumliche Expansion. „Ganz einfach weil ich glaube, dass kaum noch jemand im Büro wird sitzen wollen“, sagt sie.
Mandate und Mitarbeitende aus ganz Deutschland
Deshalb soll ein weiterer Arbeitsplatz genügen, diesen besetzt dann, wer gerade Bedarf an Büropräsenz hat. Das Bekenntnis zum umfassenden Homeoffice habe auch zur Folge, dass sich die Mitarbeitendensuche nicht auf die Region beschränken müsse. Ein guter Bekannter etwa, Steuerberater in Hamburg, beschäftige Mitarbeitende aus Berlin. „Alles läuft über Teams, es genügt, sich ein- oder zweimal im Jahr zu treffen“, so die Beraterin.
Gemäß dieser Philosophie lehnt Fischer Mandantinnen und Mandanten, die mit Papierbelegen kommen, konsequent ab. „So arbeite ich nicht mehr“, sagt sie schlicht. Tatsächlich begegneten ihr gelegentlich auch jüngere Leute, bei denen sie sich frage, weshalb sie nicht schlicht ihre Papierbelege mit dem Handy fotografierten, um sie anschließend in die Steuerberatungscloud Datev Unternehmen Online hochzuladen?
Nicht jeden nehmen, der anruft
Gründerinnen und Gründern empfiehlt sie, zu beherzigen, was man immer wieder auf einschlägigen Seminaren und von Kolleginnen und Kollegen höre: „Nehmt nicht jedes Mandat an, nur weil ihr gerade erst in der Gründungsphase seid – und verkauft euch nicht zu billig“, rät sie. Sie habe diesen Ratschlag zu Beginn nicht beherzigt, einfach jeden angenommen, der anrief. Inzwischen habe sie das aber korrigiert, sich von zwei Mandaten bereits aktiv wieder getrennt.
„Letztlich muss es passen. Wenn jemand selbst zum Beispiel nie greifbar ist und immer nur seine Mitarbeitenden vorschickt oder die Belege ewig nicht eingehen – dann ergibt es irgendwann keinen Sinn mehr“, sagt sie. Es sei eben insbesondere die Art und Weise des Miteinanders, die vor allen anderen Dingen die ideale Geschäftsbeziehung ausmache.
Sie schildert das anhand einer Begebenheit aus ihrem Beratungsalltag: „Erst vor ein paar Tagen kam hier eine Mandantin rein, die mir nach dem Gespräch sagte, sie hätte wirklich Bammel vor dem Gang zum Steuerberater gehabt, Kostüm und so, und wie froh sie gewesen sei, mich zu treffen: in normalen Klamotten und eben nicht stocksteif. Das hat mich sehr gefreut.“