Gründerstory: Steuerberaterin, Therapeutin, Kletterin
Katja Thimm ist Steuerberaterin aus Berlin und seit 2021 in ihrer eigenen Kanzlei selbstständig tätig. Derzeit beschäftigt die 44-Jährige zwei Mitarbeitende. Neben ihrer langjährigen Tätigkeit in einer Kanzlei absolvierte sie eine Ausbildung als Gestalttherapeutin und übte diesen Beruf auch zeitweise parallel aus.
Steuerberatung im Social Media: Auf der Suche nach Talenten
Frau Thimm, Sie sind zwar schon zwei Jahre als Steuerberaterin selbstständig, vermarkten sich und Ihre Leistungen aber immer noch eher ungern. Weshalb?
Katja Thimm: Ich tue mich schwer damit, zu sagen: Hier komme ich, das kann ich alles, seht her! Als ich anfing, wollte ich nicht einmal eine Homepage, da ich das Gefühl hatte, ohnehin schon mehr Aufträge als Kapazitäten zu haben. Auch aus Social Media hatte ich mich zu dieser Zeit komplett zurückgezogen. Nach einer Weile habe ich aber begriffen, dass ich sichtbar sein muss, da ich sonst keine potenziellen Mitarbeitenden erreichen kann.
Die Leute, die ich erreichen will, sind auf LinkedIn oder Instagram, also muss ich auch dorthin gehen.
Wieso hatten Sie sich vorher aus Social Media zurückgezogen?
Schon bevor Facebook ein Thema wurde, war ich intensiv auf der zuvor bekannten Social Media-Plattform ‚MySpace' unterwegs, habe mich dort ausgelebt und gemerkt, wie schnell eine ganze Nacht daran verschwendet war. Ähnlich war das später auf Facebook: Man realisiert irgendwann, wie viel Zeit dabei verloren geht, nichts weiter zu tun, als anderer Leute Urlaubsfotos anzuschauen. Außerdem kam irgendwann das Thema ‚Datenschutz’ auf, da war ich anfangs sehr penibel und wollte keine Inhalte in die Welt entlassen, von denen unklar war, wie, wo und von wem sie in Zukunft verwendet werden.
Wenn man sich Ihr LinkedIn-Profil und Ihre Homepage anschaut, wirkt das sehr professionell und durchdacht, vor allem fällt die Verbindung zum Klettern und zum Sport auf Ihrer Homepage als Markenzeichen auf. Wie kam es dazu?
Tatsächlich eher beiläufig: Ich war am Wochenende in einer Kletterhalle in Berlin und habe dort einen Vater mit seinen Kindern und seiner Frau beobachtet. Er hat abwechselnd immer alle anderen gesichert. Da habe ich ihm angeboten, ihn zu sichern, damit er auch klettern kann. Das hat er gern angenommen. Daraufhin haben mich Leute in der Halle gefragt, woher ich ihn, einen Start-up-Unternehmer, bekannt aus der ‚Höhle der Löwen‘, denn kenne. Da habe ich nur mit den Achseln gezuckt, schließlich kannte ich ihn gar nicht. Aber ich habe mir die die Geschichte gemerkt und sie in der Folgewoche beiläufig erzählt, als es im Gespräch mit Websitedesigner:innen um die Interpretation von Steuerberatung und das Gefühl von Sicherheit ging. Sie fanden das super und haben mir nahegelegt, dieses Bild in die Kommunikation zu übernehmen.
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Wenn die Steuerberaterin zur Therapeutin wird
Lange Zeit waren Sie nur nebenberuflich steuerberatend tätig und vor Ihrer Kanzleigründung haben Sie unter anderem eine Ausbildung zur Gestalttherapeutin abgeschlossen. Dabei geht es um einen ganzheitlichen therapeutischen Ansatz, der den Menschen nicht nur als untrennbare Einheit von Körper, Geist und Seele betrachtet, sondern ihn außerdem nie isoliert von seiner Umgebung sieht. Warum ist das für Sie kein Widerspruch zur Tätigkeit als Steuerberaterin?
Das eine war immer mit dem anderen verbunden. Zur therapeutischen Ausbildung kam ich, weil ich als Studentin oft spät oder am Wochenende allein in der Kanzlei arbeitete und Anrufe von aufgelösten Notfallmandant:innen entgegennahm.
Manchmal war postalisch eine Betriebsprüfung angekündigt worden oder schlimmer: die Vollstreckung stand schon vor der Tür. Im Gespräch ging es meist darum, die andere Person erst einmal zu beruhigen, zu versachlichen und Handlungsoptionen zu sortieren.
Eine gewisse Zeit liefen therapeutische und steuerberatende Tätigkeit parallel zueinander, aber Anfang 2018 habe ich gemerkt, dass ich mich entscheiden und mich auf eine Sache vollständig konzentrieren muss. Das war die Steuerberatung.
Weshalb?
Als Therapeutin muss man immer alles selbst machen, das war mir aus unternehmerischer Perspektive zu eingeschränkt. In der Steuerberatung sehe ich viel mehr Gestaltungsraum und ich kann mir ein Team aufbauen. Im Moment arbeite ich schon zusammen mit einer studentischen Hilfskraft und einer anderen Steuerberaterin als freie Mitarbeiterin - eine absolute Lohn-Expertin und tolle Teamkollegin.
Nach der Entscheidung für die Steuerberatung haben Sie sich nicht sofort mit einer eigenen Steuerberatungskanzlei selbstständig gemacht, sondern waren weiterhin dort tätig, wo Sie bereits seit Ihrer Jugend gearbeitet hatten. Wie war es dazu gekommen?
Ich hatte schon als Jugendliche einen Ferienjob in einer Steuerkanzlei. Das Erste, was ich dort mit 13 gelernt habe, war ein Postein- und -ausgangsbuch zu führen. Das hat sich schnell weiter entwickelt, zeitweise habe ich als selbstständige Buchhalterin mit dem Büro zusammengearbeitet, später als Steuerberaterin. Irgendwann gab es den Plan, die Kanzlei gemeinsam mit dem Kanzleichef und dessen Sohn weiterzuführen. Inzwischen war die Kanzlei aber stark gewachsen und die Mitarbeiter:innen- und Mandatsstruktur war überwiegend analog angebunden. Da merkte ich, dass es nicht das war, was ich perspektivisch machen wollte.
Arbeit in der Steuerberatung: „Strukturiert nur vom Ergebnis her"
Dennoch wurden Sie von eine Menge Mandant:innen in die Selbstständigkeit begleitet. Wie haben Sie die Zusammenarbeit so geregelt, dass es stimmig ist?
Zunächst habe ich mir überlegt, wie ich arbeiten möchte. Bei manchen Mandant:innen hab ich für die Umstellung Samthandschuhe angezogen, anderen hab ich durchaus einiges zugemutet. Trotzdem bin ich mit der Umstellung aller Alt-Mandate noch nicht am Ende. Mein Ziel ist jedoch nicht, dass alle Mandant:innen gleich funktionieren, im Gegenteil.
Je vielfältiger die Menschen und Unternehmen sind, desto mehr werde auch ich inspiriert. Und Inspiration ist für mich ein ganz wichtiger Motor.
Menschen haben mich einfach immer schon interessiert. Und so strukturiert die Steuerberatung auch wirken mag, sie ist es nur vom Ergebnis her betrachtet. Jedes Unternehmen ist anders, alles ist individuell, man muss immer im Prozess bleiben.
Steuerberatung ist also genau das Richtige für Sie?
Ein unglaublich vielseitiger Job. Es ist etwas ganz Besonderes, wie viele Welten hier aufeinandertreffen – buchstäblich vom SAP-Manager über das Kommunen-Projekt bis zur Hundesitterin. Ich möchte gern vorleben, wie vielfältig das sein kann, was gemeinhin als dröge und eintönig gilt: Ich treffe viele tolle Menschen, führe unglaublich intensive Gespräche und habe dadurch so interessante Perspektiven. Je inspirierter ich bin, desto fröhlicher gehe ich aus einem Termin. Diese Freude kann mir dieser Beruf immer wieder geben.
Um noch einmal auf das ‚Klettern‘ zurückzukommen, welche Rolle spielt das in Ihrem Leben?
Es ist meine große Leidenschaft. Ich habe erst spät auf Drängen einiger Freund:innen damit angefangen, obwohl ich mich eigentlich schon zu alt fühlte. Am liebsten bin ich in den Alpen unterwegs, was von Berlin aus natürlich nicht allzu oft möglich ist. Von hier aus geht es eher nach Halle, Franken oder in den Harz. Und das Bild von meiner Homepage finde ich auch wirklich stimmig: Das Sichern beim Klettern ähnelt der Rolle, die Steuerberater:innen für ihre Mandant:innen unternehmen.
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