Karriere in Steuerkanzleien: Mehr Macht für die Mitte

Routinetätigkeiten auf höherem Niveau gibt es in Steuerberatungskanzleien genügend. Erst Anfang Juni kamen durch die vom Gesetzgeber gewollte Prüfung der Voraussetzungen für die Antragsstellung der Überbrückungshilfen wieder neue hinzu. Viele solcher Aufgaben erledigen Berater heute höchstpersönlich. Böte da nicht eine mittlere Qualifikationsstufe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit erweiterten Kompetenzen eine interessante Perspektive?

In der Gesundheitsbranche ist die Sache klarer: Dort beklagt etwa der Gesundheitsökonom Dr. Felix Rösel vom Dresdener ifo-Institut, dass in Deutschland eine Stufe zwischen ärztlichem und nichtärztlichem Personal fehle. Diese verteuere das System, da solche Mitarbeiter einfache Routineuntersuchungen durchführen könnten und mache zudem die nicht ärztlichen Berufe mangels Perspektiven und schlechter Bezahlung unattraktiv für junge Menschen.

Beide Aspekte werden auch auf die Beraterbranche zukommen: Nachwuchssorgen kennt der Berufsstand bereits und angesichts der jüngsten Erhöhung der Gebührensätze, die sich oftmals im zweistelligen Prozentbereich bewegen, werden Honorardiskussionen die gerade noch überwiegende Freude möglicherweise bald eintrüben. Denn Mandantinnen und Mandanten verstehen vermutlich schwer, wie in Zeiten zunehmender Automatisierung und Verschlankung durch digitale Verfahren Standardleistungen sich so erheblich verteuern können.

Arbeit in Steuerkanzleien: Berufsanfänger streben nach hohen Zielen

Dann sind entweder sehr gute Argumente gefragt - oder eben neue Bearbeitungskonzepte, die dafür sorgen, dass die Wertschöpfung innerhalb der Kanzlei steigt ohne gleichzeitig die Personalkosten zu erhöhen. Das lässt sich nur durch eine klare Strategie erreichen: Wenig anspruchsvolle Beratungsjobs müssen an kompetente Mitarbeiter delegiert werden können, wodurch Berater Kapazitäten für die wirklich komplexen Fälle gewinnen. Das schafft mittelfristig Expertise, Reputation und die Möglichkeit lukrativere Mandate neu zu akquirieren. So weit, so theoretisch.

Denn tatsächlich gibt es die mittlere Qualifikationsebene in der Beratungsbranche im Wesentlichen nur auf dem Papier. So existiert im Steuerwesen schon seit den 1970er Jahren eine solche Weiterbildung und heute bestehen deutlich mehr Möglichkeiten als nur der Steuerfachwirt. Doch anscheinend sprechen diese Wege kaum junge Menschen an. "Der Steuerfachwirt setzt eine Ausbildung voraus, und heutzutage gehen die meisten ja direkt studieren und streben dann gleich nach höheren Zielen", weiß Alexandra Kandler, die im Lehrgangsmanagement des Tax Institute Knoll in München tätig ist. Mit dem Fachwirt an sich könne man sich eben nicht selbständig machen.

Karrierechancen in der Steuerbranche: Neue Inhalte und erweiterte Kompetenzen nötig

Bedarf für eine Neuregelung der Berufsbilder sieht sie indes nicht. "Es gibt viele weitere Fortbildungen neben den Steuerfachwirten. Da ist nicht mehr notwendig, eher mehr Interessenten, die diesen Weg gehen", so Kandler. Ähnlich beurteilt dies auch die Arbeitsmarktexpertin Dr. Britta Matthes vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.

Jedoch erkennt sie sehr wohl eine Perspektive. Es gebe die institutionellen Voraussetzungen, um solche Weiterbildungen zu absolvieren, so Matthes, "nur die Inhalte müssten entsprechend angepasst werden. Insbesondere müssten die Möglichkeiten des Einsatzes digitaler Technologien und möglicherweise auch eine Ausweitung der Befugnisse geregelt werden."


„Ein Digitalisierungsprojekt muss von der gesamten Kanzlei getragen werden.“ Warum das Zusammenspiel zwischen Mensch & Technologie so wichtig ist, erfahren Sie hier im Interview.


Danach sieht es derzeit aber eher nicht aus. Die Bundessteuerberaterkammer beschäftigt sich bereits seit einigen Jahren damit, stärker digitale Inhalte in die Ausbildung der Steuerfachangestellten zu integrieren und setzt daneben auf Imagekampagnen. Ob dies freilich mittelfristig für genügend Nachwuchskräfte sorgt, bleibt zu bezweifeln. Und das führt letztlich auch dazu, dass viele einfache Beratungstätigkeiten, die ohne Weiteres delegierbar wären, an den Beraterinnen und Beratern hängen bleiben - mit den entsprechenden Konsequenzen für den persönlichen, tatsächlich erwirtschafteten Stundensatz.

Fachkräftemangel in Steuerkanzleien: Auch die Bezahlung ist ein Problem

Dabei gibt es noch ein weiteres Problem: Durch die in der Industrie vielfach deutlich höheren Gehälter für Steuerfachangestellte wechseln diese nicht selten nach absolvierter Ausbildung von den Kanzleien in die mittelständische Wirtschaft - obwohl sie dort oftmals nicht unbedingt ein abwechslungsreicheres Tätigkeitsfeld vorfinden. Neben dem Risiko der Fluktuation laufen Steuerberatungskanzleien aber auch Gefahr, die Motivation ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mittelfristig zu schwächen.

Denn nach Frederick Herzbergs Zwei-Faktor-Theorie sind es vor allem die Arbeitsinhalte, die für eine dauerhafte, intrinsische Steigerung der Motivation und Erhaltung der Zufriedenheit führen. Zu den von ihm ausgemachten Motivatoren - im Gegensatz zu den bloßen Hygienefaktoren wie Gehalt - zählen Arbeitsleistung und Erfolg, Anerkennung, Verantwortung, Aufstieg und Beförderung sowie persönliches Wachstum.

Perspektiven für Kanzleimitarbeiter: Machen Sie einen Karriereplan!

Dieses Konzept mit Leben zu füllen, führt unweigerlich dazu, dass Kanzleien ihren Mitarbeitern nicht nur mehr Geld, sondern vor allem Weiterbildung und ein höheres Maß an Verantwortung zubilligen. Es liegt an ihnen, nicht nur die Anreize für das Streben nach der mittleren Qualifikationsebene zu schaffen und ihre Teams dazu zu motivieren, sondern auch dauerhaft eine Antwort auf den Fachkräftemangel zu finden.

Wesentlich ist dabei, dass sämtliche Anstrengungen in dieser Richtung nicht bloße Einzelmaßnahmen bleiben, sondern in Form eines Gesamtkonzepts bereits beim Einstieg in die Kanzlei aufzeigen, welche Weiterbildungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wann absolvieren sollten und welche Erweiterungen der jeweiligen Kompetenzbereiche damit verbunden sind. Dies in einen Stufenplan zu bringen und damit jedem Neueinsteiger einen Karriereplan an die Hand zu geben, lässt sich mit etwas strategischer Vorarbeit und den Angeboten der berufsständischen Organisationen leicht verwirklichen.

Letztlich profitiert die Kanzlei davon vierfach: Sie wird attraktiv für Bewerber, bindet ihr bestehendes Personal, zwingt sich selbst zur strategischen Weiterentwicklung und Reflexion der Aufgaben und Strukturen und kann Mandanten höherwertige Beratungsleistungen anbieten. Und am Ende haben Steuerberater gerade im Vergleich zur Ärzteschaft denn auch einen entscheidenden Vorteil: Es gibt zwar auch Tätigkeiten, die ihnen vorbehalten sind, jedoch dürfen sie sehr viel mehr Aufgaben delegieren, wenn sie es denn möchten.

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