Das Corona-Jahr 2020 war eine große Herausforderung, auch für den Berufsstand der Steuerberater*innen. Geht es die nächsten Monate so weiter? Wagt man den Blick in die nahe Zukunft, zeichnen sich heute bereits Entwicklungen ab, die die Branche 2021 mit Sicherheit bewegen werden.
Steuerberatung 2021: Pandemie erfordert Stressresistenz und Management auf Sicht
Ist das Virus Ende 2021 besiegt? Entpuppt sich die prognostizierte Insolvenzwelle bei Wegfall der staatlichen Corona-Hilfen als Tsunami oder fällt sie doch kleiner aus als befürchtet? Antworten auf Fragen wie diese erschöpfen sich derzeit in vagen Prognosen. Eines ist jedoch sicher: Die Corona-Krise und deren Auswirkungen begleiten unsere Gesellschaft noch eine ganze Weile. Sie werden auch in Steuerberatungskanzleien im Jahr 2021 eine wesentliche Rolle spielen.
Viele Kanzleien waren bereits 2020 am Limit der möglichen Arbeitsbelastung. Während andere Branchen pandemiebedingt deutliche Einbrüche in der Auftragslage verzeichneten, registrierten Steuerberater*innen einen deutlichen Zuwachs an Aufgaben, so vor allem aufgrund der staatlichen Überbrückungshilfen. 2021 wird, zumindest in den ersten Quartalen, keine wesentliche Entspannung bringen. Daran ändert auch die aktuell beschlossene Fristverlängerung für Steuererklärungen 2019 nichts. Nach dem Deutschen Steuerberaterverband fällt vor allem Zusatzarbeit bei der Unterstützung in der Antragstellung für KfW-Überbrückungskredite, für das Kurzarbeitergeld oder zur Steuerstundung an. Steuerberaterkanzleien fungieren darüber hinaus immer mehr als Sparringspartner für wirtschaftlich arg gebeutelte Mandanten: Neben dem klassischen Beratungsleistungen ist betriebswirtschaftliche Hilfestellung gefragt, so z. B. zur Liquiditäts- und Finanzplanung.
Seit Corona unser aller Leben bestimmt, fährt nicht nur die Politik auf Sicht, auch Steuerberater*innen sind dazu gezwungen: Ob Lockdown und Homeoffice, neue Abstandsregeln im Büro, kurzfristige Anforderungen von der Finanzverwaltung oder Schnellschuss Konjunkturpaket – Änderungen sind derzeit an der Tagesordnung. Kanzleien, die in der Lage sind, agil, also möglichst wendig und flexibel auf den permanenten Wandel zu reagieren, sind in solchen Zeiten klar im Vorteil. Dabei kommt der digitalen Transformation eine wesentliche Rolle zu. Je höher der Digitalisierungsgrad, desto effizienter lassen sich Standardprozesse abwickeln. Der Zeitvorteil, der sich daraus ergibt, kann wiederum gezielt genutzt werden für zusätzliche Aufgaben und die Anpassung an die nächste Änderung, die vielleicht schon an der nächsten Ecke wartet.
Kanzleiorganisation: Dauerbrenner Digitalisierung
Im vergangenen Jahrzehnt schritt die Digitalisierung in Steuerkanzleien stetig voran. Sie ist ein Dauertrend, der sich im Jahr 2021 weiter fortsetzen wird und auch in ein paar Jahren längst nicht abgeschlossen ist. Ob ein Großteil der Arbeit in den Kanzleien irgendwann volldigitalisiert stattfindet und ob Künstliche Intelligenz Fachkräfte auf Dauer entbehrlich macht, ist derzeit noch ungewiss. Doch eines ist bereits jetzt klar: Kanzleien mit einem hohen Digitalisierungsgrad arbeiten effizienter. Ronald Hager, Leiter der Münchener Niederlassung Rödl & Partner und dort verantwortlich für die Bereiche Wirtschaftsprüfung und laufende Steuerberatung, unterstreicht: „Funktionierende digitale Steuerprozesse und Tax Technology können für steuerliche Transparenz, schnellere Entscheidungsfindung sowie höhere Produktivität und Effizienz sorgen. Nicht zuletzt reduzieren sich dadurch Haftungsrisiken für Mitarbeiter und Führungskräfte zum Teil deutlich. Letzteres nicht nur im Steuerrecht.“
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Die Corona-Pandemie fungiert als zusätzlicher Katalysator auf dem weiteren Weg in die Digitalisierung. Nie war die mit neuen Technologien einhergehende Flexibilität so wichtig wie heute. „Glücklicherweise hatten wir kurz vor Beginn des Lockdowns unsere Systeme bereits auf Cloud-Lösungen umgestellt. So konnten wir alle schnell und unkompliziert auch vom Homeoffice aus arbeiten.“, resümiert Oliver Kächele, Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei SH+C in München.
Trotz eines fortgeschrittenen Digitalisierungsgrades in den Kanzleien gibt es jedoch immer noch Baustellen. Für viele Steuerberater*innen, so auch für Oliver Kächele, ist es die teils noch recht zerklüftete Software-Landschaft, der es an harmonisierten Schnittstellen fehlt. Das führt dazu, dass einige digitale Prozesse doch noch recht holprig ablaufen. Auch das Jahr 2021 wird davon geprägt sein, sie weiter zu optimieren.
Knappe Ressource Personal: vom Arbeitgeber- zum Bewerbermarkt
Eine Tendenz, die sich bedingt durch den demografischen Wandel bereits in den letzten Jahren abzeichnete, wird 2021 weiterbestehen und sich aufgrund der erhöhten Arbeitsbelastung in den Steuerkanzleien sogar noch verschärfen: der War for Talents – der Kampf oder, weniger martialisch ausgedrückt, der Wettbewerb um die vielversprechenden Talente der Branche.
Das Personalrecruiting ist zur Herausforderung geworden, insbesondere, wenn es um hochqualifizierte Mitarbeiter geht. Wer bei den sogenannten High Potentials nicht mit einem bekannten Namen, einem attraktiven Standort, aussichtsreichen Entwicklungschancen und/oder einem üppigen Gehalt punkten kann, hat es heutzutage ungleich schwerer, junge Talente auf sich aufmerksam zu machen. Meldeten sich früher auf ein Inserat in den Fachmedien noch Dutzende Interessenten, trudeln heute nur noch wenige Antworten ein. Personal ist meist nur noch via Headhunter zu finden. Deutliche Indizien dafür, dass sich der Arbeitgebermarkt in einen Bewerbermarkt gewandelt hat. Dieser Wandel erfordert Kreativität von den Steuerkanzleien und ihren Inhabern. Weg von der klassischen Anzeige hin zur alternativen Akquisitionsstrategie beispielsweise über berufliches und privates Networking, lautet die Devise.
Eine möglichst gute Reputation als Arbeitgeber ist mindestens genauso relevant wie ein großes, belastbares Netzwerk, wenn es um das Recruiting geht. Arbeitgeber werden heute genau unter die Lupe genommen. In Online-Bewertungsportalen wie kununu ist dies auch ohne Rechercheaufwand mit einem Klick möglich. Die Bewertungen dort sind schonungslos offen. Klar im Vorteil sind hier diejenigen Kanzleien, die mit einer positiven Unternehmenskultur aufwarten können, die nicht nur in der Hochglanzbroschüre oder auf der Homepage steht, sondern wirklich existiert. In einer vertrauensvollen Atmosphäre, die geprägt ist von Wertschätzung füreinander, arbeitet es sich besser. Insbesondere den Vertretern der jungen Generation ist ein angenehmes Arbeitsklima mittlerweile zunehmend wichtiger als ein dicker Gehaltsscheck. Hier können insbesondere kleine Kanzleien mit einer eher familiären Atmosphäre punkten.
Ein weiteres erhebliches Auswahlkriterium für Bewerber ist Flexibilität: Arbeit, Familie und Freizeit gut miteinander verbinden zu können, wird für viele Arbeitnehmer immer wichtiger. Auch hier sind kleinere und mittelständische Kanzleien oft im Vorteil, die individueller auf ihre Mitarbeiter*innen eingehen können als die großen Player. Das fängt bei den Arbeitszeiten an und hört bei großzügigen Homeoffice-Regelungen längst noch nicht auf.