Entscheidungsstichwort (Thema)
Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 42 Buchst. a, Art. 226 Nr. 11a
Beteiligte
Luxury Trust Automobil GmbH |
Verfahrensgang
VwGH Wien (Österreich) (Beschluss vom 08.04.2021; Aktenzeichen EU 2021/0002-1 (Ro 2020/13/0016); ABl. EU 2021 Nr. C 263/9) |
Tenor
1. Art. 42 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 197 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 in geänderter Fassung
ist dahin auszulegen, dass
der Enderwerber im Rahmen eines Dreiecksgeschäfts nicht wirksam als Schuldner der Mehrwertsteuer bestimmt worden ist, wenn die vom Zwischenerwerber ausgestellte Rechnung nicht die Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers” gemäß Art. 226 Nr. 11a der Richtlinie 2006/112 in geänderter Fassung enthält.
2. Art. 226 Nr. 11a der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2010/45 geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
das Weglassen der nach dieser Bestimmung erforderlichen Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers” auf einer Rechnung nicht später durch Ergänzung eines Hinweises darauf berichtigt werden kann, dass diese Rechnung ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft betrifft und dass die Steuerschuld auf den Empfänger der Lieferung übergeht.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 8. April 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 20. April 2021, in dem Verfahren
Luxury Trust Automobil GmbH
gegen
Finanzamt Österreich
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin der Dritten Kammer K. Jürimäe (Berichterstatterin) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Achten Kammer sowie der Richter N. Piçarra und N. Jääskinen,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Luxury Trust Automobil GmbH, vertreten durch M. Huber, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, und S. Lacha, Steuerberater,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Augustin, A. Posch und J. Schmoll als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Pethke und V. Uher als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 14. Juli 2022
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 42 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 (ABl. 2010, L 189, S. 1, berichtigt in ABl. 2010, L 299, S. 46) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) in Verbindung mit Art. 197 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie und von Art. 219a der Richtlinie.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Luxury Trust Automobil GmbH und dem Finanzamt Österreich (im Folgenden: Finanzamt) über die von dieser Gesellschaft für das Steuerjahr 2014 geforderte Mehrwertsteuer.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Mehrwertsteuerrichtlinie
Rz. 3
In Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
…
b) der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt
i) durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, oder durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, wenn der Verkäufer ein Steuerpflichtiger ist, der als solcher handelt, für den die Mehrwertsteuerbefreiung für Kleinunternehmen gemäß den Artikeln 282 bis 292 nicht gilt und der nicht unter Artikel 33 oder 36 fällt”.
Rz. 4
Titel V der Richtlinie trägt die Überschrift „Ort des steuerbaren Umsatzes”. In Kapitel 2 dieses Titels legen die Art. 40 bis 42 der Richtlinie den Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen fest.
Rz. 5
Art. 40 der Richtlinie lautet: „Als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen gilt der Ort, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befinden.”
Rz. 6
In Art. 41 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:
„Unbeschadet des Artikels 40 gilt der Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i als im Gebiet des Mitgliedstaats gelegen, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, sofern der Erwerber nicht nachweist, dass dieser Erwerb im Einklang mit Artikel 40 besteuert worden ist.
Wird der Erwerb gemäß Artikel 40 im Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung der Gegenstände besteuert, nachdem er gemäß Absatz 1 besteuert wurde, wird die Steuerbemessungsgrundlage in dem...