Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Steuerbefreiung der Leistungen des sog. betreuten Wohnens einer Seniorenresidenz
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Bewohner des betreuten Wohnens zählen – soweit die Stpfl. eine Steuerfreiheit der im Rahmen des betreuten Wohnens erbrachten Leistungen begehrt – zum Kreis der hilfsbedürftigen Personen i.S.d. § 4 Nr. 16 Satz 1 Hs. 1 UStG.
2. Der erkennende Senat ist davon überzeugt, dass die von der Stpfl. im Rahmen der mit den hilfsbedürftigen Bewohnern des betreuten Wohnens abgeschlossenen Betreuungsverträge erbrachten Leistungen mit Ausnahme der Wahlleistung für die Bereitstellung eines Telefonanschlusses, deren Steuerfreiheit die Klägerin auch nicht begehrt, zu den eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Leistungen zählen.
3. Die Stpfl. ist als Einrichtung i.S.d. § 4 Nr. 16 Satz 1 UStG anzusehen und bei den Leistungen des betreuten Wohnens handelt es sich der Art nach um Leistungen, auf die sich die Qualifikation der Stpfl. nach § 4 Nr. 16 Satz 1 UStG bezieht, § 4 Nr. 16 Satz 2 UStG.
Normenkette
SGB XI § 14; MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. g; UStG § 4 Nr. 16
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die von der Klägerin erbrachten Leistungen (ohne Vermietungsleistungen) im Zusammenhang mit dem sogenannten betreuten Wohnen von der Umsatzsteuer befreit sind.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die die Seniorenresidenz T bestehend aus einem Pflegeheim und sieben Wohnungen des betreuten Wohnens betreibt. Die Wohnungen weisen eine Größe zwischen 40 m² und 65 m² auf, verfügen über jeweils eine eigene Einbauküche, ein Notrufsystem und befinden sich im Gebäude des Pflegeheims.
Dem Betrieb des Pflegeheims liegt ein am 25.9.2003 abgeschlossener Versorgungsvertrag nach § 72 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) über vollstationäre Pflege und Kurzzeitpflege und eine am 26.6.2013 abgeschlossene und bis zum 30.6.2014 gültige Vereinbarung gemäß §§ 84, 85 und 87 SGB XI über die Leistung, Qualität und Vergütung der vollstationären Pflegeleistungen und Kurzzeitpflegeleistungen zugrunde. Ausweislich dieser Vereinbarungen, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, erbringt die Klägerin Leistungen der Kurzzeitpflege und der vollstationären Pflege an Pflegebedürftige im Sinne des SGB XI und betreibt xxx Plätze in der vollstationären Pflege und xxx Plätze der Kurzzeitpflege als eingestreute Plätze innerhalb der vollstationären Pflegeeinrichtung. In den Jahren 2009 bis 2014 entfielen hierbei ausweislich der von Seiten der Klägerin vorgelegten Berechnungen, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, nicht mehr als 10 % der gesamten Belegungstage auf die Bewohner des betreuten Wohnens und Bewohner des Pflegeheims, denen allein die Pflegestufe 0 zuerkannt worden war.
Mit den Bewohnern des betreuten Wohnens schloss die Klägerin neben einem Mietvertrag Betreuungsverträge ab, die einem Mustervertrag folgten und diverse Leistungen einer Grundversorgung, einer erweiterten Grundversorgung und Wahlleistungen einschließlich eines insoweit obligatorischen Notrufsystems umfassen. Wegen der Einzelheiten wird auf den von der Klägerin exemplarisch vorgelegten Vertrag verwiesen. Die Leistungen wurden durch das im Pflegeheim eingesetzte Personal erbracht. Buchhalterisch verbuchte die Klägerin die Entgelte für im Rahmen des betreuten Wohnens erbrachten Dienstleistungen auf dem Konto Nr. 5222 (2009-2011) bzw. Nr. 4910 (2011-2014) und für Speisen und Getränke auf dem Konto Nr. 5556 (2009-2011) bzw. Nr. 4920 (2011-2014); wegen der Einzelheiten wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 6.1.2022 Bezug genommen.
Die Klägerin erklärte für die Jahre 2009 und 2010 zunächst unter Verweis auf die Kleinunternehmerregelung des § 19 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (UStG) eine Umsatzsteuer i.H. von jeweils 0,00 € an. Mit Steueranmeldungen vom 5.2.2013 und vom 7.2.2013 meldete die Klägerin für die Jahre 2009 bis 2012 jeweils eine positive, festzusetzende Umsatzsteuer an. Mit weiteren ab dem 14.1.2014 eingereichten Umsatzsteueranmeldungen kehrte die Klägerin für das Jahr 2012 zur Anwendung der Kleinunternehmerregelung zurück und erklärte für die Jahre 2013 und 2014 erstmals eine festzusetzende Umsatzsteuer i.H. von jeweils 0,00 €. Dem folgend beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 9.4.2014 (Eingang: 11.4.2014) unter Beifügung entsprechender Umsatzsteuererklärungen auch für die Jahre 2009 bis 2011, die Umsatzsteuer jeweils auf einen Betrag i.H. von 0,00 € festzusetzen. Zur Begründung führte die Klägerin an, die im Rahmen des betreuten Wohnens erbrachten Umsätze seien steuerfrei. Bei den Leistungen des betreuten Wohnens handele es sich um eng mit der Pflege und Betreuung hilfsbedürftiger Personen zusammenhängende Leistungen.
Beginnend im August 2014 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Ausweislich des Berichtes der Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 3.9.2014 seien die im Zusammenhang mit dem ...