Rz. 9
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Das europäische Gemeinschaftsrecht enthält getrennte Berichtigungsvorschriften für die Steuerbemessungsgrundlage und die Vorsteuer, die den Rahmen für § 17 UStG vorgeben.
Rz. 10
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Im Hinblick auf die Änderung der Bemessungsgrundlage nach der Bewirkung des Umsatzes ist Art. 90 MwStSysRL maßgeblich.
Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL verpflichtet die Mitgliedstaaten im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes, die Steuerbemessungsgrundlage und mithin den Betrag der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Mehrwertsteuer immer dann zu vermindern, wenn der Steuerpflichtige nach der Bewirkung eines Umsatzes die gesamte Gegenleistung oder einen Teil davon nicht erhält. Diese Bestimmung ist Ausdruck des fundamentalen Grundsatzes der MwStSystRL, dass die Bemessungsgrundlage die tatsächlich erhaltene Gegenleistung ist und aus dem folgt, dass die Steuerverwaltung als Mehrwertsteuer keinen höheren als den dem Steuerpflichtigen gezahlten Betrag erheben darf (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 26.01.2012, Rs. C-588/10, Kraft Foods Polska UR 2012, 610; EuGH vom 15.05.2014, Rs. C-337/13, Almos, UR 2014, 900).
Art. 90 Abs. 2 MwStSystRL erlaubt den Mitgliedstaaten, im Fall der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung des Preises des Umsatzes von dieser Regel abzuweichen, wovon Deutschland aber keinen Gebrauch gemacht hat, wie § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zeigt.
Soweit ein Mitgliedstaat aber nach Maßgabe des Art 90 Abs. 2 MwStSystRL abweichen will, müssen seine nationalen Vorschriften alle anderen Fälle des Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL erfassen, ansonsten kann sich der Steuerpflichtige unmittelbar auf Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL berufen (EuGH vom 15.05.2014, Rs. C-337/13, Almos, UR 2014, 900 zur ungarischen Rechtslage, vgl. aber auch EuGH vom 28.05.2020, Rs. C-684/18, World Comm Trading, UR 2020, 853: Vorsteuerberichtigungspflicht unabhängig von der Erstattung der zu viel gezahlten Mehrwertsteuer an den leistenden Unternehmer).
In seinem Urteil vom 23.11.2017 (Rs. C-246/16, Enzo di Maura, UR 2018, 37) entschied der EuGH zudem, dass ein Mitgliedstaat die Verminderung der Besteuerungsgrundlage für die Umsatzsteuer nicht davon abhängig machen kann, dass ein Insolvenzverfahren erfolglos geblieben ist, wenn ein solches Verfahren mehr als zehn Jahre dauern kann.
Rz. 11
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Die Regelung der Berichtigung des Vorsteuerabzugs wegen nachträglicher Änderungen der Bemessungsgrundlage findet sich als Teilbereich der Berichtigung des Vorsteuerabzugs in den Art. 184 ff. MwStSysRL, wobei die Mitgliedstaaten auch hier nach Art. 186 MwStSysRL die Einzelheiten festlegen. Bei Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Faktoren muss der Betrag des endgültig vorgenommenen Vorsteuerabzugs letztlich demjenigen entsprechen, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt gewesen wäre, wenn die Änderung ursprünglich berücksichtigt worden wäre (vgl. EuGH vom 28.05.2020, Rs. C-684/18, World Comm Trading, UR 2020, 853).
Rz. 12
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Minderungen der Bemessungsgrundlage, die vor Bewirken des Umsatzes feststehen, sind dagegen nach Art. 79 MwStSystRL von vornherein zwingend nicht in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen und daher auch nicht i. R. d. Vorsteuer abziehbar.