Rz. 18
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der EuGH hält die Differenzbesteuerung für anwendbar. Nach dem Wortlaut von Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112 "Gebrauchtgegenstände"
- bewegliche körperliche Gegenstände, die
- in ihrem derzeitigen Zustand oder
- nach Instandsetzung
erneut verwendbar sind.
Rz. 19
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Aus dieser Bestimmung folgt nicht, dass der dort verwendete Begriff "Gebrauchtgegenstände" bewegliche körperliche Gegenstände, die in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar sind, ausschließt, wenn sie von einem anderen Gegenstand stammen, dessen Bestandteile sie waren. Dass ein gebrauchter Gegenstand, der Bestandteil eines anderen Gegenstands ist, von diesem getrennt wird, stellt nämlich die Einstufung des entnommenen Gegenstands als "Gebrauchtgegenstand" nicht infrage, sofern er "in seinem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung" erneut verwendbar ist.
2.2.2.1 Die Gegenstände haben ihre Funktion beibehalten
Rz. 20
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Für die Einordnung als "Gebrauchtgegenstand" ist demnach nur erforderlich, dass dem gebrauchten Gegenstand unverändert die Funktionen zukommen, die er im Neuzustand hatte, und dass er daher in seinem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar ist.
Rz. 21
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Dies ist bei den streitbefangenen Autoteilen der Fall, weil ihnen, auch wenn sie vom Altfahrzeug getrennt werden, unverändert die Funktionen zukommen, die sie im Neuzustand hatten, und sie somit zu denselben Zwecken erneut verwendbar sind.
2.2.2.2 Die Gegenstände haben ihre Identität beibehalten
Rz. 22
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Das Vorbringen der dänischen Regierung, die Einordnung als "Gebrauchtgegenstand" setze eine Identität zwischen dem angekauften und dem verkauften Gegenstand voraus, was beim Ankauf eines vollständigen Kraftfahrzeugs und dem Wiederverkauf von Teilen, die aus diesem Fahrzeug entnommen wurden, nicht der Fall sei, ist nicht geeignet, eine solche Auslegung infrage zu stellen. Denn ein Kraftfahrzeug besteht aus einzelnen Teilen, die zusammengefügt wurden und daher auch wieder voneinander getrennt und in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung wiederverkauft werden können.
2.2.2.3 Vermeidung einer Doppelbesteuerung
Rz. 23
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Nichtanwendung dieser Regelung auf Ersatzteile, die aus von Privatpersonen angekauften Altfahrzeugen entnommen wurden, liefe dem Ziel der Sonderregelung der Differenzbesteuerung zuwider, das nach dem 51. Erwägungsgrund der MwStSystRL u. a. darin besteht, auf dem Gebiet der Gebrauchtgegenstände Doppelbesteuerungen zwischen Steuerpflichtigen zu vermeiden.
Würden Lieferungen solcher Ersatzteile durch einen steuerpflichtigen Wiederverkäufer mit Mehrwertsteuer belegt, hätte dies nämlich eine Doppelbesteuerung zur Folge, weil
- zum einen im Verkaufspreis dieser Teile schon zwangsläufig die beim Kauf des Fahrzeugs entrichtete Mehrwertsteuer berücksichtig wurde, und
- zum anderen, weil dieser Betrag weder von dieser Person noch vom steuerpflichtigen Wiederverkäufer abgezogen werden konnte.
2.2.2.4 Ermittlung der Differenz
Rz. 24
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die dänische und die griechische Regierung weisen auf Schwierigkeiten hin, die sich bei der Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage der Differenz (Handelsspanne) und insbesondere des Einkaufspreises der einzelnen Ersatzteile nach Art. 315 MwStSystRL ergeben könnten.
Etwaige praktische Schwierigkeiten i. Z. m. der Anwendung der Differenzbesteuerung können es nach Auffassung des EuGH jedoch nicht rechtfertigen, bestimmte Gruppen steuerpflichtiger Wiederverkäufer von dieser Regelung auszunehmen, weil weder Art. 313 noch irgendeine andere Bestimmung der MwStSystRL die Möglichkeit eines solchen Ausschlusses vorsieht.