Dipl.-Finanzwirt (FH) Carsten Timm
Rz. 51
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bei Vorliegen einer Organschaft sind die untergeordneten juristischen Personen (Organgesellschaften, Tochtergesellschaften) als unselbstständig anzusehen; Unternehmer ist nur der Organträger und nicht das abstrakte Gebilde Organkreis (Abschn. 2.8. Abs. 1 S. 6 UStAE). Der Organträger ist als umsatzsteuerlicher Unternehmer verpflichtet, eine konsolidierte Steueranmeldungen für den gesamten Organkreis abzugeben. Der Organträger schuldet die gesamte Umsatzsteuer des Organkreises, Hieraus können sich erhebliche Steuerrisiken ergeben, insbesondere im Falle der Insolvenz einer Organgesellschaft.
Rz. 52
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Innerhalb des Organkreises kommt den Organgesellschaften umsatzsteuerlich damit die Rolle eines (unselbstständigen) Betriebsteils zu. Leistungen zwischen zwei Organgesellschaften oder zwischen Organgesellschaft und Organträger sind rein innerbetriebliche (genauer: "innerunternehmerische") Vorgänge ohne umsatzsteuerliche Bedeutung (sog. Innenumsätze). Die Innenumsätze sind mit Ausnahme des i. g. Verbringens nicht steuerbar. Der V. Senat des BFH legte mit mit Beschluss vom 26.01.2023, Az. V R 20/22 (V R 40/19) in der Rechtssache Finanzamt T, dem EuGH zwei neue Fragen zur umsatzsteuerlichen Organschaft vor und bringt damit die Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen auf den Prüfstand des EuGH.
Rz. 53
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Organschaft umfasst nur den unternehmerischen Bereich der Organgesellschaft (Abschn. 2.8. Abs. 1 S. 5 UStAE).
Rz. 54
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Erstellen die an den Warenbewegungen beteiligten Unternehmensteile zur Abrechnung Belege mit gesondertem Steuerausweis, so handelt es sich umsatzsteuerlich nicht um Rechnungen i. S. d. § 14 UStG, sondern um (grds. irrelevante) unternehmensinterne (Buchungs-) Belege. Dies hat zur Folge, dass
- die ausgewiesene Steuer nicht nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldet wird (Abschn. 14.1. Abs. 4 UStAE) und
- andererseits auch nicht zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG berechtigt (Abschn. 15.2. Abs. 14 UStAE).
Rz. 55
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Obwohl eine Organgesellschaft als unselbstständiger Betriebsteil in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist, ist sie im Verhältnis zu Dritten "ganz normal als Unternehmer anzusehen" (Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 941). Die Wirkung der Organschaft beschränkt sich auf das Innenverhältnis zwischen Organträger und der eingegliederten Gesellschaft. Im zivilrechtlichen Rechtsverhältnis zum Kunden oder Lieferanten ist eine Organschaft nicht zu identifizieren. Dies zeigt sich an Folgendem:
- Die Organgesellschaft hat über die von ihr erbrachten Leistungen abzurechnen (§ 14 Abs. 2 UStG). Rechnungen, die an sie adressiert sind, berechtigen (den Organträger) unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG zum Vorsteuerabzug.
- Jeder Organgesellschaft ist, auf Antrag eine eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zur Teilnahme am Binnenmarkt zu erteilen (§ 27a Abs. 1 S. 3 UStG). Die Verwendung von mehr als einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer innerhalb des einheitlichen Unternehmens Organkreis ist unionsrechtlich jedoch nicht zweifelsfrei (EuGH vom 22.05. 2008 C-162/07). Nach Art. 214 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL sollen Steuerpflichtige – also der Organkreis – jeweils eine individuelle Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer erhalten. Eine der deutschen Regelung in § 27a Abs. 1 S. 3 UStG entsprechende Ausnahme für die Vergabe weiterer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern an Unternehmen des Organkreises ist in der MwStSystRL nicht vorgesehen. Trotzdem ist die Vergabe mehrerer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern im Hinblick auf die ungeheuren Risiken des Binnenmarktes, die gerade im Bereich der Identifikation des Vertragspartners als Unternehmer liegen, unentbehrlich. Hierfür spricht auch der Umstand, dass im Unionsrecht die Mehrwertsteuergruppe und im nationalen Recht der Organträger als Steuerpflichtiger bestimmt wird.
- Eine Organgesellschaft hat eine eigene Zusammenfassende Meldung abzugeben (§ 18a UStG)
- Ohne Beachtung der Rechtsfolgen einer Organschaft greift § 13b Abs. 5 UStG bei der Erbringung von Bauleistungen nur für den Teil des Organkreises ein, der selbst nachhaltig Bauleistungen erbringt, auch wenn dies eine Organgesellschaft ist (Abschn. 13b.3. Abs. 7 UStAE). Mag dies pragmatisch und sinnvoll sein; der Wortlaut des § 13b Abs. 5 S. 2 UStG verlangt die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers.
- Bei der Berechnung der Erwerbschwelle (§ 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG) und der Umsatzwelle (§ 3c Abs. 4 S. 1 UStG) ist zu differenzieren.