Rz. 43a

Stand: 6. A. – ET: 07/2024

Ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft erfordert zwingend, dass in der Rechnung des Zwischenerwerbers auf die Steuerschuldnerschaft des Erwerbers hingewiesen wird. Diesbezügliche Abrechnungsfehler sind nicht rückwirkend heilbar (EuGH, Urteil vom 8.12.2022, Rs. C-247/21, Luxury Trust Automobil; dazu ausführlich Weimann, ASR 4/2023, AStW 3/2023, PIStB 4/2023). Damit wendet sich der EuGH gegen die bisherige deutsche Finanzrechtsprechung (vgl. z. B. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.11.2019, 6 K 1767, nrkr., Az. des BFH: XI R 38/19 und FG Münster, Gerichtsbescheid vom 22.4.2020, 15 K 1219/17 U, nrkr., Az. des BFH: XI R 14/20; bei Drucklegung sind beide BFH-Verfahren ausgesetzt/ruhen – Beschlüsse vom 19. u. 20.10.2021 – und erhalten nach Fortsetzung/Wiederaufnahme ein neues Aktenzeichen, www.bundesfinanzhof.de > Anhängige Verfahren; Abfragedatum: 28.3.2023).

2.4.3.1 Praxisrelevanz für deutsche Lieferanten

 

Rz. 43b

Stand: 6. A. – ET: 07/2024

Das Urteil erscheint auf den ersten Blick wenig "spannend", also wenig praxisrelevant zu sein. Die genauere Betrachtung zeigt jedoch, dass die unterschiedlichsten Branchen immer wieder in innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte eingebunden sind.

Dabei ist zu beachten, dass die Einbindung in der Regel unbewusst erfolgt! Darin liegt die besondere Gefahr, denn Abrechnungsfehler führen zu einem missglückten Dreiecksgeschäft und damit zu erheblichen Mehrkosten.

2.4.3.2 Betroffene Bestellketten

 

Rz. 43c

Stand: 6. A. – ET: 07/2024

Das neue EuGH-Urteil ist zu beachten, wenn Sie

  • Ware in das EU-Ausland verkaufen,
  • welche Sie vorab in einem anderen EU-Mitgliedstaat von einem Vorlieferanten eingekauft haben und
  • die Ware von Ihrem Lieferanten direkt zum Kunden transportiert wird oder
  • Sie die Ware selbst direkt zu Ihrem Kunden transportieren – und zwar in Ihrer Eigenschaft als "Abnehmer" Ihres Vorlieferanten (vgl. Abschn. 25b.1 Abs. 5 UStAE).
 

Grundfall

Ein niederländisches Unternehmen (NL) bestellt bei einem deutschen Büroausstatter (D) dringend benötigte Ersatzteile für ein Fotokopiergerät. D kauft die Ersatzteile direkt beim italienischen Hersteller (I). I trägt die Transportverantwortung für die "schnelle Auslieferung" an NL in Amsterdam und rechnet gegenüber D netto ab, liefert die Ersatzteile also steuerfrei innergemeinschaftlich. Alle Beteiligten verwenden gegenüber den Geschäftspartnern die von ihren Ländern erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummern (USt-IdNr.).

 
NL D I
  Vertrag 1     Vertrag 2
             
  Warenweg  

2.4.3.3 Betroffene Branchen

 

Rz. 43d

Stand: 6. A. – ET: 07/2024

Derartige Geschäfte gehören zum Tagesgeschäft der unterschiedlichsten Branchen, wie z. B. dem Ersatzteilhandel oder dem Anlagenbau.

 

Anlagenbau

Wie der Grundfall. D errichtet als Anlagenbauer Erdtanksysteme für die Lagerung flüssiger Chemikalien. Eine solche Anlage hat D auch bei NL errichtet. Als eine dort verbaute Pumpe ausfällt, bestellt NL diese bei D. D bestellt die Pumpe seinerseits bei I und lässt sie wie beschrieben von I direkt an NL ausliefern.

 

Kfz-Handel

Wie der Grundfall. D ist Kfz-Händler und handelt mit High-End-Fahrzeugen, vorzugsweise von italienischen Sportwagenherstellern. Ein solches Fahrzeug bestellt NL bei D. D kauft das Fahrzeug direkt beim italienischen Hersteller (I) und lässt es wie beschrieben von I direkt an NL ausliefern.

2.4.3.4 Außerplanmäßige und zugleich schnelle Geschäfte

 

Rz. 43e

Stand: 6. A. – ET: 07/2024

Häufig erfolgen diese Geschäfte ein Stück weit außerplanmäßig und unter Zeitdruck:

  • Eigentlich verkaufen Sie nur Ware, die sich bereits in einem Ihrer Auslieferungslager befindet.
  • Der EU-ausländische Kunde benötigt die Ware, die Sie noch bestellen müssen, "ganz schnell", also recht kurzfristig.
 
Hinweis

Die Einbindung Ihres Unternehmens in ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft erfolgt damit in der Regel unbewusst! Gerade darin liegt die besondere Gefahr!

2.4.3.5 Beurteilung nach den allgemeinen Regeln für Reihengeschäfte

 

Rz. 43f

Stand: 6. A. – ET: 07/2024

Ohne die Sonderregelung des § 25b UStG wäre der Grundfall wie folgt zu lösen:

  • I tätigt in Italien eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an D (§ 4 Nr. 1 Buchst. b i. V. m. § 6 a UStG).
  • D tätigt in den Niederlanden einen innergemeinschaftlichen Erwerb von I (§ 3d Satz 1 UStG).
  • D tätigt zusätzlich in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb von I, da er für den Einkauf die deutsche USt-IdNr. verwendet hat (§ 3d Satz 2 UStG).
  • D tätigt in den Niederlanden eine "normale" (Inlands-)Lieferung an NL. Die Lieferung ist steuerbar und steuerpflichtig. D hat gegenüber NL damit eine Rechnung unter Ausweis der niederländischen Umsatzsteuer aufzumachen.
 

Rz. 43g

Stand: 6. A. – ET: 07/2024

D müsste sich – sähe § 25b UStG keine Ausnahmereglung vor – aufgrund des innergemeinschaftlichen Erwerbs von I und seiner eigenen Lieferung an NL in den Niederlanden umsatzsteuerlich registrieren lassen. Dies wiederum würde für D einen erhöhten Administrativaufwand auslösen durch

  • Umstellung der Buchführung
  • Einrichtung der EDV
  • Bestellung eines Steuerberaters
  • Bestellung eines Fiskalvertreters
  • ...

Dies würde bereits bei der Kalkulation eines Auftrags und damit von den (in der Regel mit steuerlichen Fragen wenig befassten) Ein- u...

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