Rz. 164

Stand: 6. A. – ET: 01/2024

Vertrauensschutz tritt nach bisheriger Rechtsprechung dann nicht ein, wenn der Unternehmer bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (vgl. § 347 HGB) die Unrichtigkeit der Angaben hätte erkennen können. Die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wird zumindest dann nicht erfüllt, wenn der Unternehmer im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nicht im Besitz der Bestätigung des Abnehmers ist (§ 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV a. F.), dass dieser den Gegenstand der Lieferung ins üGG befördert hat (vgl. BFH vom 18.07.2002, Az: V R 3/02, BStBl II 2003, 616; vgl. Abschn. 6a.8. Abs. 6 UStAE). Die Anwendung der Vertrauensschutzregelung setzt daher voraus, dass der Unternehmer im Übrigen § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a–d UStDV vollständig erfüllt (vgl. BFH vom 07.12.2006, Az: V R 52/03, BStBl II 2007, 420 – ebenfalls zu fehlender Versicherung des Abnehmers [§ 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV a. F.], den Gegenstand der Lieferung ins üGG zu verbringen [fehlende Unterschrift oder beglaubigtes Namenszeichen/Paraphe auf formularmäßiger Bestätigung]; vgl. BFH vom 12.05.2011, Az: V R 46/10, BStBl II 2011, 957 – kein Vertrauensschutz bei unzutreffender Rechnung nach § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV a. F. [fehlender Hinweis auf Steuerfreiheit] sowie fehlender Verbringungserklärung nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV a. F., trotz qualifizierter Abfrage – Vorinstanz FG Rheinland-Pfalz vom 14.10.2010, Az: 6 K 1643/08 hatte noch Vertrauensschutz bejaht [vgl. Abschn. 6a.8. Abs. 1 S. 5, 6 UStAE]; vgl. BFH vom 15.02.2012, Az: XI R 42/10 (NV), BFH/NV 2012, 1188 [Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 14.10.2010, Az: 6 K 1643/08, EFG 2011, 670]).

 

Rz. 165

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Der Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns entspricht es jedenfalls nicht, wenn bei einem im Export von Fahrzeugen erfahrenen Unternehmer in CMR-Frachtbriefen statt des Auftraggebers des Transports (= Absender, Auftraggeber des Frachtführers; im Urteilsfall der Abnehmer) fälschlich der Unternehmer selbst als Absender eingetragen ist, obwohl er den Transport nicht veranlasst hat, oder aus den Belegen der Bestimmungsort nicht ersichtlich ist (vgl. BFH vom 22.07.2015, Az: V R 38/14, BFH/NV 2015, 1543, Rz. 22–27 und Rz. 30, § 17a Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStDV a. F. i. V. m. § 10 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a und b UStDV a. F.).

 

Rz. 166

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Ebenfalls wird die Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns dann verletzt, wenn bei neuen Geschäftskontakten mit erheblichen Umsatzhöhen keine nachweisbaren Schritte zur Überprüfung der USt-IdNr. vorgenommen werden (vgl. BFH vom 02.04.1997, Az: V B 159/96 (NV), BFH/NV 1997, 629 – sofern die Richtigkeit der USt-IdNr. überhaupt unter den Vertrauensschutz fällt).

 

Rz. 167

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Unter den Gutglaubensschutz des § 6a Abs. 4 UStG fällt die Steuerfreiheit einer i. g. Lieferung auch dann nicht, wenn es dem Unternehmer bekannt war, dass der Gegenstand der Lieferung im Inland verblieben ist (vgl. BFH vom 06.10.2005, Az: V B 140/05 (NV), BFH/NV 2006, 473 – in einem Fall, in dem Getränkelieferungen mittels Spedition [CMR-Frachtbrief] abgeholt wurden, bei denen es dem Unternehmen aber durch ausdrückliche Mitteilung oder durch andere Erkenntnisse bekannt war, dass die Waren im Inland verblieben waren).

 

Rz. 168

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Die Frage nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns kann nicht allgemeingültig bzw. abstrakt beantwortet werden, sondern ist unter Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, ggf. nach entsprechender Beweisaufnahme, zu entscheiden (vgl. BFH vom 28.09.2009, Az: XI B 103/08 [NV], BFH/NV 2010).

 

Rz. 169

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Nach Auffassung des FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 26.08.2010, Az: 6 K 1130/09, EFG 2011, 275, rkr.) gilt: "Beim Vorliegen von Zweifeln an der Richtigkeit der Belegangaben kann Gutglaubensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG gewährt werden, wenn auch bei tatsächlicher Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers dies vom Lieferer nicht zu erkennen war."

 

Rz. 170

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Zu den Sorgfaltspflichten bei Barverkäufen hochwertiger Pkw vgl. BFH vom 25.04.2013, Az: V R 28/11, BStBl II 2013, 656; vgl. Abschn. 6a.8. Abs. 9 UStAE (Vorinstanz FG Düsseldorf vom 17.06.2011, Az: 1 K 3069/09 U, EFG 2012, 279 – Vertrauensschutztatbestand anerkannt). Im Urteilsfall trat eine unbekannte Person unter Nutzung gefälschter Personalpapiere als Geschäftsführer einer bereits aufgelösten luxemburgischen GmbH auf und erwarb angeblich für diese zwei Pkw. Trotz Vorlage eines Handelsregisterauszugs der GmbH, der Aufbewahrung einer Kopie des (gefälschten) Personalausweises des angeblichen Geschäftsführers, einer Abholvollmacht für den Abholer sowie der Bestätigung der USt-IdNr., erkannte der BFH keinen Vertrauensschutztatbestand an. Die Klägerin hätte intensiver die Identität des Abnehmers (GmbH) überprüfen müssen, da bei der Geschäftsanbahnung ausschließlich Telefone und Faxgeräte mit deutscher Vorwahl verwendet wurden. Von der Klägerin hätte bei erstmalig...

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