Rz. 115
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Anstelle des Abzugsverfahrens (§§ 51–58 UStDV) wurde zum 01.01.2002 das Reverse-Charge-Verfahren (§ 13b UStG) eingeführt, wonach die Steuerschuld in bestimmten Fällen (z. B. bei Werkleistungen und sonstigen Leistungen ausländischer Unternehmer) auf den Leistungsempfänger übergeht, vorausgesetzt, dieser ist ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Der Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger findet auch dann statt, wenn der Leistungsbezug nicht für den unternehmerischen, sondern für den außerunternehmerischen Bereich erfolgt. Gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG kann der Leistungsempfänger die von ihm geschuldete Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen, sofern er persönlich zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, die Leistung für sein Unternehmen erhalten hat und keine Vorsteuerausschlusstatbestände vorliegen. In allen anderen Fällen führt die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für ihn zur Definitivbelastung.
Rz. 116
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Infolge des Übergangs der Steuerschuldnerschaft muss der leistende Unternehmer in seiner Abrechnung den Leistungsempfänger darauf hinweisen (§ 14a Abs. 5 UStG). Der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers setzt nicht voraus, dass er im Besitz einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis ist (vgl. EuGH vom 01.04.2004, Rs. C-90/02, Gerhard Bockemühl, HFR 2004, 815; BFH vom 17.06.2004, UVR 2005, 39). Eine Verletzung von Aufzeichnungspflichten (z. B. keine Eintragung der Rechnungen in das Register der Eingangs- und Ausgangsrechnungen) schließt den Vorsteuerabzug aus einem Reverse-Charge-Umsatz nicht aus. Die formalen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts im Fall des Reverse-Charge-Verfahrens können zwar durch die EU-Mitgliedstaaten vorgeschrieben werden. Der Unternehmer darf jedoch sein Vorsteuerabzugsrecht nicht verlieren, wenn die Formalitäten nicht eingehalten werden (vgl. EuGH vom 08.05.2008, Rs. C-95/07, C-96/07, Ecotrade, DB 2008, 1082).
Rz. 117
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs richtet sich im Regelfall nach dem Voranmeldungszeitraum, in dem der Leistungsempfänger den Umsatz anmelden muss. Dieses ist der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung, spätestens jedoch der Ablauf des Monats, der auf die Ausführung der Leistung folgt. Wenn der Leistungsempfänger die Zahlung bereits vor Ausführung der Leistung erbringt, ist die Steuer abzugsfähig, wenn die Zahlung geleistet worden ist (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 S. 2 UStG).