Rz. 50
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bei einem leistenden Unternehmer, der die USt nach vereinnahmten Entgelten berechnet (§ 20 Abs. 1 UStG), führen Änderungen der Entgeltvereinbarung nur dann zu einer Änderung nach § 17 Abs. 1 S. 1 UStG, wenn er das Entgelt bereits vereinnahmt hat. Die Berichtigung ist dann für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der Unternehmer das Entgelt ganz oder teilweise an den Leistungsempfänger zurückzahlt.
Beispiel 1:
Unternehmer A liefert an Unternehmer B am 9.9. mit beiliegender ordnungsgemäßer Rechnung Waren im Wert von 5.000 EUR netto zzgl. 19 % = 950 EUR USt. Den Kaufpreis hat B ebenfalls am 9.9. gezahlt. Bei der Kontrolle der Waren stellt B Mängel fest. Er macht diese gegenüber A geltend und beide einigen sich schließlich am 11.11. auf eine Minderung des Kaufpreises i. H. v. 40 %. Am 12.12. erstattet A dem B daher 2.000 EUR zzgl. 19 % = 380 EUR USt. A unterliegt der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (Istbesteuerung, § 20 UStG) und gibt monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen ab (§ 18 Abs. 2 S. 2 UStG).
Lösung:
Für A entsteht USt i. H. v. 950 EUR nach dem Istprinzip mit Ablauf des VZ September (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG).
Auch B kann nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 UStG im VZ September die Vorsteuer i. H. v. 570 EUR ziehen, soweit er im Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung ist.
Mit der teilweisen Rückzahlung des Kaufpreises müssen im VZ Dezember die Umsatzsteuer und die Vorsteuer um jeweils 380 EUR korrigiert werden.
Rz. 51
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Hinsichtlich des Vorsteuerabzugs galt nach bisheriger Verwaltungsauffassung in Abschn. 15.2. Abs. 2 S. 8 UStAE das Sollprinzip. Damit konnte der Leistungsempfänger bereits bei Leistungsausführung den Vorsteuerabzug beanspruchen. Unter Zugrundelegung des EuGH-Urteils vom 10.02.2022 (Rs. C-9/20, Grundstücksgemeinschaft Kollaustraße 136, DStR 2022, 255, vgl. hierzu Klein, DStR 2022, 521; Stadie, MwStR 2022 181), wonach die Vorsteuerentstehung nach dem Soll-Prinzip unionsrechtswidrig ist, soweit aufgrund der Ist-Besteuerung des leistenden Unternehmers die Umsatzsteuer erst im Zeitpunkt der Zahlung entsteht, bestünde zeitliche Korrespondenz zwischen der Umsatzsteuer- und der Vorsteuerentstehung. Der BFH führt in seiner Entscheidung vom 12.07.2023 (Az: XI R 5/21, UR 2024, 68 mit Anm. Gomes) aus, dass die Umsatzsteuer vom leistenden Unternehmer schon geschuldet werden muss, um als Vorsteuer beim Leistungsempfänger abgezogen werden zu können, und daher noch nicht abgezogen werden darf, solange sie vom Leistenden noch nicht geschuldet wird.
Beispiel 2:
Unternehmer A liefert an Unternehmer B am 10.10. mit beiliegender ordnungsgemäßer Rechnung Waren im Wert von 5.000 EUR netto zzgl. 19 % = 950 EUR USt. Bei der Kontrolle der Waren stellt B Mängel fest. Er macht diese gegenüber A geltend und beide einigen sich schließlich am 11.11. auf eine Minderung des Kaufpreises i. H. v. 40 %. Am 12.12. zahlt B daher 3.000 EUR zzgl. 19 % = 570 EUR USt an A. A unterliegt der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (Istbesteuerung, § 20 UStG) und gibt monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen ab (§ 18 Abs. 2 S. 2 UStG).
Lösung:
Für A entsteht USt i. H. v. 570 EUR nach dem Istprinzip mit Ablauf des VZ Dezember (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG).
Der Vorsteuerabzug des B nach § 15 Abs. 1 UStG unterliegt nach bisheriger Verwaltungsauffassung in Abschn. 15.2. Abs. 2 S. 8 UStAE dem Sollprinzip. Demnach könnte B im VZ Oktober Vorsteuern i. H. v. 950 EUR geltend machen und müsste diese mit der Einigung über die Minderung im VZ November um 380 EUR mindern.
Unter Zugrundelegung des EuGH-Urteils vom 10.2.2022 und dem BFH-Urteil vom 12.07.2023 könnte B dagegen erst mit Bezahlung und damit im VZ Dezember von vornherein nur Vorsteuern i. H. v. 570 EUR geltend machen. Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs wäre dann nicht erforderlich.