Kongress: Nachhaltigkeit besser kommunizieren
„Die Alarmglocke wurde schon vor 50 Jahren geläutet. Der Unterschied ist, dass wir uns jetzt mitten in der Krise befinden.“ Das sagte Sandrine Dixson-Declève, Ko-Präsidentin des Club of Rome, in ihrer Video-Ansprache zur Eröffnung des 15. Deutschen Nachhaltigkeitstags in Düsseldorf. Sie betonte, man müsse Klimaschutz heute besser kommunizieren, denn offenbar habe niemand den Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ gelesen. Eine Übertreibung, der Report wurde ein weltweiter Bestseller.
Kann eine Veranstaltung wie der Deutsche Nachhaltigkeitstag, diese bessere – das heißt nicht zuletzt öffentlichkeitswirksamere – Kommunikation von Nachhaltigkeit gewährleisten? Ja, aber nur wenn es ihr gelingt, die „Nachhaltigkeits-Wohlfühl-Bubble“ zu verlassen. Das forderte Dr. Christine Lemaitre, Vorständin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. Damit knüpfte sie an ihre Keynote vom Vorjahr an, um kritisch Bilanz zu ziehen: „wir spielen immer noch Buzzword-Bingo. Wir sind so beschäftigt damit von der Transformation zu reden – aber was ist, wenn diese Transformation schon da ist? Bei der COP27 waren 636 Öl- und Gas-Lobbyisten. Und wir beschäftigen uns damit, wie wir uns darstellen.“
CSRD als großes neues Beratungsfeld
Rainer Kroker von PwC forderte, es brauche eine Vergleichbarkeit bei ESG-Ratings. Aktuell würden „Unternehmen, die gleiche Daten abgeben, von Ratingagenturen unterschiedlich bewertet.“ Der Druck steige durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und durch die Anforderungen von Kreditgebern auch für Mittelständler. Dem Leiter des ESG-Bereichs bei PwC zufolge kommen Unternehmensberatungen bei diesen Themen kaum noch hinterher.
Im Anschluss sprachen Jörg-Andreas Krüger, Präsident des NABU, und Peter Maly von der REWE Group über das Thema Moorschutz. Dieser trage auch zum Klimaschutz bei. REWE unterstützt ein entsprechendes Projekt des NABU in den kommenden Jahren mit Geldmitteln in Höhe von 25 Millionen Euro. Das Unternehmen verkauft aber zugleich auch noch torfhaltige Blumenerde, wie Maly auf die kritische Nachfrage von Moderator Gregor Steinbrenner zugab.
Sponsorenlastige Podien und grüner Wasserstoff als Streitthema
Auffällig war, dass die Podiumsdiskussion und Vorträge zu weiten Teilen mit Sponsoren der Veranstaltung besetzt waren. Dass diese sich im besten Licht präsentieren möchten – geschenkt. Die ein oder andere kritische Moderatorenfrage, vor allem von Steinbrenner – lobenswert. Dennoch würde es der Veranstaltung im kommenden Jahr guttun, weniger Sponsoren zufriedenzustellen und dafür mehr Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Politik Bühnenpräsenz zu gewähren.
Gut funktioniert hat das zum Beispiel in der Diskussionsrunde zum Thema „Energieträger grüner Wasserstoff.“ Enapter-Vorstand Sebastian-Justus Schmidt prophezeite, grüner Wasserstoff könne in zehn Jahren eine vergleichbar günstige Option sein, wenn es gelänge, international schädliche Subventionen für fossile Energieträger abzubauen. Mona Neubaur, Wirtschaftsministerin in NRW, betonte daraufhin, der rasche Ausbau der Erneuerbaren Energien sei eine „sinnhaftere Lösung als der Ausbau von ‚Champagner-Wasserstoff‘ für die Breitenmobilität.“
Ressourcenwende und Energiesicherheit
Am Nachmittag sprach Michael Wiener, CEO bei Der Grüne Punkt, über Erfahrungen aus 30 Jahren Kunststoffverwertung. Die Kreislaufwirtschaft sei weiterhin das Gebot der Stunde. Dazu gelte es, über Zirkularität zu Anwendungen kommen, die sehr hochwertig und nah an der ursprünglichen Verwendung sind. Auf die Frage, ob die Politik noch stärkere Vorgaben zur Materialverwendung machen müsse, sagte Wiener: „Einschränkungen sind nicht der richtige Weg. Worüber wir uns aber freuen, sind Vorgaben wie Produkte designt werden müssen, damit sie recyclingfähig sind. Zum Beispiel durch die Ökodesign-Richtlinie. Die Stimmen dazu sind in der Wirtschaft durchwachsen – die Verlierer sind aber auf jeden Fall die, die an ihren alten Vorstellungen und Prozessen hängen bleiben.“
In der anschließenden Podiumsdiskussion zum „Existenzfaktor Energie“ stand die Frage im Raum, wie die Industrie durch den Winter komme. Jens Wichtermann, PR-Chef der Vaillant GmbH, beschrieb die Energieeinsparungen in seinem Unternehmen: „Wir sind personell an unserer Firmenzentrale in die effizientesten Gebäude zusammengerückt. Das ging dadurch, dass wir rund 50 Prozent Homeoffice haben.“ Der Vice President von Henkel, Dr. Daniel Kleine, sagte, sein Unternehmen strebe nach einer größeren Unabhängigkeit. Unter anderem geschehe das durch den Bau eines eigenen Solarparks in Spanien. Dr. Achim Dercks vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag verwies in diesem Zusammenhang darauf, nicht alle Unternehmen hätten diese finanziellen Möglichkeiten.
Fazit zum Deutschen Nachhaltigkeitstag 2022
Dem Kongress gelang es in der Summe deutlich besser als der Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises, die sich am Abend anschloss, zum Austausch anzuregen und eine inhaltliche Plattform zu bieten. Er zeigte auch: das Interesse an ESG-Themen ist in Unternehmen immens. Das liegt nicht zuletzt an den steigenden regulatorischen Anforderungen. Die diversen politischen Bühnengäste (neben Neubaur auch Bundesfinanzminister Christian Lindner, Staatsministerin Sarah Ryglewski und weitere) boten Ausblicke auf kommende Entwicklungen.
Damit bleibt der Deutsche Nachhaltigkeitstag auch in seinem fünfzehnten Jahr eine der relevantesten Bühnen für nachhaltige Transformation. Mit neuen Formaten sowie hinsichtlich Alter, Geschlecht und unternehmerischem Hintergrund diverser besetzten Podien ließe sich die Veranstaltung noch zeitgemäßer gestalten.
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