„Synergien nutzen, Vernetzung fördern und die Praxis einbeziehen“
Was bedeutet Nachhaltigkeit in einem marktwirtschaftlichen System? Über diese Frage diskutierten Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg, Prof. Achim Wambach und Arved Lüth unter der Moderation von Christoph Pause auf der Frankfurter Buchmesse. Die Besetzung des Podiums gewährleistete, dass verschiedene Facetten in den Blick genommen wurden.
Was bedeutet „nachhaltige Unternehmensführung“?
Schon bei der Eingangsfrage, was „nachhaltige Unternehmensführung“ überhaupt genau bedeute, zeigten sich die unterschiedlichen Blickwinkel der Experten:
Anabel Ternès legte als Direktorin des SRH-Instituts für Nachhaltiges Management den Fokus auf die Menschen. Der Faktor Mensch dürfe nicht vergessen werden – im Sinne einer „Green HR“ sollte er im Mittelpunkt aller Nachhaltigkeitsbemühungen stehen. Ein Ansatz wäre es, Mitarbeitende zu Nachhaltigkeitsthemen weiterzubilden. Elementar sei jedenfalls eines für Unternehmen: Sie müssten sich darüber bewusst werden, dass sie andere KPIs brauchen, um Nachhaltigkeit zu messen.
Der Gründer der Nachhaltigkeitsberatung :Response, Arved Lüth, appellierte an Unternehmen, über die Sichtweise des „weniger schädlichen Handelns“ hinauszugehen. In Zukunft komme es ihm zufolge darauf an, dass Unternehmen restorativ agieren. Das bedeutet, sie müssen über ihre Geschäftsmodelle CO2-positiv werden, der Atmosphäre also mehr klimaschädliche Gase entziehen als sie emittieren.
Achim Wambach – Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung und Professor für VWL an der Universität Mannheim – richtete den Blick auf die systemische Ebene. Ökologie bekomme man nur durch preisliche Anreize in die Marktwirtschaft:
Verschmutzung muss teurer werden, damit es sich lohnt, nachhaltiger zu handeln.
(Achim Wambach)
Unternehmen: Getriebene oder Antreiber der nachhaltigen Transformation?
Ein großer Teil der Podiumsdiskussion drehte sich um das Zusammenspiel von Politik und Wirtschaft. Ternès betonte, die Politik müsse Synergien stärker nutzen, die Vernetzung verschiedener Akteure fördern und die Praxis stärker einbeziehen. Familienunternehmen seien es schließlich oft eher als die Politik gewohnt, für zukünftige Generationen zu wirtschaften. Allerdings braucht der Mittelstand weiteres Know-how, Netzwerkverstärker, Informationen und Unterstützung.
Familienunternehmen sind es stärker als die Politik gewohnt, für zukünftige Generationen zu wirtschaften.
(Anabel Ternès)
Darüber, dass die Politik den Rahmen setzen müsse, waren sich die Experten einig. Zum Beispiel, wenn es um die Etablierung einer echten Kreislaufwirtschaft gehe. Laut Wambach müsse jedoch politisch langfristiger als bisher geplant werden, um etwas zu erreichen. Lüth ergänzte, gerade das Modell der Kreislaufwirtschaft sei der Weg für Unternehmen, sich vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln und innerhalb der planetaren Grenzen und mit Wachstum wirtschaften zu können.
Unternehmen sollten sich nicht nur von der Regulatorik treiben lassen. EU-Taxonomie, CSRD und Co. werden gewiss einen großen Steuerungseffekt haben. Laut Lüth geht es jedoch nicht bloß ums Berichten, sondern wir brauchen Geschäftsmodelle, die Nachhaltigkeit fördern. Zugleich wies der Unternehmensberater darauf hin, Menschen sollten sich nicht durch zu ambitionierte Vorstellungen selbst ausbremsen.
Die Beziehung von Unternehmen und Mitarbeitenden
Christoph Pause, Chefredakteur von Haufe Sustainability, wollte von der Runde auch wissen, wie edukativ Unternehmen sich gegenüber ihren Mitarbeitenden verhalten dürfen. Für Wambach müssen Unternehmen ihre Mitarbeitenden und Kunden sehr wohl von Nachhaltigkeit begeistern. Dahinter müssten aber auch die Zahlen stimmen. Er prognostizierte, diese Transformation werde viele Unternehmen in die Krise zwingen.
Arved Lüth berichtete aus seiner Praxiserfahrung, dass es in den Unternehmen beim Thema Nachhaltigkeit oft um die Kantinen und Parkplätze gehe. Das führe dann zu emotionalen Diskussionen – dabei seien das nur die kleinen Hebel. Viel entscheidender sei das, was das Unternehmen als solches macht. Es gehe also darum, Mitarbeitende bei der Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle mitzunehmen.
Viel entscheidender ist das, was das Unternehmen als solches macht. Bei der Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle sind die Mitarbeitenden meiner Erfahrung nach gerne dabei.
(Arved Lüth)
Schaffen wir den Switch zu nachhaltigem Wirtschaften?
Abschließend stellte sich die Frage, ob eine Transformation hin zu nachhaltigem Wirtschaften machbar ist. Anabel Ternès gab sich angesichts der vielen intrinsisch motivierten Treiber, die sich „Enkeltauglichkeit“ auf die Frage schreiben, optimistisch.
Achim Wambach teilte diesen Optimismus zumindest für Europa. Die Ziele der EU bis 2030 seien machbar und auch bezahlbar. Er wies aber darauf hin, dass Wege und Technologien gefunden werden müssen, bei denen auch andere Regionen wie China und Indien mitgehen können. Europa müsse hier eine Vorreiterrolle einnehmen, Innovationen entwickeln und Best Practices aufzeigen.
Für Arved Lüth hängt der Erfolg der Nachhaltigkeitstransformation vor allem davon ab, ob es Unternehmen gelingt, einen „positiven Impact“ zu skalieren. Als Beispiel nannte er den Umbau der Landwirtschaft hin zu einer insektenfreundlichen und regenerativen Landwirtschaft. Die Auswirkungen hinsichtlich der Biodiversität seien dann ungleich größer, als wenn einzelne Menschen sich ein Insektenhotel auf den Balkon stellen. Aktuell werde in der Diskussion allerdings noch sehr viel Einzelnen aufgebürdet.
Die Aufzeichnung der gesamten Podiumsdiskussion finden Sie hier:
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