Dr. Josef Baumüller, Prof. Dr. Kerstin Lopatta
Rz. 45
Der Due-Diligence-Prozess eines Unternehmens im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte bildet das Fundament der Nachhaltigkeitsberichterstattung und der damit verbundenen Wesentlichkeitsanalyse. Dies ergibt sich v. a. aus dem in ESRS 1 dargelegten Umstand, dass die durchzuführende Wesentlichkeitsanalyse (insbes. hinsichtlich der Auswirkungs-Wesentlichkeit) auf den bereitgestellten Informationen der Due-Diligence-Prozesse des berichtspflichtigen Unternehmens basiert (ESRS 1.58).
Rz. 46
Allgemein kann die Due Diligence als ein fortlaufender Prozess angesehen werden, bei dem Unternehmen die tatsächlichen und potenziellen negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschen i. V. m. ihren Wirtschaftsaktivitäten identifizieren, verhindern, mindern, wiedergutmachen und darüber Rechenschaft ablegen (ESRS 1.59). Dies umfasst sowohl die eigenen Geschäftstätigkeiten des Unternehmens als auch dessen Geschäftsbeziehungen, einschl. Produkte, Dienstleistungen und weitere Teile der Wertschöpfungskette. Die Due Diligence reagiert auf Veränderungen in der Strategie, dem Geschäftsmodell, den Aktivitäten und den Geschäftsbeziehungen des Unternehmens sowie auf den Betriebskontext, die Beschaffung und den Verkauf. "Sustainability" ist damit fest im Unternehmen zu verankern, organisatorisch und über alle Unternehmensbereiche hinweg, und kann damit keine bloße Randfunktion sein. Es braucht de facto eine institutionelle Verzahnung mit der Governance, dem Prozess der Ableitung einer Strategie und der Definition des Geschäftsmodells durch die Unternehmensleitung. Die gem. ESRS geforderte Nachhaltigkeitsberichterstattung ist somit mehr als eine bloße Berichtslegung – sie ist die Dokumentation einer laufenden Befassung des Unternehmens mit seinen Stakeholdern zu einem bestimmten (Berichts-)Stichtag.
Rz. 47
Die Elemente einer Due Diligence im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte (Sustainability Due Diligence) werden in den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen beschrieben. Beide internationalen Instrumente dienen als Grundlage für den Due-Diligence-Prozess i. R. d. ESRS (ESRS 1.60). Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte wurden im Jahr 2011 verabschiedet und beinhalten 31 Prinzipien, die sich auf wirtschaftsbezogene Menschenrechte beziehen und sowohl an Staaten als auch an Unternehmen gerichtet sind. Diese Prinzipien haben jedoch keine rechtlich bindende Wirkung. Ähnlich verhält es sich mit den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen, die im Jahr 2018 durch den OECD-Leitfaden zur Sorgfaltspflicht für Unternehmen aller Sektoren ergänzt wurden. Die Kernaspekte der Due Diligence, vorgegeben durch die internationalen Instrumente, spiegeln sich in zahlreichen Begrifflichkeiten und Konzepten sowie in der gesamten Struktur der Angabepflichten der ESRS wider (Abb. 4).
Abb. 4: Kernelemente der Due Diligence innerhalb der ESRS (ESRS 1.61)
Rz. 48
ESRS 1 betont, dass die berichtspflichtigen Unternehmen durch die ESRS nicht zur Durchführung einer Sustainability Due Diligence verpflichtet werden. Ebenfalls wird die Rolle der Verwaltungs-, Management- oder Aufsichtsgremien des berichtspflichtigen Unternehmens in Bezug auf die eigentliche Durchführung einer solchen Due Diligence nicht verändert (ESRS 1.58); d. h., etwaige unmittelbare Verpflichtungen ergeben sich aus existierenden rechtlichen Sorgfaltspflichten u. Ä. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass ESRS 1 zugleich betont, dass die Wesentlichkeitsanalyse auf dem Fundament der Due Diligence aufbaut und damit die Aussagekraft der Ergebnisse dieser Wesentlichkeitsanalyse maßgeblich von der Qualität der Due-Diligence-Prozesse abhängt. Damit wird u. E. auf Unternehmen zumindest faktisch Druck ausgeübt, zur methodischen Absicherung interne Prozesse in Anlehnung an die zuvor dargestellten internen Instrumente zu entwickeln – nicht zuletzt im Hinblick auf die geforderte externe Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung, die sich gem. CSRD dezidiert mit der Qualität der durchgeführten Wesentlichkeitsanalyse zu befassen hat. Zu diesem Fazit trägt außerdem bei, dass ESRS 2 GOV-4 eine zusammenfassende Beschreibung der wesentlichen Elemente des Due-Diligence-Prozesses im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte von Unternehmen fordert.
Die ESRS können als "bloße" Rechnungslegungsnorm freilich nicht Unternehmen verpflichten, die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte bzw. die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen anzuwenden; sie lassen dies aber an zahlreichen Stellen als wünschenswert erkennen (z. B. in ESRS 2.AR10). Ein Unternehmen, das umgekehrt keinen Prozess der Sustainability Due Diligence etabliert hat, würde schon aufgrund des Kriteriums des (sozialen) Mindestschutzes in Art. 18 der Taxonomie-VO mit negativen Konsequenzen konfrontiert sein (nämlich: keine Möglichkeit, taxonomiekonforme Wirtschaftstätigkeiten auszuweisen; Rz 49). Und spätestens die Corporate Sustainability...