Prof. Dr. Alexander Bassen, Dr. Kati Beiersdorf
Rz. 56
Zeitgleich mit dem Entwurf des ESRS LSME hat EFRAG im Januar 2024 einen Entwurf für einen freiwillig anwendbaren ESRS für KMU außerhalb des Anwendungsbereichs der CSRD veröffentlicht: den Exposure Draft Voluntary ESRS for non-listed small- and medium-sized enterprises (ED ESRS VSME). Zusätzlich zum ED ESRS VSME wurde die Grundlage der Schlussfolgerungen (Basis for Conclusions) veröffentlicht.
Rz. 57
Für diesen freiwillig anwendbaren Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht kapitalmarktorientierter KMU enthält die CSRD keine expliziten Vorgaben. Allerdings spricht die EU-Kommission im SME-Relief Package (KMU-Erleichterungspaket) vom September 2023 explizit auch die Bedeutung möglichst einfacher, standardisierter Vorgaben für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von KMU an und sieht die zeitnahe Erarbeitung eines freiwillig anwendbaren Standards vor.
Zudem besagt die CSRD, dass auch nicht kapitalmarktorientierte KMU "die Möglichkeit haben, sich dafür zu entscheiden, […] verhältnismäßige Standards freiwillig anzuwenden." Auch wenn dies in der CSRD mit dem besseren Zugang zum Kapitalmarkt begründet wird, dürfte für nicht kapitalmarktorientierte KMU ein freiwillig anwendbarer ESRS VSME insbes. aufgrund der bestehenden (hohen) Nachfrage nach solchen Nachhaltigkeitsinformationen von verschiedenen Stakeholdern und aufgrund des diesbzgl. Harmonisierungsbedarfs von Interesse sein. Die DRSC/RNE-Pilotgruppe "KMU-Reporting" hat die verschiedenen nachhaltigkeitsbezogenen Informationsbedarfe und deren – z. T. gesetzlich und regulatorisch bedingten – Anlässe und Hintergründe dargestellt. Diese umfassen etwa die Anfragen großer Unternehmen, die aufgrund eigener Informationsanforderungen zu ihren Wertschöpfungsketten solche Datenpunkte von KMU benötigen. Auch Banken sind, etwa aufgrund der EBA-Leitlinien, verpflichtet, die mit Nachhaltigkeitsfaktoren verbundenen Risiken in ihren Strategien und Kreditrisikobeurteilungen aufzunehmen.
Rz. 58
Harmonisierte Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung von KMU bestehen jedoch derzeit nicht. Stattdessen basieren die Anfragen zu Nachhaltigkeitsinformationen bei KMU von bspw. großen Unternehmen, Kreditgebern, Zertifizierern oder Datenbankanbietern zumeist auf (unternehmens)individuellen Fragebögen, die typischerweise bzgl. Themenspektrum (z. B. Umwelt- und/oder Sozial- und/oder Governance-Aspekte), Inhalt (z. B. (Nicht-)Berücksichtigung von Treibhausgasemissionen Scope 3) bzw. der inhaltlichen Schwerpunktsetzung oder auch der Konkretisierung abgefragter Indikatoren (z. B. (nicht) bereinigtes geschlechtsspezifisches Verdienstgefälle oder produkt- vs. unternehmensbezogene Daten) voneinander abweichen.
Rz. 59
Der ED ESRS VSME soll daher sowohl dem aus Sicht der KMU bestehenden Harmonisierungsbedarf als auch den aus Sicht der Stakeholder bestehenden Nachhaltigkeitsinformationsbedarf adressieren. Vor diesem Hintergrund definiert auch der ED ESRS VSME explizit das Ziel, die Informationsbedarfe von Kreditgebern von KMU und großen Unternehmen als Kunden von KMU möglichst umfassend abzubilden und dadurch eine Standardisierung der Informationsanfragen bei KMU zu erreichen (ED ESRS VSME.1(c), (d) sowie ED ESRS VSME.BC3 f.). Eine solche Harmonisierung der KMU-Nachhaltigkeitsberichterstattung, die weitestgehend auf die gem. VSME erstellten Nachhaltigkeitsinformationen beschränkt ist, würde zu einer deutlichen Entlastung der KMU und zu einer besseren Vergleichbarkeit der KMU-Nachhaltigkeitsinformationen führen. Sie ist allerdings nur erreichbar, wenn dieser freiwillig anwendbare Standard sowohl bei den Erstellern, also den KMU, als auch bei den Nutzern der KMU-Nachhaltigkeitsinformationen eine hohe Marktakzeptanz erlangt (ED ESRS VSME.BC5). Daher ist es essenziell, dass der finale ESRS VSME sowohl konzeptionell als auch inhaltlich den Bedarfen von Erstellern und Informationsnutzern gerecht wird.