Christian Polivka, Alexander Zunic
Rz. 1
Viele Unternehmen veröffentlichen bereits seit vielen Jahren einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht und kommunizieren auf diese Weise ihren quantitativen und qualitativen Beitrag zu selbst definierten und auch übergeordneten ESG-Zielen (z. B. Ziele zur Dekarbonisierung, UN SDG Ziele). Dies ist ein weltweiter Trend mit deutlich steigender Tendenz. Lt. KPMG veröffentlichten im Jahr 2022 bereits knapp 80 % der 5.800 "N100" Unternehmen weltweit Informationen zu Nachhaltigkeit (im Vergleich zu unter 20 % im Jahr 2002). Und auch in der Kommunikation mit Investoren (z. B. in Earnings Calls) wird das Thema zunehmend wichtiger. Diese Offenlegungen sind bisher jedoch weitgehend freiwillig und werden in der Praxis häufig über aufwändige, manuelle Prozesse angefertigt.
Sie erlauben daher noch keine ausreichende Transparenz und Granularität, die für eine Steuerung und letztlich Verhaltensänderung notwendig sind. Auch fehlt es häufig an Klarheit, welche Ziele, Pläne und Maßnahmen definiert werden und wie diese zu einer messbaren Veränderung von ESG-Performance führen. Genau hierzu werden nun aber verbindliche Vorgaben gemacht (siehe ESRS Set 1 zur Umsetzung der CSRD; § 9A), die über bisherige Verfahren und Prozesse nicht mehr adäquat bedient werden können.
Rz. 2
Angesichts der zunehmenden Komplexität und Quantität von nachhaltigkeitsrelevanten Informationen stehen Unternehmen vor folgenden Herausforderungen:
Daten fehlen bzw. sind schwer integrierbar
Ein zentrales Problem besteht darin, dass die relevanten Daten häufig nicht in der benötigten Form zur Verfügung stehen, sondern aufwändig ermittelt oder teilw. geschätzt werden müssen. Typischerweise müssen Daten aus unterschiedlichen Systemen und Datenbanken miteinander verknüpft werden, die über viele Jahre entstanden sind und häufig für einen spezifischen Verwendungszweck konzipiert und implementiert wurden.
Durch die entstehenden Daten-Silos und fehlenden Referenz- und Metadaten, die für eine Ermittlung der relevanten Kenngrößen notwendig sind, wird eine automatisierte Datenbereitstellung erschwert. Zudem sind Nachhaltigkeitsaspekte oft noch unzureichend in die Unternehmensprozesse integriert und müssen daher separat erhoben werden über teilw. sehr komplexe Datenerfassungsprozesse.
Hinzu kommt, dass ein sehr relevanter Teil der Nachhaltigkeitsinformationen externe Daten von Zulieferern, Kunden und Daten-Providern benötigt. Wenn man z. B. bedenkt, dass abhängig von der Branche bis zu 90 % des CO2-Fußabdrucks eines Unternehmens in seiner Lieferkette liegen können (GHG Scope 3), so wird deutlich, dass ein aussagekräftiges CO2-Reporting die Erhebung und Verwaltung von Verbrauchs- und Emissionsdaten entlang der gesamten Lieferkette voraussetzt. Dies wiederum erfordert einen standardisierten Datenaustausch und eine Vereinheitlichung von ESG-Daten.
Fehlende Einbettung in die digitale Transformation
In vielen Organisationen werden derzeit die Weichen gestellt für die digitale Zukunft der nächsten Jahre. Damit sind enorme Potenziale, aber auch Kosten und Risiken verbunden. Die digitale Transformation bedeutet nicht nur die Einführung neuer Software, Technologien und Prozesse, sondern auch die Veränderung von etablierten Arbeitsweisen, Rollen und Denkmustern. Dabei spielt auch Nachhaltigkeit eine extrem wichtige Rolle.
Oft greifen digitale Transformationsinitiativen in dieser Hinsicht zu kurz und den Nachhaltigkeitsaspekt nicht ausreichend auf. Dies liegt zum einen daran, dass sich Nachhaltigkeit nicht einem einzelnen Prozess oder einer Abteilung zuordnen lässt und eine übergeordnete, multidisziplinäre Denk- und Herangehensweise erfordert. Zum anderen ist eine Kosten-/Nutzen-Betrachtung oft nicht ausreichend präzise durchführbar. Dadurch wird eine stringente Integration von Nachhaltigkeit in die neuen digitalen Prozesse erschwert.
Veränderte Rollen und Verantwortlichkeiten
Die stetig wachsenden Anforderungen an ein ganzheitliches ESG-Reporting erfordern auch ein Überdenken der organisatorischen Verankerung und Personalausstattung. In der Vergangenheit lag die Verantwortlichkeit für die Nachhaltigkeitsberichterstattung häufig bei einem CSR-Team, das oft dem CEO- oder CFO-Bereich angegliedert war. Zunehmend entstehen jedoch Informationsbedarfe, die Verfahren und Prozesse aus der Finanzberichterstattung und dem Controlling erfordern. In der Konsequenz kommt dem Finanzbereich eine neue, erweiterte Rolle zu, insbes. auch im Kontext neuer regulatorischer Anforderungen. Des Weiteren bedarf es Experten, die neueste ESG-Entwicklungen und Berichtsstandards bündeln und als Multiplikatoren in das Unternehmen tragen.
Akzeptanz für Veränderungen
Eine der größten Barrieren für eine erfolgreiche Nachhaltigkeitstransformation ist die mangelnde Akzeptanz in der Organisation. Lt. Statistiken zur digitalen Transformation scheitern 70 % aller Programme zur digitalen Transformation am Widerstand der Mitarbeiter und mangelnder Unterstützung durch das Management und nur 16 % der Mitarbeiter gaben an,...