Prof. Dr. rer. pol. Karsten Paetzmann, Sean Needham
Rz. 26
Trotz der deutlichen Ausweitung des Anwenderkreises sieht der Gesetzgeber Ausnahmeregelungen für TU vor. Diese Ausnahmeregelungen sind in § 289b Abs. 2 und Abs. 3 HGB-E festgelegt und ermöglichen es TU, von der Pflicht zur Erstellung eines eigenen Nachhaltigkeitsberichts befreit zu werden, wenn sie in den Konzernlagebericht eines MU einbezogen sind. Die Abs. 2 bis 4 des § 289b HGB-E setzen die in Art. 19a Abs. 9 und 10 Bilanzrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen um. Fraglich ist der genaue zeitliche Ablauf, denn zu dem Zeitpunkt des Erstellens des Lageberichts der Tochter ist der Konzernlagebericht oft noch nicht erstellt und somit kann sie da nicht einbezogen sein. Die EU-Kommission löst dieses Pradaxon in den FAQ wie folgt: Unter anderem wird klargestellt, dass für die Befreiung eines TU der konsolidierte Nachhaltigkeitsbericht nicht zeitgleich vorliegen muss. Das befreite TU muss in seinem eigenen Lagebericht auf eine Website verweisen, auf der der konsolidierte Bericht zukünftig zur Verfügung stehen wird. Diese hemdsärmelige Lösung erscheint sehr wackelig und wenig prüffähig.
Gem. § 289b Abs. 2 HGB-E sind TU von der Berichterstattungspflicht befreit, wenn ihre Muttergesellschaft ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums hat und die Tochtergesellschaft in den Konzernlagebericht des MU einbezogen ist. Zusätzlich muss der Konzernlagebericht des MU einen Konzernnachhaltigkeitsbericht enthalten, der im Einklang mit den Anforderungen der RL 2013/34/EU erstellt wurde.
Diese Befreiungsmöglichkeit berücksichtigt die faktische Einheit von Unternehmensgruppen und vermeidet eine doppelte Berichterstattung innerhalb eines Konzerns. Sie stellt sicher, dass Nachhaltigkeitsinformationen auf Konzernebene konsolidiert und für alle Tochtergesellschaften einheitlich offengelegt werden, was insb. bei multinationalen Konzernen von großer praktischer Relevanz ist.
Zusätzlich präzisieren § 289b Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3 HGB-E, dass die allgemeinen Befreiungsregelungen des Bilanzrechts gem. §§ 264 Abs. 3 und 264b HGB anwendbar sind. Dies bedeutet, dass Unt, die nach § 264 Abs. 3 HGB von der Pflicht zur Erstellung eines Lageberichts befreit sind, auch von der Verpflichtung zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts entbunden werden, sofern der Konzernlagebericht die relevanten Nachhaltigkeitsangaben enthält. Diese Regelung verhindert eine unnötige bürokratische Belastung für Unt, die bereits umfassend auf Konzernebene berichten.
Rz. 27
Für TU von Muttergesellschaften, die ihren Sitz außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums haben, gelten gem. § 289b Abs. 3 HGB-E strengere Anforderungen. In diesem Fall ist eine Befreiung nur möglich, wenn der konsolidierte Nachhaltigkeitsbericht des MU entweder im Einklang mit den europäischen Standards (ESRS) oder nach gleichwertigen Standards erstellt wurde. Die Gleichwertigkeit solcher Standards muss durch einen Durchführungsrechtsakt der Europäischen Kommission gem. Art. 23 RL 2004/109/EG festgestellt werden.
Darüber hinaus müssen der Nachhaltigkeitsbericht und das Prüfungsurteil des MU offengelegt werden, um sicherzustellen, dass die Berichtspflichten tatsächlich erfüllt werden. Diese strengen Vorgaben sollen gewährleisten, dass Unt mit außereuropäischen Muttergesellschaften denselben hohen Berichtsstandards unterliegen wie Unt innerhalb der EU, was die Vergleichbarkeit und Transparenz der Nachhaltigkeitsberichterstattung stärkt, aber wiederum eine enorme Herausforderung für den zeitlichen Ablauf darstellt, da auch diese Dokumente i. d. R. erst weit nach der Erstellung des Lageberichts auf Einzelunternehmensebene vorliegen dürften.