Um Geschäftsmodelle zukunftsfähig zu machen, bedarf es aber einer ambitionierten Dekarbonisierungsstrategie, die sich auf die wertschöpfenden Prozesse konzentriert. Im Fall von Industrie-, Handels- und Konsumgüterunternehmen sind dies Produkte und eingekaufte Waren. Unterstützt durch die europäische Gesetzgebung wird Produkt-CO2-Transparenz in den nächsten Jahren zur Norm werden.

Pankaj Bhatia, Direktor des internationalen GHG-Protokolls, verantwortet den weltweit führenden Standard für CO2-Reporting und fasst die enorme Relevanz der Wertschöpfungskette so zusammen:

"Es ist der Wertschöpfungskettenansatz, welcher der Motor für Innovationen, für Zusammenarbeit, für Integrität und die Sicherstellung der Rechenschaftspflicht ist."

Erstens, erklärt Bhatia weiter, sei der Wertschöpfungskettenansatz der einzige Ansatz ist, der sicherstellt, dass es zu keinen unlauteren Verschiebungen kommt. Zweitens schafft der Wertschöpfungskettenansatz Anreize für die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Geschäftspartnern entlang der gesamten Lieferkette. Und drittens ermöglicht die Bilanzierung der Wertschöpfungskette grundlegende Änderungen im Design von Produkten, um tatsächlich weniger Emissionen zu verursachen.

3.1 Eine integre CO2-Berichterstattung muss Wertschöpfungsketten berücksichtigen

Da bisherige Klimabilanzen von Unternehmen Scope 3 Emissionen aus der Lieferkette häufig nicht berücksichtigen, hat sich z.B. das Outsourcing der Produktion positiv auf die Klimabilanz ausgewirkt – obwohl de facto nicht weniger und ggf. sogar weniger klimafreundlich bei Lieferanten produziert wurde. Das hat auch die Gesetzgebung verstanden und fordert mit der neuen CSRD die Integration des Scope 3, also auch die Bilanzierung der indirekten CO2e-Emissionen von Unternehmen.

3.2 Life Cycle Assessment (LCA) und Product Carbon Footprint (PCF)

Die weit verbreitete ausgabenbasierte Berechnungsmethode für CO2e-Emissionen greift bei Wertschöpfungsketten zu kurz und birgt das Risiko massiver Fehleinschätzungen. Bei dieser Methode werden statt spezifischer Lieferketten- oder Produktinformationen nur Finanzkennzahlen (bspw. ein Rechnungsbetrag) genutzt und mit groben Emissionsfaktoren verknüpft. Preisgünstigen Materialien wird also ein niedriger CO2e-Wert attestiert als der teureren Alternative und Preissteigerungen aufgrund von Inflation spiegeln sich in höheren CO2e-Schätzungen für die gleichen Waren wider. Mit tatsächlichen Veränderungen bei den Emissionen hat dies wenig zu tun und Unternehmen stehen dann vor der Herausforderung, diese Bilanzveränderungen zu erklären. Sinnvolle Steuerungsmöglichkeiten im Rahmen einer Dekarbonisierungsstrategie oder bezüglich messbarer Klimaschutzziele sind damit unmöglich.

2 neue Abkürzungen werden daher relevant fürs Business-Vokabular: LCA & PCF:

  • Die Lebenszyklusanalyse (engl. Life Cycle Assessment, LCA) beschreibt die systematische Berechnung der Umweltauswirkungen eines Produkts von den Rohstoffen bis zum Werkstor, der Entsorgung oder der Wiederverwertung. Eine dieser Umweltauswirkungen ist das globale Erwärmungspotenzial (engl. Global Warming Potential, GWP).
  • Das Ergebnis in dieser Kategorie wird in kg CO2e angegeben und auch als Produkt-CO2-Fußabdruck (Product Carbon Footprint, PCF) kommuniziert.

Die größte Herausforderung bei der detaillierten Berechnung: neben fehlendem Wissen über Sublieferanten ist selbst die Datenverfügbarkeit von näheren Lieferanten in der Realität meistens schwach und auch die Datenqualität häufig mangelhaft.

Deshalb arbeiten nicht nur Wissenschaftler, sondern auch moderne Softwarelösungen mit Lückenfüllern, also industrietypischen Daten und produkttypischen Variablen und Annahmen, um Primärdaten zu validieren und schnell erste Ergebnisse zu erhalten, womit dann eine iterative Datenverbesserung möglich ist. Die Aussagekraft gegenüber Berechnungen basierend auf Finanzdaten ist hierbei um ein Vielfaches besser.

3.3 EU Product Environmental Footprint (PEF) Verordnung: quantifizierbare Umweltaussagen werden Pflicht

In Frankreich gilt seit 2022 das nationale Klimagesetz, welches die kommenden EU-Verordnungen vorwegnimmt und für viele Bereiche als Blueprint gilt. Seitdem werden zunehmend CO2e-Informationen in (Online-) Shops, auf Angeboten und Rechnungen ergänzt. Umweltaussagen für Produkte müssen quantifizierbar sein. Je nach Produktkategorie gibt es deshalb umfangreiche Dokumentationen für die konforme Berechnung und die Kommunikation erfolgt einheitlich mit Hilfe eines in der finalen Abstimmung befindlichen Umweltlabels. Die EU will zeitnah mit der Nachhaltigen Produkte Direktive und der zugrundeliegenden Product Environmental Footprint (PEF) Methodik nachziehen, das Regelwerk für u. a. die Branchen Kleidung, Lebensmittel und chemische Reinigungsmittel befindet sich in der finalen Ausgestaltung.

3.4 Ohne Produkt-CO2-Daten sind klimafreundliche Entscheidungen unmöglich

Erst die Informationstiefe von CO2e-Emissionen für Materialien, Prozessschritte und Transportwege sowie Nutzungs- und Entsorgungsphasen ermöglicht die Identifikation von relevanten CO2e-Reduktionspotenzialen und die tatsächliche Messung von Veränderungen durch entsprechende Maßnahmen und Marktentwicklungen. Neben der Nachhaltigkeitsabteilung sind hier vor allem der Einkauf und das Produktdesign oder -entwicklung gefordert, diese zusätzlichen Erkenntn...

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