Abhängig davon, wie existenziell die/der Einzelne den Change-Prozess für sich erlebt, neigen Menschen dazu, in eher archaische, oft unbewusste Muster zurückzufallen. Diese Muster tragen in den seltensten Fällen zu einer konstruktiven Veränderung bei, sondern produzieren bestenfalls Scheinlösungen, oft verschlimmern sie die Situation. Aus einem sachlichen Konflikt werden substanzielle Beziehungskonflikte. Häufig führt dies zwangsläufig zu einer Erhöhung des inneren Stresses, was wiederum die Bereitschaft erhöht, die archaischen Muster noch stärker zu aktivieren.
Das Muster "verdeckter Tanz" geht zurück auf den amerikanischen Psychologen Eric Berne, der dies ausführlich beschrieben hat. Es werden sowohl der Wirkmechanismus dargestellt als auch einen Umgang mit den Mustern beschrieben.
2.1 Was ist der verdeckte Tanz?
Stellen Sie sich ein beliebiges Change-Projekt vor. Grundsätzlich sind die Führungskräfte und die Mitarbeitenden motiviert, zum Wohle der Organisation beizutragen, jede/jeder auf die eigene Art und mit den eigenen Fähigkeiten. In der Organisation haben sich bestimmte grundlegende Regeln und Verhaltensweisen, auch abseits der bestehenden Organisations- und Prozessstruktur, eingespielt. So weiß z. B. Herr Müller, dass er, wenn er etwas von Frau Leienweber möchte, besser erst nach der Frühstückspause anruft. Oder dass ein Vorschlag an den Amtsleiter am besten erst mit der Kollegin aus dem Nachbaramt diskutiert wird, weil sie einen guten Draht zu diesem hat.
Diese inoffziellen oder heimlichen Spielregeln sind i. d. R. die wahren Bestimmer für das Verhalten der Mitarbeitenden. Manchmal tragen sie positiv zur Produktivität bei, sind quasi der Flexibilitätsanteil in starren an Regeln und Hierarchien orientierten Systemen. Oft aber bewirken sie das Gegenteil. Sie kosten Zeit und Energie. In manchen Organisationen verschwinden 30 % und mehr an Energie, Motivation und Kreativität in diesen Mustern. Eine Möglichkeit, diese Muster lösungsorientiert zu beschreiben, ist der verdeckte Tanz.
Als verdeckten Tanz wird ein Konfliktmuster bezeichnet, bei dem der eigentliche Kern des Konflikts nicht offen ausgetragen wird, sondern über Stellvertreterthemen. Dabei entwickeln sich vorhersagbare Muster, i. d. R. von negativen Gefühlen begleitet ("Wenn der schon wieder so fragt ...").
Kernelement des verdeckten Tanzes sind Doppelbotschaften: Scheinbar freundliche, manchmal auch aggressive Interaktionen, die im Kern eine Negativbotschaft beinhalten. Der Umgang damit ist i. d. R. herausfordernd.
Es können unterschiedliche Intensitätsstufen unterschieden werden:
- Hinterlässt kurzfristig negative Emotionen (Frust, Ärger, Wut) bei einem oder beiden Beteiligten.
- Die Emotionen und das Konfliktmuster verfestigen sich.
- Totale Eskalation.
2.2 Die Phasen eines verdeckten Tanzes
2.2.1 Beispiel für einen verdeckten Tanz
Ein Vorgesetzter möchte ein bestimmtes Projekt in einer bestimmten Art und Weise durchführen. Sein dafür eingesetzter Mitarbeiter, der dieses Projekt durchziehen soll, hat massive Einwände dagegen. Die beiden diskutieren eine Weile und als dem Mitarbeiter keine guten Gegenargumente mehr einfallen, sagt er schließlich: "Na gut, also wenn Sie meinen, dann machen wir es eben so, wie Sie es wünschen." (Auf der verdeckten Ebene teilt er mit: "Sie werden schon sehen, was das für ein Mist ist.") Die Führungskraft registriert das einerseits, andererseits ist sie froh, endlich ein Ja bekommen zu haben, und beendet das Gespräch mit: "Wunderbar, dann machen wir das so."
Kurze Zeit später kommt der Mitarbeiter zu seinem Chef, gerade als dieser zu einem wichtigen Termin muss. "Ich habe da noch eine Frage zu dem Projekt". Der Vorgesetzte befürchtet, dass das länger dauern könnte, schließlich erinnert er sich noch an die letzte Diskussion und vertröstet den Mitarbeiter. "Stellen Sie mir einen Termin ein." Der Mitarbeiter tut dies nicht, die Führungskraft hakt auch nicht nach, froh, dass sich das Problem wohl so gelöst hat. Dieses Schema wiederholt sich 2-3 mal.
Nach einigen Wochen geht die Führungskraft mit schlechtem Gewissen zum Mitarbeiter und fragt, wie weit denn das Projekt jetzt sei und ob noch Probleme bestünden. Daraufhin explodiert der Mitarbeiter: "Wie weit soll ich schon sein. Natürlich gibt es Probleme und Sie haben ja nie Zeit für mich."
Daraufhin reden sie zunächst über angemessenen Tonfall und das Verhältnis zwischen Chef und Mitarbeiter. Als das Gesprächsklima wieder auf akzeptablem Niveau ist, muss die Führungskraft zum nächsten Termin. Beide fühlen sich zutiefst missverstanden, beide haben zum Verlauf beigetragen und beide finden keinen Ausweg.
2.2.2 Einstiegsphase
Die Einstiegsphase, die Aufforderung zum Tanz, ist durch eine spezifische Dynamik gekennzeichnet.
Beitrag des Senders
Die Führungskraft hat eine innere Zwickmühle: Einerseits möchte sie den Mitarbeiter mit seiner ganzen Motivation mitnehmen und gewinnen. Sie weiß...