Zur Analyse des energetischen Zustands eines Gebäudes, zur Identifizierung präziser Investitionsentscheidungen für nachhaltige Optimierungsmaßnahmen sowie für diverse Berichtszwecke werden Verbrauchsdaten benötigt (Kap. 3.4 Green Leases: Anwendungsbereiche und Beispiele). Da Immobilieneigentümer einen Großteil der im Gebäude verwendeten Energie bereitstellen, verfügen sie in den meisten Fällen bereits über die Verbrauchsdaten des Allgemeinflächenstroms, der Wärme sowie des Wassers. Einblicke in die Stromverbräuche der Mietenden hingegen sind selten. Gründe hierfür sind datenschutzrechtliche Limitierungen sowie ein erhöhter zu erwartender administrativer Aufwand, um die, nach Zustimmung der Mietenden, erhaltenen Daten zu analysieren und auf Korrektheit zu überprüfen. Da Mietende für einen Großteil des Gesamtstroms in einem Gebäude zuständig sind, sollten insbesondere Anstrengungen seitens des Gebäudeeigentümers unternommen werden, um die Verbrauchsdaten der Mietenden unter Berücksichtigung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu erfassen. Mit vollständigen und akkuraten Daten können der energetische Status quo eines Gebäudes ermittelt und präzise Entscheidungen zu Optimierungsmaßnahmen getroffen werden.
Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM)
Um den energetischen sowie CO2-Zustand eines Gebäudes zu bewerten, wenden viele Immobilieninvestoren und Energieberater das Bewertungstool Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM) an. Darin werden für jedes Land, für verschiedenste Nutzungsklassen sowie Klimawege (2 °C-Zielweg sowie 1,5 °C-Zielweg) Maximalwerte für die Energieintensität (kWh/m2a) und CO2-Emissionen (kgCO2ä/m2a) definiert. Durch Eingabe der Gebäudecharakteristika, Verbrauchsdaten, Energieträger, Emissionsfaktoren sowie der Angaben über den Einsatz von erneuerbaren Energien im Gebäude werden Ist-Werte ermittelt und den im Bewertungstool festgelegten Maximalwerten gegenübergestellt. Die zu erfüllenden Maximalwerte eines jeden dort analysierten Gebäudes reduzieren sich Jahr für Jahr bis 2050, um die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens anhand der Klimazielpfade (1,5 °C oder 2 °C) sicherzustellen. Sollten Gebäude die Maximalwerte zum Zeitpunkt der Analyse oder in den kommenden Jahren überschreiten, wird ab diesem Zeitpunkt von einem "Stranded Asset" ("gestrandete Immobilie") gesprochen. Aufgrund des unter anderem immer geringer werdenden globalen CO2-Budgets werden die Maximalwerte des CRREM-Tools stetig weiterentwickelt, um die Klimaneutralität bis 2050 sicherstellen zu können. Es kann daher vorkommen, dass sich der Stranded-Asset-Zeitpunkt der analysierten Gebäude mit Erscheinen neuer CRREM-Werte verschieben wird.
Zur Steigerung der Aussagekraft einer CRREM-Analyse wird die Verwendung von tatsächlichen Verbrauchsdaten empfohlen. Hierzu zählen Stromverbräuche (Allgemeinstrom und Mieterstrom), Verbräuche von möglichen erneuerbaren Energien sowie Heizverbräuche. Sollten diese, vor allem Mieterverbräuche, nicht vorhanden sein, muss auf Hochrechnungen zurückgegriffen werden, was die Aussagekraft des Stranded- Asset-Zeitpunkts verzerren kann. Ferner ist ein deutscher Energieausweis oft 10 Jahre lang gültig. In diesem Zeitraum durchgeführte energetische Optimierungsmaßnahmen werden in der CRREM-Analyse vom Vermietenden oder Dienstleister meist nicht berücksichtigt. Darüber hinaus werden in den Energieausweisen keine Angaben zu Mieterverbräuchen gemacht.
Offenlegung der Verbrauchsdaten vereinbaren
Im Rahmen von Green Leases sollte daher sichergestellt werden, dass möglichst alle Mietenden in einem Gebäude durch Klauseln zur Offenlegung der Verbrauchsdaten aufgerufen werden. Dies kann jedoch nur nach erfolgter Zustimmung der Gebäudenutzenden erfolgen. Nur so lässt sich zielgenau der Status quo eines Gebäudes bewerten und nur so lassen sich darauf basierend präzise Investitionsentscheidungen treffen. In Kap. 3.7 Green Leases: Anwendungsbereiche und Beispiele finden Sie Formulierungsvorschläge für die Offenlegung der mieterseitigen Verbrauchsdaten.
Abb. 7: Beispielhafte CRREM-CO2-Status-quo-Analyse eines Gebäudes. Das Beispielgebäude überschreitet im Jahr 2022 den Maximalwert des kgCO2äq/m2a-Zielpfades – das Gebäude ist ab diesem Zeitpunkt ein Stranded Asset.