Organisationen sollten bei der Planung von Strategien und Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität ambitioniert vorgehen. Das bedeutet, dass die Ziele zur Reduzierung oder Entnahme von THG-Emissionen einen signifikanten Beitrag zur Erreichung globaler Netto-Null-Emissionen leisten und dass die Maßnahmen schnell geplant und umgesetzt werden. Angesichts der bereits heute auftretenden und für die Zukunft prognostizierten Klimawandelfolgen, ist sofortiges und kontinuierliches Handeln zur Reduzierung von THG-Emissionen erforderlich. Unternehmen sollten nicht nur langfristige Ziele setzen, sondern auch kurzfristige Maßnahmen ergreifen, um schnell Ergebnisse zu erzielen. Ein Aufschieben bereits heute technisch (und wirtschaftlich?) machbarer Maßnahmen sollte verhindert werden, auch um die Menge an technisch vermeidbaren aber bisher unbehandelten ("unabated") THG-Emissionen zu gering wie möglich zu halten (siehe Abb. 2 für Beispiele für Residualemissionen).
Abb. 2: Übersicht zu Residualemissionen
Zeitliche Staffelung der Maßnahmen und Ziele
Die mit Maßnahmen untersetzen Ziele sollten zeitlich gestaffelt werden (z. B. kurz- und langfristigen Zielen mit Planungshorizonten von 5 bis 10 Jahren sowie 20 Jahre bis zum Zieljahr 2045/50). Auch bei der Umsetzung werden entsprechend ISO 14068 zwei Phasen unterschieden (siehe ISO 2023: ISO 14068, Annex A):
- Frühe Phase: Schrittweise Umsetzung von no-regret-Maßnahmen (Will 2022), aber höherer Anteil von unbehandelten "unabated" THG-Emissionen, höherer Anteil von Kompensationszertifikaten (reduction und avoidance Zertifikate).
- Späte Phase: Alle technisch machbaren Maßnahmen wurden zur Reduktion der THG-Emissionen wurden umgesetzt. Für die verbleibenden, technisch nicht vermeidbaren Residualemissionen können ausschließlich bestimmte Kompensationszertifikate ("removal-credits") verwendet werden.
Festlegung des Ambitionsniveaus
Organisationen mit höherer (finanzieller) Leistungsfähigkeit, mit hohen aktuellen oder historischen THG-Emissionen sollten auch mit höherer Ambition handeln. Bei der Festlegung des Ambitionsniveaus im Maßnahmenprogramm (bzw. Carbon Neutrality Management Plan, CNMP) können folgende Aspekte berücksichtigt werden (ISO 2023: ISO 14068, Annex D):
- Einbeziehung möglichst aller Wirtschaftsaktivitäten des Unternehmens, insbesondere jener, die das Unternehmen besonders repräsentieren oder die mit besonders hohen THG-Emissionen verbunden sind.
- Einbeziehung möglichst vieler Prozesse und indirekter THG-Emissionsquellen unter Anwendung von Signifikanz- oder Bedeutungsschwellen für den Nachweis und die Legitimation von Ausschlüssen ("cut-offs")
- Die Ziele des Neutralitätswegs (CNMP), einschließlich kurz- und mittelfristiger Ziele zur Emissionsreduktion und der Zeitrahmen für langfristige Ziele, wenn nur noch residuale THG-Emissionen vorhanden sind.
- Berücksichtigung des Ausmaßes, in dem der Einsatz fossiler Brennstoffe nötig ist, um THG-Emissionsreduktionsziele zu erreichen
- Beschreibung des Ausmaßes, in dem die Maßnahmen auf den Besten Verfügbaren Technologien (BVT bzw. BAT nach EU Sevilla-Prozess bzw. IED-Richtlinie) beruhen
- Anteil von Kompensationszertifikaten und Offsets in jedem Berichtszeitraum
Ambition im Kontext der ISO 14068-1 umfasst demnach nicht nur das Setzen von Zielen, sondern auch die Berücksichtigung des Umfangs, der Intensität und der Effektivität der Maßnahmen, die zur Erreichung dieser Ziele ergriffen werden. Es geht darum, die Herausforderung des Klimawandels aktiv und umfassend anzugehen, indem man über das Minimum hinausgeht und bestrebt ist, signifikante und schnelle Fortschritte zu erzielen.
Beispiele für ein hohes Ambitionsniveau (ISO 2023: ISO 14068, Annex D):
- Ein Unternehmen könnte sich das Ziel setzen, bis 2030 80 % seiner Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen, indem entsprechende Eigenerzeugungsanlagen errichtet oder entsprechende Stromlieferverträge abgeschlossen werden (Will et al. 2022)
- Ein Unternehmen entscheidet sich, neben den sogenannten Kyoto-Gasen auch andere Klimaeffekte zu berücksichtigen (sog. non-GHG-climate effects, z. B. infolge von Landnutzungsänderungen, Veränderung der Albedo, Wasserdampf- und Kondensationsstreifen aus der Luftfahrt)
- Erreichen von THG-Neutralität für die gesamte Organisation, nicht nur für Teile davon und für das gesamte Produktspektrum, nicht nur für einzelne Produktlinien
- Planung und Umsetzung von tiefgreifenden und schnellen THG-Emissionsreduktionen und maximal möglichen THG-Entfernungen innerhalb der Wertschöpfungskette, um die Abhängigkeit von Kompensationen zur Erreichung der THG-Neutralität zu minimieren.