Nach aktuellem Stand wird es kaum Unternehmen geben, die den Status der Klimaneutralität ohne Kompensationszertifikate und Gutschriften ("credits") erreichen können. Ausnahmen bestätigen hier die Regel! Wenn z. B. ausreichend biobasierte Materialien oder Pflanzenkohle in langlebigen Produkten eingeschlossen werden können, dann kann bilanziell auch Klimaneutralität erreicht werden. In vielen Industriebereichen oder bei schwer vermeidbaren THG-Emissionen (siehe Abb. 2) wird es bis auf weiteres ohne externe Kompensation nicht gehen, d. h. es müssen für jeden Berichtszeitraum entsprechende Zertifikate erworben und stillgelegt werden. Die Nutzung von Kompensationszertifikaten sollte entsprechend des Hierarchieansatzes die letzte Option sein, nachdem Minderungs- und Entzugsmaßnahmen geplant wurden. Die Gründe warum auf Zertifikate zurückgegriffen werden muss, soll dargelegt werden (z. B. im GHG Management Plan).
Was ist Kompensation?
Bei der freiwilligen Kompensation ("voluntary carbon offsetting") handelt es sich um eine seit längerem etablierte Praxis. Sie zielt darauf ab, bereits verursachte THG-Emissionen zu neutralisieren, indem in Projekte investiert wird, die THG an anderer Stelle vermeiden, reduzieren und der Atmosphäre entziehen.
4.1 Arten von Kompensationsprojekten und Kompensationszertifikaten
Es können verschiedene Arten von Kompensationsprojekten und -zertifikaten unterschieden werden:
- avoidance credits
- reduction credits und
- removal credits.
Art des Zertifikats |
Definition |
Beispiele |
Avoidance credits |
Gutschriften erfolgen für eine Vermeidung von THG-Emissionen, die andernfalls stattgefunden hätten, wenn ein bestimmtes Klimaprojekt nicht stattgefunden hätte. Es handelt sich oft um hypothetische Substitutionseffekte, die mit einem Basisszenario verglichen werden. |
- Einsatz von Dämmstoffen in der Gebäudehülle zur Vermeidung von Wärmeverlusten und dadurch verminderter Einsatz von Energieträgern
- Verwendung von Solarkochern statt Holzöfen
- Verwendung von biobasierten oder low-carbon Materials anstelle fossiler/petro-basierter Alternativen
- Vermeidung von Methanemissionen durch Einsatz von aeroben Abwasserbehandlungstechnologien und Auffangen der Fermentationsgase
- Vermeidung der Freisetzung von Deponiegas durch Gasfassung mit Gasbrunnen und Gasverdichterstationen
- Sammlung und geregelte Entsorgung von gebrauchten Kühlmitteln
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Reduction credits |
Gutschriften erfolgen für aktive Minderungen von THG-Emissionen, z. B. wenn ein energieeffizienteres Verfahren eingesetzt wird und dadurch Energieträger und damit verbundene THG-Emissionen reduziert werden. Die Reduktionsgutschriften basieren auf Nachweisen zur tatsächlich durch das Projekt erzielten Emissionsreduzierung. |
- Nutzung von Erneuerbaren Energien und Biomasse bei Substitution von klimaschädlichen Energieträgern und Materialien
- Einsatz von LED anstatt HQL-Leuchten
- Retrofitting/Ersatz von alten Pumpensystemen durch neue energieeffizientere Pumpen
- Reduzierung des Einsatzes von Stickstoffdüngern in der Landwirtschaft
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Removal credits |
Gutschriften erfolgen für die aktive Entnahme einer bestimmten Menge an Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre über verschiedene CDR-Technologien. |
- CDR-Technologien: Direkte Luftabscheidung (DAC), Enhanced Weathering, Ozeandüngung, Bioenergy Carbon Capture and Storage (BECCS)
- Naturbasierte Verfahren: Carbon Farming und Agroforstwirtschaft, Moorwiedervernässung und Palidukulturen, Aufforstung und waldbauliche Maßnahmen (temporäre/dauerhafte Stilllegung)
- Langlebige und biobasierte Materialien (z. B. Ingenieurholzprodukte, biobasierte Dämmstoffe, biobasierte Kunststoffe, pyrogene Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (PyCCS, z. B. Pflanzenkohlebeton)
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Tab. 3: Übersicht zu verschiedenen Arten von Zertifikaten aus dem freiwilligen Emissionshandel (Quelle: eigene Darstellung)
Die Grenze zwischen den avoidance und reduction credits ist nicht ganz trennscharf. Diese beiden machen Formen aktuell mehr als 90 % der weltweit gehandelten Zertifikate aus.
Kompensationsgutschriften, -zertifikate bzw. "credits" werden in freiwilligen Märkten gehandelt und unterscheiden sich dadurch von regulierten Märkten, wie dem Europäischen Emissionshandel (ETS) oder dem nationalen Emissionshandel im Kontext des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) in Deutschland.
4.2 Qualitätskriterien für Kompensationszertifikate
Die freiwillige Kompensation ist jedoch auch starker Kritik ausgesetzt. Eine generelle Kritik lautet etwa, dass durch die Verfügbarkeit von billigen Zertifikaten technisch machbare Klimaschutzmaßnahmen nicht umgesetzt oder aufgeschoben werden (Zertifikate als "Ablaßhandel" bzw. "mitigation deterrance"). Daher ist auch entsprechend der ISO 14068 eine externe Kompensation im Sinne der Maßnahmenhierarchie nur für schwer zu vermeidende Restemissionen zulässig (vgl. Abb. 2). In der Vergangenheit wurde aber auch Kritik an speziellen Verfahren und Projekten von Kompensationsanbietern laut, die sich insbesondere auf Aufforstungsprojekte bezogen. Ferner besteht das Risiko von Doppelzäh...