3.1 Die Vorteile des "Scope-2-Analyzer"
Zusammen mit dem Thinktank Industrielle Ressourcenstrategien am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Wissenschaftlern von dem Beratungsunternehmen Systain aus dem Hamburger Otto-Konzern hat die Hochschule Pforzheim ein kostenloses Software-Tool zur Ermittlung der Scope3-THG-Emissionen entwickelt – den "Scope3Analyzer". Er basiert genau auf der zuvor beschriebenen Methode und auf den statistischen Daten über die globalen Handelsströme und die jeweiligen nationalen Emissionsbilanzen.
Erleichterte Ermittlung und Eingabe der erforderlichen Zahlen
Für den Praktiker im Unternehmen hat diese Methode entscheidende Vorteile: Die Eingabedaten sind statt der üblichen Kilogramm nun Wertangaben, also in Euro, die von den Einkaufsabteilungen schnell bereitgestellt werden können. Tatsächlich korreliert der Carbon Footprint vieler Produkte eher mit dem Preis als mit der Menge in kg, da mit steigender Wertschöpfung meistens auch mehr Energieeinsatz verbunden ist. Insbesondere Unternehmen, die eine komplexe Zulieferstruktur mit vielen Lieferanten und zahlreichen Vorprodukten haben, profitieren von diesem Tool. Denn es fasst bestimmte Gütergruppen zusammen. Je diverser die Einkaufsstruktur des Unternehmens ist, desto besser lassen sich solche Durchschnittswerte für ganze Gütergruppen anwenden. Das vereinfacht deutlich die Ermittlung und Eingabe der erforderlichen Zahlen.
3.2 Wie der "Scope-3-Analyzer" funktioniert
Der Berechnungsalgorithmus ist wie folgt (siehe Abb. 3): Die Firma A kauft ein Kunststoffprodukt von einem türkischen Lieferanten ein. Der entsprechende Einkaufswert wird dem Sektor "Gummi- und Kunststoffwaren" des Landes Türkei zugeordnet. Die konkreten Emissionen des Lieferanten sind nicht bekannt, aber er ist Teil seiner Branche in der Türkei. Dafür liegen Durchschnittswerte der Emissionen vor. Ebenso liegen für diese türkische Branche Handelsdaten vor, aus welchen Ländern und von welchen Sektoren sie ihre Vorprodukte bezieht. Damit können wiederum die Scope-3-Emissionen des türkischen Lieferanten errechnet werden. Diesen Ansatz kann man nun durch die gesamte Lieferkette weiterverfolgen. Der Berechnungsalgorithmus berücksichtigt dabei sogar, wenn es zu zyklischen Verbindungen kommt, also wenn z. B. ein späteres Lieferland, sagen wir Australien, wieder Vorprodukte aus der Türkei oder aus Deutschland bezieht. Die Lieferkette wird somit quasi komplett abgebildet, allerdings mit branchenbezogenen Durchschnittswerten.
Abb. 3: Beispiel für den Rechenalgorithmus des Scope-3-Analyzers mittels der Input-Output-Analyse.
3.3 Die Dateneingabe in den "Scope-3-Analyzer"
Der sogenannte Scope-3-Analyzer, der auf einer Webplattform bereitgestellt wird, bietet ein Excel-Template an, das von dem Unternehmen ausgefüllt werden muss (Abb. 4, 5, 6). Auch die Daten für die Scope-1-Emissionen können damit eingegeben werden (Abb. 4), ebenso wie die Scope-2-Emissionen (Abb. 5).
Abb. 4: Eingabemaske des Scope-3-Analyzers unter MS Excel für die Scope-1-Emissionen, die direkt errechnet werden.
Abb. 5: Eingabemaske des Scope-3-Analyzers unter MS Excel für die Scope-2-Emissionen für den Stromverbrauch, unterschieden nach Bezugsländern.
Die Einkaufswerte werden nur summarisch für Produktgruppen, z. B. "Medical, precision and optical instruments, watches and clocks", und ihr Herkunftsland eingegeben (Abb. 6).
Abb. 6: Eingabemaske des Scope-3-Analyzers unter MS Excel für die Scope-3-Emissionen für den Bezug von Vorprodukten, unterschieden nach Warengruppe und Bezugsland.
Damit reduziert sich der Aufwand erheblich. Die eingekauften Güter und Vorleistungen müssen lediglich entsprechend der Produktgruppen gegliedert und aufsummiert werden. Die Excel-Datei wird dann in den webbasierten Scope-3-Analyzer geladen und es werden die Berechnungen durchgeführt. Alle Datenschutz-Vorkehrungen werden eingehalten, d. h. es werden keine Daten nach der Berechnung gespeichert. Der Anwender kann die Daten auch auf einen anderen Gesamtumsatz skaliert angeben und die Ergebnisse später selbst wieder hochrechnen, wenn er nicht mit den „echten“ Zahlen rechnen will.
3.4 Die Ergebnisse des Scope-3-Analyzers
Die Ergebnisse werden in einem "Dashboard" graphisch und numerisch dargestellt (Abb. 7) und können auch exportiert und gesondert ausgewertet werden (Abb. 8). Dabei werden die absoluten Emissionen pro Güter- bzw. Sektorengruppe und die Herkunft der Emissionen abgebildet.
Abb. 7: Ergebnisdarstellung des Scope-3-Analyzers mit Gesamtemissionen (Zahl ganz oben) und Aufteilung der Emissionen nach Scope-3-Kategorien, nach Länder der Tier-1-Lieferanten und nach Lieferkettenstufe.
Abb. 8: Einzelauswertung des Scope-3-Analyzers für die Zusammensetzung der Scope-3-Emissionen nach Warengruppen
Natürlich liefert eine solche Bilanz auch nur Schätzungen und keine exakten spezifischen Werte. Aber sie kann einer Hotspotanalyse dienen. Wurde festgestellt, welche Lieferketten besonders relevant sind, kann dort gezielt nachrecherchieren werden und die Datenbasis verbessert werden. Außerdem wird die Bilanz nach einheitlichen Regeln und nachvollziehbaren Daten erstellt und sie lässt sich leicht von Gutachtern, Wirtsch...