Daniel Schmitz-Remberg, Andreas Streubig
3.1 "Schokolade steht auf dem Spiel" oder: wie das Risikomanagement die Klimaanpassung ignoriert
Unternehmen meinen oft, dass das Risikomanagement ja bereits alle Risiken auf dem Schirm hat bzw. umfänglich erfasst. Ja, in der typischen jährlichen Risiko-Abfrage werden meist Fragebögen versandt und die einzelnen Verantwortlichen der Geschäftsbereiche gefragt, welche Risiken es gibt und wie hoch diese sind. (z. B. < 5 Mio. EUR, 5 Mio. EUR – 20 Mio. EUR, oder > 20 Mio. EUR). Dann erhält der Risikomanager oder -managerin zum Teil über 100 Rückläufe mit subjektiv eingeschätzten Risiken. Auf diese Weise werden bekannte Risiken erfasst. Nicht erfasst werden Risiken, die sich erst nach eingehender Betrachtung und Analyse durch fachkundige Experten greifbar machen lassen.
Schauen wir auf ein fiktives Schokoladenbeispiel:
Massiver Kakao-Engpass durch Auswirkungen des Klimawandels
Stellen Sie sich ein multinationales Unternehmen mit Sitz in Europa vor, das Kakao aus Westafrika für seine Premium-Schokoladen bezieht. Nach Jahren konstanten Wachstums und verlässlichen Lieferungen stehen sie plötzlich vor einem massiven Kakao-Engpass. Was war passiert? Anhaltende Dürren, die den Anbau in ihren wichtigsten Bezugsregionen beeinträchtigen. Das europäische Risikomanagement des Unternehmens hatte Strategien für lokale politische Instabilität oder kurzfristige Marktschwankungen entworfen, übersah jedoch die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf seine Lieferkette. Für diesen Engpass, der die gesamte Region betraf, gab es keinen Plan B. Solche Lücken unterstreichen die Dringlichkeit, die Klimaanpassung in traditionelle Risikobewertungen zu integrieren.
Der Kakaomangel bedrohte nicht nur die Gewinnmarge des Unternehmens, sondern schädigte auch seinen Markenruf. Kunden, die ihre Premium-Schokoladen liebgewonnen hatten, fanden leere Regale oder eine schlechtere Produktqualität aufgrund von Beschaffungsschwierigkeiten vor. Die Auswirkungen erfassten dann auch die Einzelhändler, Mitarbeiter und Investoren.
Was ist also die Lehre? Die Auseinandersetzung mit der Klimaanpassung geht nicht nur darum, Katastrophen zu vermeiden; es geht darum sicherzustellen, dass das komplexe Netzwerk des globalen Geschäfts – von Kakaobauern in Westafrika bis zu Schokoladenliebhabern in Berlin – robust und widerstandsfähig bleibt. In einer Welt, die zunehmend durch Klimaunsicherheiten geprägt ist, werden Unternehmen, die diese Anpassungen proaktiv in ihre Risikomanagementprozesse einbeziehen, nicht nur ihre Geschäftsprozesse schützen, sondern auch einen Wettbewerbsvorteil erlangen.
Am Ende steht mehr als nur Schokolade auf dem Spiel; es geht um die zukünftige Resilienz des globalen Geschäfts in einer sich ständig wandelnden Klima-Landschaft. "The era of global warming has ended; the era of global boiling has arrived", so sagte UN-Generalsekretär António Guterres. Lassen Sie Ihre Schokolade nicht schmelzen!
3.2 10 Gründe und Hindernisse warum Klimawandelanpassung zu wenig Beachtung im Risikomanagement von Unternehmen findet
Dieses oder auch andere Beispiele, die Sie vielleicht aus Ihrem Unternehmen kennen, sprechen dafür, die Integration der Klimawandelauswirkungen in das betriebliche Risikomanagement voranzutreiben. Es scheint aber Gründe zu geben, warum sich dies oft noch schwierig gestaltet. Woran liegt das? Diese zehn (und noch einige andere) Hindernisse sind je nach Unternehmen unterschiedlich ausgeprägt.
3.2.1 Kurzfristige Ausrichtung
Traditionelles betriebliches Risikomanagement konzentriert sich auf unmittelbare Bedrohungen, kann jedoch langfristige Herausforderungen wie den Klimawandel übersehen oder unzureichend priorisieren, insbesondere wenn sie sich schrittweise oder außerhalb typischer Berichtszyklen manifestieren. Die Richtlinie IAS 37 bezeichnet dies als "Eventualschuld" für die keine Rückstellungen zu bilden sind.
Wo dahingegen Rückstellungen gebildet werden, ist die Wahrscheinlichkeit und Stringenz von Präventivmaßnahmen/Risikomanagement deutlich höher. Eine passende Kennzahl, die das in den Blick nimmt, wäre etwa ROCE ("Return on Capital Employed")
Es gibt jedoch mehrere Standards, die eine langfristige Perspektive fordern (z. B. SASB, ISSB, CSRD, TCFD, GRI).
3.2.2 Mangel an Bewusstsein und Bildung
Nicht alle Unternehmensführer und Entscheidungsträger sind ausreichend über die spezifischen Risiken informiert, die der Klimawandel für ihre Betriebe, Lieferketten oder Marktnachfrage darstellt. Dies kann zu einer Unterschätzung oder völligen Ignoranz solcher Risiken führen ("Das wird schon nicht so schlimm").
3.2.3 Wahrgenommene Komplexität
Die Klimawissenschaft ist komplex, und die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels auf bestimmte Branchen, geografische Standorte oder ganze Wertschöpfungsketten können schwer mit Präzision vorhergesagt werden. Diese wahrgenommene Komplexität kann Unternehmen davon abhalten, fundierte wissenschaftliche Prognosen in die Risikobewertungen zu integrieren. Getreu dem Motto, nichts ist so unsicher wie Vorhersagen, insbesondere über die Zukunft, werden traditionell historische Daten extrapoliert. So können exponentielle...