Klimawandelanpassung entlang der Wertschöpfungskette – ein organisatorischer Ansatz


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Klimawandelanpassung - ein organisatorischer Ansatz

Mit dem „Corporate Climate Adaptation Framework“ können Risikomanager und Nachhaltigkeitsverantwortliche Maßnahmen zur Klimawandelanpassung auf strukturierte Art und Weise entwickeln. Das Modell setzt die zeitlichen Phasen der Anpassung und verschiedene Stationen entlang der Wertschöpfungskette in Beziehung.

Wie Unternehmen Treibhausgase reduzieren können, ist zum Beispiel durch das Rahmenwerk der SBTi klar geregelt. Auch wenn „Net Zero“ schwierig genug zu erreichen ist, haben die meisten Akteure die Aktionsfelder entlang Scope 1-3 verstanden. Das ist bei der Klimawandelanpassung noch nicht der Fall. Wo genau anfangen? Und was sind brauchbare Maßnahmen?

Nachdem wir im ersten Artikel bereits eine Unterscheidung bzgl. der Klimarisiken getroffen haben („Climate Realism“), blicken wir nun auf ein Modell, mit dem Unternehmen ins Handeln kommen können: Das Corporate Adaptation Framework von DSR & Partners setzt die vier Phasen der Klimawandelanpassung in den Unternehmenskontext. Aus einer vereinfachten Wertschöpfungskettenbetrachtung ergibt sich eine 4x4 Matrix, mit der sich Maßnahmen zur Klimawandelanpassung strukturieren lassen.

4x4 Matrix der Klimawandelanpassung

Wir können die folgenden vier Stadien der Klimawandelanpassung differenzieren, die eine gute zeitliche Abgrenzung leisten:

  1. Analyse: Nutzung von Klimadaten und -prognosen zur Identifikation potenzieller Risiken. Einschätzung des individuellen Risikos.
  2. Vorbereitung: Entwicklung und Implementierung von Plänen und Maßnahmen zur Minimierung identifizierter Risiken.
  3. Direkter Schutz: Schnelle und effektive Reaktion auf eingetretene Klimarisiken, um Schäden zu begrenzen.
  4. Wiederherstellung: Maßnahmen zur Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit und Anpassung der Strategien zur besseren Vorbereitung auf zukünftige Ereignisse.

Ein konkretes Beispiel: Nach einer detaillierten Risikoanalyse (A.) von Jupiter Intelligence implementierte ein großer Lebensmittelhersteller in den USA neue Hochwasserschutzmaßnahmen (B.) an seinen Produktionsstätten, was bei den Überschwemmungen 2022 zu erheblichen Kosteneinsparungen führte (C.). Das entspreche Gebäude-Design ermöglichte eine schnellere Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeiten (D.).

Entlang der Wertschöpfungskette haben diese Stadien nun unterschiedliche Ausprägung. Darum definiere ich für die zweite Achse der Matrix

  • A. Lieferkette / Rohstoffe: Wie sind Lieferanten und Rohstoffe betroffen, zu welcher Zeit? Wie flexibel kann ich diesen Input planen?
  • B. Anlagen / Infrastruktur: Wie ausgesetzt und letztlich sicher sind meine eigenen Standorte? Welche Auswirkung hätte ein Ausfall? Wie schnell kann ich wieder produzieren, im Fall der Fälle?
  • C. Produkte / Services: Wie nachgefragt sind meine Produkte in Zeiten des Klimawandels?
  • D. Mitarbeitende / Stakeholder: Wie wirkt sich das Klima auf die Menschen meines Unternehmens aus?

Schmitz-Remberg-Matrix

(Klicken Sie bitte hier, um das Bild in einer größeren Ansicht zu öffnen.)

Innerhalb eines Aktionsfeldes in der 4x4 Matrix lassen sich die Maßnahmen noch weiter differenzieren:

  • Zeitliche Dimension (kurz, mittel, langfristig)
  • Art der Maßnahme (Technisch, Strategie, Nature-based, Software …)
  • Industriespezifisch
  • Geografisch

Nicht nur technische Lösungen sind gefragt

Die Anpassung an den Klimawandel erfordert mehr als nur technische Lösungen und Maßnahmen. Es bedarf eines umfassenden organisatorischen Ansatzes, der verschiedene Ebenen eines Unternehmens einbezieht:

Unternehmenskultur:
Während die Prioritäten vieler Unternehmen derzeit stark auf dem Nachhaltigkeits-Reporting liegen, ist es entscheidend, auch die Anpassung an den Klimawandel als zentrale Aufgabe zu verstehen. Eine Kultur des proaktiven Risikomanagements und der kontinuierlichen Verbesserung muss etabliert werden.

Ein Praxisbeispiel: Ein multinationaler Einzelhändler führte interne Schulungen und Workshops durch, um das Bewusstsein für klimatische Risiken zu schärfen und eine unternehmensweite Kultur der Resilienz zu fördern. Dadurch konnten bestimmte Produkte zu bestimmten Zeiten im Angebot durch weniger risikobehaftete ersetzt werden.

Finance:
Die finanzielle Dimension der Klimarisiken muss in die Investitionsplanung integriert werden. Dies umfasst die Bewertung der potenziellen Kosten klimatischer Risiken und die Entwicklung finanzieller Strategien zur Risikominderung. Verschiedene Versicherungen prognostizieren, dass die Kosten für Klimaanpassungen und -schäden bis 2050 weltweit auf bis zu 23 Billionen USD pro Jahr ansteigen könnten. Gleichzeitig hat der International Monetary Fund (IMF) berechnet, dass sich viele Anpassungsmaßnahmen mit einem Faktor von 10:1 lohnen. Einige noch weit darüber hinaus.

Ein Beispiel aus der Praxis: Ein globaler Industriekonzern hat seine Finanzabteilung umstrukturiert und ein spezielles Team für klimatische Risikobewertung und Investitionsplanung eingerichtet. Dieses Team arbeitet eng mit anderen Abteilungen zusammen, um sicherzustellen, dass alle Investitionen klimatisch resilient sind. Dazu ist sowohl Fachwissen als auch systemisches Verständnis der Wertschöpfungskette nötig.

Steuerung und Fähigkeiten:
Zuständigkeiten für Klimawandelanpassung sind oft über verschiedene Abteilungen verstreut. Eine klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten und die Ausbildung von Fachkräften sind notwendig, um eine koordinierte und effektive Anpassung zu gewährleisten.

Ein Beispiel: Ein führendes Logistikunternehmen implementierte ein zentrales Steuerungssystem, das alle klimarelevanten Entscheidungen koordiniert. Dieses System half dem Unternehmen, seine Lieferketten besser zu schützen und die Betriebsunterbrechungen durch extreme Wetterbedingungen zu minimieren.

Kenntnisse und Umsetzung:
Unternehmen benötigen nicht nur das Wissen über klimatische Risiken, sondern auch die Fähigkeiten, diese Erkenntnisse in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Dies erfordert Schulungen, den Austausch von Best Practices und die Entwicklung von Szenarien, um auf verschiedene Klimarisiken vorbereitet zu sein.

Ein Beispiel: Ein Bauunternehmen in Kalifornien entwickelte Schulungsprogramme für seine Mitarbeiter, um sie auf die Herausforderungen der steigenden Temperaturen und häufigeren Waldbrände vorzubereiten. Diese Schulungen halfen dem Unternehmen, Bauprojekte sicherer und effizienter zu gestalten.

Fazit

Die Anpassung an den Klimawandel stellt Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen, bietet aber auch Chancen für Innovation und Widerstandsfähigkeit. Die jüngsten Überflutungen in Deutschland unterstreichen die Dringlichkeit, sich auf eine zunehmend unvorhersehbare Zukunft vorzubereiten. Unternehmen müssen über das Nachhaltigkeits-Reporting hinausgehen und umfassende Strategien zur Klimawandelanpassung entwickeln, die auf soliden Daten basieren und alle Bereiche der Organisation einbeziehen. Nur so können sie ihre Wertschöpfungsketten sichern und langfristig erfolgreich bleiben.

Unternehmen sind komplexe Systeme, bei denen viele Aspekte ineinandergreifen müssen, damit Wandel funktioniert. Das gilt auch bei der Klimawandelanpassung. Deshalb veranstalten wir am 6. November die erste Unternehmenskonferenz zum Thema: THE SHIFT. Leserinnen und Leser von Haufe Sustainability erhalten mit dem Code "HAUFE_THESHIFT24" 10 Prozent Rabatt auf den Ticketpreis. Diskutieren Sie mit.


Schlagworte zum Thema:  Klimawandel, Risikomanagement