Dr. Christian Ante, Dipl.-Verww. (FH) Markus Bührer
Auch die als vorbildlich geltende Süddeutsche Ratsverfassung in Baden-Württemberg sowie die Finanzverfassung der Kommunen unterliegen unterschiedlichen Reformdiskussionen. Diese Diskussionen werden überwiegend mit den Zielen einer nachhaltigen und intergenerativ gerechten Politik geführt.
Im Schlussbericht der Enquete-Kommission Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten aus dem Jahre 2002 – wird das Konzept der Nachhaltigkeit als Nutzung eines regenerierbaren Systems in einer Weise, dass dieses System in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibt und sein Bestand auf natürliche Weise regeneriert werden kann, beschrieben. Die Grundidee der Nachhaltigkeit wurde im Bereich der Forstwirtschaft bereits im 16. Jahrhundert entwickelt und bedeutet dort, dass nicht mehr Holz gefällt werden darf als jeweils nachwachsen kann. Erst in den 1970er Jahren wird es im Zusammenhang mit dem Streben nach dem "Zustand des globalen Gleichgewichts" mit Wirtschaftspolitik in Verbindung gebracht. Weiter verwenden Kirchen das Prinzip bei der Definition eines sozialethischen Leitbilds. Seit den 1980er Jahren beeinflusst das Prinzip der Nachhaltigkeit maßgeblich die Umwelt- und Entwicklungspolitik auf allen Ebenen.
Auf kommunaler Ebene wird das Prinzip ergänzt um den Ansatz der Generationengerechtigkeit oder der intergenerativen Gerechtigkeit. Danach muss das System nicht nur auf Dauer erhalten bleiben, sondern die nächsten Generationen müssen in Bezug auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, auf den Zustand der Umwelt und auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen der handelnden Generation gleichgestellt sein.
3.1 Neues kommunales Haushalts- und Rechnungswesen (NKHR)
Bezogen auf die staatliche Finanzpolitik bedeutet Nachhaltigkeit, dass der Staat in der Lage sein muss, seine Aufgaben stetig, d. h. auf Dauer, zu erfüllen. Intergenerativ gerecht erfüllt er diese, wenn er den vollständigen Ressourcenverbrauch einer Periode erwirtschaftet, diesen also durch Ressourcenaufkommen ausgleicht.
Die politischen Entscheidungsträger benötigen Informationen darüber, ob die interperiodische Gerechtigkeit zunächst geplant und später – beim Periodenabschluss – auch erzielt wird. Hierzu ist ein Ergebnishaushalt erforderlich, in dem auf Planungsebene der gesamte Aufwand einer Periode (Ressourcenverbrauch) durch Ressourcenaufkommen (Ertrag) erwirtschaftet wird. Dass die Vorgaben des ausgeglichenen Haushalts im Vollzug auch eingehalten wurden, wird ex post mit der Ergebnisrechnung dargelegt (politische Kenntnisnahme). Da die jahrhundertelang von den Kommunen sowie von Land und Bund weiterhin eingesetzte Kameralistik nicht den Ressourcenverbrauch, sondern den Geldverbrauch darstellt, ist ein Wechsel zur Doppik für alle staatlichen Ebenen angezeigt.
Vollständig umgesetzt ist dieser bisher nur auf kommunaler Ebene; in Baden-Württemberg wird das neue kommunale Haushaltsrecht (NKHR) seit 2020 in allen Gemeinden angewendet. Der Einsatz der kommunalen Doppik ermöglicht auch die Darstellung der Folgekosten von einzelnen Projekten und damit der tatsächlichen finanziellen Auswirkungen für die nächsten Generationen. Damit basieren Entscheidungen der Gemeinderäte auf einer besseren Grundlage als bisher. Das Informationsproblem der gewählten Repräsentanten und Bürger verringert sich.
Abzuwarten bleibt, ob diese Grundlagen freiwillig Berücksichtigung bei der Entscheidung finden werden, denn allein durch ein neues Haushaltsrecht werden nachhaltigere kommunalpolitische Beschlüsse nicht gefasst. Die Frage wird sein, welche Schlüsse der Gemeinderat oder die Bürgerschaft aus den neu gewonnenen Informationen zieht. Sicherlich werden der Haushaltsausgleich schwieriger darstellbar und die Leistungsfähigkeit einer Kommune in einem neuen Licht erscheinen. Ob die Erkenntnisse des NKHR bei künftigen (Investitions-)Entscheidungen berücksichtigt werden, ist in Baden-Württemberg stark von der persönlichen Einschätzung und Darstellung des Bürgermeisters abhängig. Dieser ist nicht nur Verwaltungschef, sondern auch Politiker. Das Motivationsproblem muss hier gelöst werden.
Neu gesetzte Messlatte
Vielmehr als das NKHR selbst wird darum entscheidend sein, welche haushaltspolitische Messlatte durch das Land nun gelegt wird. Bisher war dies in der Kameralistik die Mindestzuführung vom Verwaltungs- zum Vermögenshaushalt. Sofern diese erreicht wurde, war der Geldverbrauch einer Gemeinde ausgeglichen. Nicht betrachtet wurde der Ressourcenverbrauch bzw. ob das Gemeindevermögen zu- oder abnimmt. Auch die Vollvermögensrechnung der Kommunen im badischen Landesteil konnte dies nicht bewerkstelligen, da zum Teil auch dort nicht das ganze kommunale Vermögen erfasst oder aber nicht nach einheitlichen Vorgaben bewertet war.
Wenn nun der Erhalt des kommunalen Vermögens die Messlatte sein wird, liegt diese deutlich höher und die Geme...