Nachhaltige Transformation gegen Krisen
Die vor uns liegende Transformation sei in ihrer Tragweite vergleichbar mit der industriellen Revolution, die in Deutschland an Rhein und Ruhr begann. Das sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Eröffnungsrede zum 15. Deutschen Nachhaltigkeitspreis in Düsseldorf. Damit setzte er den Ton für den Abend, warb aber auch dafür, Nachhaltigkeit anders zu erzählen: „Es geht nicht um Verzicht, sondern um ein smarter und besser. Es ist möglich, Wachstum und Klimaschutz in Einklang zu bringen.“
Zu den politischen Bühnengästen zählten neben dem Bundeskanzler die Bundestagspräsidentin und diesjährige Schirmfrau Bärbel Bas, Bundesratspräsident Dr. Peter Tschentscher sowie Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze. Stefan Schulze-Hausmann, der Initiator der Auszeichnung, sagte dazu: „Dass die Spitzen des Staates bei uns die Akteure der Transformation gewürdigt haben, zeigt, dass Nachhaltigkeit weiter oben auf der politischen Agenda steht.“
Unternehmen für ihre Beiträge zum Wandel ausgezeichnet
Im Transformationsfeld Biodiversität gewann die Allos Hof-Manufaktur, ein B-Corp zertifizierter Hersteller von vegetarischen und veganen Bio-Lebensmitteln. Geschäftsführer Eike Mehlhop nutzte seine Dankesrede, um darauf hinzuweisen, dass er sich von der aktuellen Bundesregierung noch viel erwarte. Zum Beispiel sei nicht nachvollziehbar, wieso Kuhmilch noch immer günstiger besteuert werde als Hafermilch.
Die gemeinnützige GmbH Dialoghaus Hamburg lässt Besucherinnen und Besucher in Ausstellungen erleben, wie Menschen mit Behinderungen ihre Umgebung wahrnehmen. Sie erhielt den Preis im Feld Gesellschaft.
Im Transformationsfeld Klima wurden zwei Unternehmen ausgezeichnet:
Die Druckerei Lokay wurde bereits 2007 die erste klimaneutrale Druckerei Deutschlands. Das Unternehmen ist auf umweltfreundliche Print-Produkte spezialisiert und hat sich laut Gründer Ralf Lokay schon seit einigen Jahren auf den Preis beworben.
Der Stahl- und Metallhändler Klöckner & Co. arbeitet an einem System für dekarbonisierten Stahl, das für Transparenz und Vergleichbarkeit in der Branche sorgen soll. Als Reaktion auf den Kommentar des Moderators, beim Stichwort Stahlindustrie gehe „ein Raunen durch den Raum“, wies Geschäftsführer Guido Kerkhoff auf die mangelnden Alternativen zu Stahl als Werkstoff und die Vorteile des Materials hin.
Auch im Bereich Ressourcen gab es zwei Preise:
Der Naturkosmetikhersteller Laverana erhielt die Auszeichnung für seine Nachhaltigkeitsstrategie, die darauf abzielt, Emissionsquellen innerhalb des Unternehmens sowie entlang der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette zu identifizieren und den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Die Nickelhütte Aue beschäftigt sich mit der Rückgewinnung von verschiedenen Nichteisen-Metallen aus Abfall. Laut Jury schont das Ressourcen und vermeidet jährlich Millionen Tonnen CO2 im Vergleich zum Abbau.
Das Transformationsfeld Lieferkette konnte der Schuhhersteller Wildling für sich entscheiden. Das Unternehmen arbeitet darauf hin, regenerativ zu wirtschaften, und setzt auf reparierbare Produkte, ökologische Naturmaterialien, die Einhaltung fairer Sozial- und Umweltstandards sowie Emissionsreduktion. Gründerin Anna Yona sagte, als sie den Preis entgegennahm: "wir brauchen Diversity – auch in der ersten Reihe der Veranstaltung". Damit wies sie auf die teilweise nicht sehr divers besetzten Panels am Abend und bei der begleitenden Konferenz hin. In ihrem lesenswerten Kommentar formulierte sie im Nachgang scharf: "WTF, DNP? Das ganze Event schien aus der Zeit gefallen."
Der Sonderpreis Verpackung, der zusammen mit dem Sponsor Rewe vergeben wurde, ging an Saier Verpackungstechnik. Das Unternehmen hat einen Verpackungseimer mit abziehbarer Innenfolie entwickelt. Das soll die Recyclingfähigkeit bzw. die Qualität des Recyclats verbessern.
Methodik: Reaktion auf Kritik
Schon seit Jahren gibt es Kritik an den Vergabekriterien der Auszeichnungen. Am häufigsten heißt es, durch das Prinzip der Jurybewertung sei keine ausreichende Transparenz gegeben. Seit 2022 ist die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Assessment-Partner, gleichzeitig aber auch Sponsorin der Veranstaltung. Neben PwC prüft auch das Centre for Sustainability Management (CSM) der Leuphana Universität Lüneburg die Einreichungen.
Die Jury wählt aus der Vorauswahl, die im Assessment getroffen wurde, die Siegerunternehmen aus. „Prozess und Methodik zielen auf Transparenz ab, halten den Bearbeitungsaufwand überschaubar und bilden Nachhaltigkeitsleistungen in großen und kleinen Unternehmen ab“, betont die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V. Sie verleiht die Auszeichnung in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung, kommunalen Spitzenverbänden, Wirtschaftsvereinigungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Forschungseinrichtungen.
Nachhaltigkeitspreis Globale Unternehmenspartnerschaften
In Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wurde der Sonderpreis Globale Unternehmenspartnerschaften vergeben. Bundesministerin Svenja Schulze überreichte den Preis an Lorena Gerstner von Verdonna. Zusammen mit seinem peruanischen Partner Interlinks Consulting Group versucht das Textilunternehmen, die Rechte der Frauen in Peru durch faire Arbeit zu stärken und gegen den verbreiteten „Machismo“ vorzugehen.
Next Economy Award und Sonderpreis Local Heroes
Der gemeinsam mit Evonik vergebene Next Economy Award wurde bereits am Nachmittag an drei Start-ups verliehen:
Installion vermittelt über eine digitale Plattform deutschlandweit Montage-Aufträge in den Bereichen Photovoltaik, Batteriespeicher und Ladeboxen. So wirkt das Unternehmen Engpässen in der Branche entgegen. Das Unternehmen Protein Distillery hat ein Verfahren entwickelt, das mit natürlicher Bierhefe dafür sorgt, dass vegane Produkte ohne künstliche Zusatzstoffe auskommen. Traceless Materials stellt biozirkuläre, vollständig kompostierbare Kunststoffalternativen her.
Mit dem Sonderpreis Local Heroes wurde Quartiermeister, die erste Gemeinwohl-bilanzierende Brauerei Deutschlands, ausgezeichnet. Das Unternehmen unterstützt laut Gründer Peter Eckert mit 10 Prozent seiner Roherlöse kleinere lokale Projekte, „die direkt in der Nachbarschaft wirken“.
Deutscher Nachhaltigkeitspreis Architektur 2022
Bereits am Nachmittag wurde der Deutsche Nachhaltigkeitspreis Architektur an das Berliner Hotel Wilmina verliehen. In diesem Bauprojekt der Grüntuch Ernst Architekten wurde ein ehemaliges Frauengefängnis saniert und umgenutzt. Laut Jurybegründung ist das Projekt ein „gelungenes Beispiel für die Nachverdichtung im Gebäudebestand mit minimalem C02-Fußabdruck und bei gleichzeitiger Entsiegelung und Renaturierung von Flächen.“
Amandus Samsøe Sattler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen DGNB, nutzte die Gelegenheit, um dafür zu werben, dass Architekten „anders produktiv werden“. Das Bauen im Bestand spiele dabei eine große Rolle.
Ehrenpreise für soziales und ökologisches Engagement
Fürst Albert II. von Monaco wurde für seine „Prince Albert II of Monaco Foundation“, die Musiker Michael Patrick Kelly und Zaz für soziale Projekte gewürdigt. Beide sorgten neben der OPUS-Preisträgerin Tianwa Yang und Andrew Roachford, Sänger von „Mike & the Mechanics“, für das musikalische Entertainment des Abends.
Die ausgezeichneten Musiker verliehen dem Event durch ihre Auftritte Schwung. Hoffentlich wurden sie nicht hauptsächlich aus diesem Grund prämiert. Insgesamt bot die Preisverleihung viel Show und wenig Inhalt. Die Ansätze der ausgezeichneten Unternehmen kamen lediglich in kurzen Einspielern vor. Und auch nach dem offiziellen Teil gab es viel gegenseitiges Schulterklopfen und wenige ernsthafte Gespräche zu Möglichkeiten ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit.
Ehrenpreise erhielten schon am Donnerstagabend bei der Preisverleihung des Nachhaltigkeitspreises Design: das Model Toni Garrn für ihre Stiftung, die sich für Gleichberechtigung und Bildung von jungen Frauen in Afrika einsetzt, und Prof. Dr. Michael Braungart für die Begründung des Designprinzips „Cradle-to-Cradle“.
Braungart, der auch den Preis in der Kategorie Ressourcen überreichte, wurde vom Moderator zu seinen Sympathien für den Klimaprotest befragt. Seine Antwort: „Sie sind mir eigentlich nicht radikal genug, denn auch das 1,5°-Ziel wird uns nicht retten, sondern sorgt nur dafür, dass wir noch zwei Generationen mehr haben.“
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