Interview mit Grabmeier und Vorwald, Teil 2

Was macht Unternehmen zu echten Pionieren der nachhaltigen Transformation? In Teil 2 unseres Interviews sprechen Stephan Grabmeier und Anne Kathrin Vorwald über ihr neues Buch und Erfolgsgeschichten des regenerativen Wirtschaftens.

Wenn Sie Teil 1 noch nicht gelesen haben, geht's erstmal hier weiter!

Warum erfordert echte Transformation einen radikalen Paradigmenwechsel und ein fundamentales Überdenken bestehender Prozesse und Strukturen?

Stephan Grabmeier: Viele unserer Herausforderungen folgen fundamentalen Umbrüchen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Diese können wir zum Glück gestalten, ganz besonders die des regenerativen Wirtschaftens. Auch deshalb greifen wir auch die Theorien und Werkzeuge von Clare W. Graves und dem Modell Spiral Dynamics zurück, weil Graves tiefes Know-how der Werteebenen von Menschen eine wichtige Unterstützung im Erkennen von Veränderungsbereitschaft ist. Wir haben mit dem Impact Profiler eine eigene Analyse entwickelt, die Organisationen hilft, ihre Werteeinstellungen besser zu verstehen und diese Erkenntnisse in die Transformationsarbeit einfließen zu lassen.

Erfolgsmuster für regeneratives Wirtschaften

Können Sie beschreiben, wie Sie in Ihren Transformationsprojekten gearbeitet haben?

Stephan Grabmeier: Mit dem Impact Business Design haben wir ein Vorgehensmodell und ein Transformationsframework entwickelt, das als neuer Standard für enkelfähige Organisationen gilt. Dies ist in drei Phasen und 13 Schritte aufgeteilt und hilft, ein Veränderungsvorhaben systemisch sauber zu begleiten, Stakeholder einzubeziehen und Maßnahmen für eine enkelfähige Zukunft abzuleiten. Wir setzen dieses Modell nicht nur in unseren Projekten ein, sondern bilden dazu auch aus. Wie vorher erwähnt, ist es wichtig, die Skills der Menschen, die Transformationen treiben, weiterzuentwickeln. Das Know-how ist zu oft leider nicht ausreichend vorhanden. Dadurch scheitern Projekte und es entsteht oft ein größerer Schaden und eine größere Desillusion als vorher.

Wie erklären Sie sich, dass positive Bilder der Zukunft heute oft fehlen?

Anne-Kathrin Vorwald: Das hat mitunter etwas mit unserer Kommunikations- und Informationsinfrastruktur zu tun. Wenn wir uns nur mal die Nachrichtenformate ansehen, stellen wir fest, dass oft mehr negative als positive Nachrichten berichtet werden. Nur wenige Medien wagen aktuell überhaupt den Schritt, positiven Content für Zukunftslösungen aufzuzeigen, aber es werden erfreulicherweise immerhin mehr. Glücklicherweise sind wir als freie Autor:innen unabhängig von strengen Codices bezüglich der Themen, über die wir schreiben. Umso mehr freuen wir uns auch, dass Haufe diesen Schritt mit uns geht und uns in diesem Prozess so toll unterstützt. Das ganze Team ist sehr motiviert, was Nachhaltigkeitsthemen angeht!

Aus allen Erfolgsfaktoren haben Sie sieben Re:thinking Sustainability Prinzipien abgeleitet. Können Sie diese näher erläutern?

Stephan Grabmeier: Die sieben Prinzipien sind die komprimierte Zusammenfassung der Erfolgsmuster aus den zwölf Unternehmensgeschichten, die wir im Buch näher erläutert haben. Sie folgen logisch aus ähnlichen Entwicklungen der Unternehmer:innen, die sich schon lange mit regenerativem Wirtschaften beschäftigen. Dabei geht es zum Beispiel um eine gewisse Risikoaffinität. Weitere Muster befinden sich im Teil III unseres Buches und man versteht sie besser, wenn man sich vorher in das Modell des Impact Business Design in Teil I und die Geschichten selbst in Teil II eingelesen hat.  

Nach welchen Kriterien haben Sie die Menschen für Ihr Buch „Re:thinking Sustainability" ausgewählt?

Anne-Kathrin Vorwald: Geschichten des Gelingens sind für uns Geschichten, die eine radikale Transformation ausmachen. Es sind Geschichten, in denen Widerstände drohten, die Veränderungen zum Scheitern zu bringen, und die trotzdem am Ende glückten. Es sind Geschichten, in denen ein Wissensaufbau stattfand und Menschen sich zusammen entwickelt haben. Wir haben unsere Impulsgebenden nach verschiedenen Kriterien ausgewählt. Wir wollten eine gewisse Diversität abbilden, sowohl, was das Alter der Unternehmen angeht als auch verschiedene Branchen. 

Wegbereiter, Vorbilder, Kopföffner

Was zeichnet die vorgestellten Pioniere der regenerativen Wirtschaft aus?

Anne-Kathrin Vorwald: Unsere Pioniere zeichnet aus, dass sie Wegbereiter für neue Entwicklungen im Bereich des regenerativen Wirtschaftens sind. Sie sind für uns Vorbilder, denen wir gerne nachfolgen. Bei allen Kopföffnern schwebt die Frage im Kopf: „Wie möchte ich die Welt unseren nachfolgenden Generationen hinterlassen und wie setze ich mein Handeln dafür wirksam ein?“ Interessant ist, dass diese Frage bei jedem Impulsgebenden anders ausgelöst wurde. Jede Geschichte beginnt mit dem auslösenden Moment, der der individuellen Handlungsveränderung zu Grunde lag.

Können Sie einige Beispiele aus Ihrem Buch nennen, wie die Kreislauffähigkeit in das Geschäftsmodell integriert wurde?

Anne-Kathrin Vorwald: Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Unternehmen, die von Anfang an die Ressourcenwiederherstellung im Blick hatten, andere sind erst im Laufe ihrer Unternehmensgeschichte dazu gekommen. Manche Unternehmen haben klassische Nachhaltigkeitsabteilungen gegründet, in anderen Unternehmen existieren gar keine Nachhaltigkeitsabteilungen, weil man jedem Einzelnen im Unternehmen diese Verantwortung aufgetragen hat. So unterschiedlich wie die Branchen und Unternehmensgeschichten sind, so unterschiedlich ist die Art und Weise, wie die Kreislauffähigkeit in das Geschäftsmodell integriert wurde. Das Einzige, was bei allen gleich ist, ist die Bestrebung, mehr dazu zu lernen und schrittweise handlungsfähiger zu werden, was die Umsetzung ihrer Ziele im Hinblick auf Kreislaufwirtschaft angeht. Sind ihre Ziele erreicht, werden sich neue Ziele gesetzt. Alle bestätigen, dass sie immer noch auf dem Weg hin zur Erreichung einer vollständigen Kreislaufwirtschaft sind. Das hat uns sehr beeindruckt!

Für wen haben Sie das Buch also geschrieben?

Stephan Grabmeier: Das Buch ist für alle, die Transformationen treiben und verantworten. Für diejenigen, die entweder mittendrin sind oder noch vor den Herausforderungen stehen, die mit einer Veränderung des Wirtschaftsmodells einhergehen. Diese Treiber gibt es in allen Organisationen, in vielen Rollen und in Funktionen wie auch in Hierarchiestufen. Es geht um Menschen, die Inspiration und Know-how suchen, wie der Wandel in der eigenen Organisation funktionieren kann.

Anne-Kathrin Vorwald: Wir haben das Buch für die geschrieben, die Lust auf Veränderung und den Schutz unseres Planeten haben. Für alle aufgeschlossenen Menschen, die ihrer Verantwortung gerecht werden wollen, und im Rahmen ihres unternehmerischen Handels etwas anstoßen wollen oder sich auch erstmal nur inspirieren lassen wollen. Das können engagierte Nachaltigkeitsmanager:innen sein, aber auch Verantwortliche anderer Abteilungen, die nah am Menschen oder an den Produkten und Dienstleistungen arbeiten. Ob HRler, Organisationsentwickler, interne Consultants oder auch neugierige Mitarbeitende – einfach für alle, die Lust auf Lernen und Weiterentwicklung haben. Toll wäre es natürlich, wenn sich die ein oder andere Führungskraft das Buch schnappen würde, um zu sehen, was alles heutzutage schon machbar ist. Am Ende können alle ihr Business hin zu einer regenerativen Wirtschaft mitentwickeln. Ob über ein Ideenboard, die Gründung eines Green Teams oder, indem sie sich mit ihrer Kollegin in der Unternehmenskantine über Naturschutzthemen unterhalten. Jeder von uns hat einen Impact auf unsere Zukunft!

Und hier geht's zum Buch „Re:thinking Sustainability"!


Über die Autor:innen:

Stephan Grabmeier ist Future Designer und Transformationsexperte. Seit über 30 Jahren bekleidet Stephan Management-Positionen: bei Konzernen wie der HypoVereinsbank und der Deutschen Telekom AG, bei digitalen Vorreitern wie der Consorsbank und Haufe sowie bei Beratungsfirmen wie Kienbaum Management Consultants und dem Zukunftsinstitut. Heute bündelt er seine Expertise im Impact Design Collective und berät Unternehmen in ihrer nachhaltigen Transformation. Als B-Leader ist er Teil der B-Corporation-Bewegung in Europa. Stephan engagiert sich als Business Angel für Impact Start-ups und unterstützt die globalen Social-Business-Aktivitäten im Netzwerk des Friedensnobelpreisträgers von Prof. Muhammad Yunus. Er lehrt an der Kühne Logistics University im Sustainability MBA über Impact Transformation und ist Academic Advisor an der ESCP Business School. Die Ausbildung zum Impact Designer ist unter anderem auch an der Management School St. Gallen verankert, an der er ebenso zu Future Design doziert. Mit dem Impact Business Design hat Stephan Grabmeier zusammen mit Dr. Stephan Petzolt den neuen Standard der Organisationsentwicklung im 21. Jahrhundert gesetzt. Er hat bis heute an über 22 Büchern mitgewirkt. Nach dem »Future Business Kompass« (2020) und dem Playbook »Impact Business Design« (2023) hat er zusammen mit

Anne-Kathrin Vorwald ist Autorin und Beraterin für Nachhaltiges Wirtschaften bei der B.A.U.M. Consult GmbH. Sie ist Themenownerin für die Bereiche Lieferketten, Nachhaltigkeitskommunikation und Schulungen & Trainings. Die B.A.U.M. Consult GmbH ist eine führende Nachhaltigkeitsberatung in Deutschland und Österreich. Ihr Know-how erstreckt sich über die Themen nachhaltige Unternehmensführung, Energie-, Klima-, Umwelt- und Mobilitätsmanagement. Daneben ist sie auch im europäischen Forschungsumfeld für nachhaltige Energie- und Mobilitätslösungen aktiv. In Ihrer Rolle als SCRUM Master unterstützt Anne-Kathrin Teams, in denen ein agiles Geschick im Umgang mit Kommunikation und Projektmanagement benötigt wird. Ihre Ausbildung als Mental Health First Aider nutzt sie, um im Arbeitsumfeld über mentale Erkrankungen zu informieren und ihre Kollegen und Kolleginnen im Umgang mit Betroffenen zu sensibilisieren.


Schlagworte zum Thema:  Nachhaltigkeit, Unternehmen