Deutscher Nachhaltigkeitspreis Unternehmen 2025

Alle Jahre wieder! Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis kürte vergangene Woche 100 Unternehmen, ehrte Visionär:innen und bot eine Bühne für den Nachhaltigkeitsdiskurs. Ein Event zwischen Transformation und Diskussionen und einer Frage: Wie glaubwürdig ist der bekannteste Nachhaltigkeitsaward?

Preise über Preise, bekannte Gesichter und ein Gala-Dinner. In einem festlichen Ambiente wurden beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis am 28. November in Düsseldorf 100 Unternehmen als „Vorreiter der Transformation in der deutschen Wirtschaft“ gekürt. Am darauffolgenden Abend erhielten weitere Menschen Auszeichnungen für herausragende Leistungen in den Kategorien Internationale Zusammenarbeit, Architektur, Sport, Gesundheit und Produkte. Zudem gab es auch Ehren- und Sonderpreise. Insgesamt nahmen mehr als 1.000 Gäste an den festlichen Preisverleihungen teil.

Wir haben uns vor Ort umgeschaut und die Ereignisse sowie die anschließenden Diskussionen beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis zusammengefasst.

Der Deutsche Nachhaltigkeitstag ist eine wichtige Plattform

An den beiden Tagen in Düsseldorf wurden nicht nur Preise verliehen: Über zwei Tage fand auch der Deutsche Nachhaltigkeitstag statt, ein Kongress mit vielfältigen Themenfeldern und profilierten Expert:innen. Neben vielen kleinen Formaten wie Deep Dives, Special Events und Workshops spielte sich das Geschehen vor allem auf der großen Bühne ab. Und das waren die großen Themenfelder:

  • Agenda 2030 – Auf Kurs bleiben
  • Ressourcenwende durch Kreislaufwirtschaft
  • Klima gegen Wandel
  • Biodiversität als Geschäftsmodell
  • Transformation der Gesellschaft
  • Transformation global
  • Transformation des Gesundheitswesens

Die CO₂-Kompensation ist auch weiterhin ein wichtiges Instrument gegen den Klimawandel, meint der Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens und spricht sich dagegen aus, die Rolle Deutschlands in diesem Kampf kleinzureden: „Es ist irrsinnig zu glauben, dass Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft keinen Einfluss auf Klimapolitik nehmen kann.“ Der TV-Meteorologe Karsten Schwanke hingegen hält es für falsch, die Schuld am Klimawandel immer nur auf Unternehmen zu schieben: „Wir alle haben uns zu lange auf fossile Energieträger verlassen.“

Die Frage nach Verantwortung treibt auch die ehemalige Staatspräsidentin Irlands und ehemalige UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Mary Robinson um. Frühere Generationen hätten entscheidende Entwicklungen schlicht verpasst, weshalb die Menschheit nun in dieser „grausamen Situation“ stecke. Eine Lösung sieht sie in der „co-creation between generations“ und im Konzept der „long-view-leadership“.

Die Hälfte der globalen Wertschöpfung hängt an Biodiversität, betont Dr. Stefanie Eichiner, Vorstandsvorsitzende bei Biodiversity in Good Company. Sie will das breite Wissen über die Zusammenhänge der Biodiversität fördern: „Biodiversität ist mehr als das, worauf es immer verkürzt wird.“ Über nachhaltige Lieferketten sprachen Annette Gevaert, Senior Vice President von EcoVadis, und Philipp Wagnitz, Lidl Stiftung & Co. KG. Während Gevaert der Meinung ist, dass Transformation „mehr als nur Compliance braucht“, erklärte Wagnitz, wie sein Unternehmen „Nachhaltigkeit in der Seele des Discounts verankern“ will.

Die Themen des Deutschen Nachhaltigkeitstags sind breit und aktuell, das Event kann mit spannenden Expert:innen aufwarten und fast alle Veranstaltungen waren außerordentlich stark besucht. Auch wenn das Niveau und der Tiefgang der Beiträge und Diskussionen nicht durchgängig überzeugten, bleibt anzuerkennen: Der Deutsche Nachhaltigkeitstag ist eine große und wichtige Plattform für den Diskurs und die Community im Bereich nachhaltiger Unternehmensführung. Punkt.

Ein Deutscher Nachhaltigkeitspreis für (fast) alle

„You get a car and you get car“, rief Oprah Winfrey einmal in ihrer Talkshow und warf jedem Studiogast einen Autoschlüssel zu. Ähnlich mutete die prunkvolle Preisverleihung des Nachhaltigkeitspreises für Unternehmen an. Schon zum zweiten Mal wurden 100 (!) Unternehmen aus 100 Branchen ausgezeichnet, die „wegweisende Beiträge zur nachhaltigen Transformation“ leisten. Die Preisträger:innen nahmen ihre Preise am laufenden Band entgegen und verließen die Bühne, ohne eine Laudatio zu hören oder eine eigene Rede zu halten.

Ist das Massenabfertigung? Vielleicht. War nachvollziehbar, weshalb jemand ausgezeichnet wird? Nein. Wurde trotzdem kräftig gefeiert? Ohja.

Außerdem erhielten branchenübergreifend vier Unternehmen eine Auszeichnung für Leistungen in den Feldern Ressourcen, Gesellschaft/Wertschöpfungskette, Natur und Klima. Die ehemalige UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Mary Robinson, das innovative Projekt Labor Tempelhof, die Sängerin Dani Klein und der Sänger Nico Santos wurden mit Ehren- und Sonderpreisen geehrt. Die Ermittlung der 100 Gewinner im Bereich Unternehmen erfolgte laut DNP in einem „komplexen, mehrstufigen Prozess“.

Zusammen mit dem Center for Sustainability Management der Leuphana Universität und der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PWC als Assessmentpartnern sowie dem auf Nachhaltigkeitsstatistik spezialisierten Unternehmen score4more wurden Nachhaltigkeitsprofile von etwa 3.000 Unternehmen ermittelt und validiert. Aus einer daraus entstandenen Shortlist wählten 224 Expert:innen der Fachjurys die Finalisten und Sieger in den 100 Branchen aus.

Ein Elefant im Maritim Hotel

Am Mittag des ersten Tages brach ein kleines Gewitter über die Veranstaltung herein. Der Spiegel und Flip veröffentlichten eine Recherche über fragwürdige Geschäftspraktiken, intransparente Organisationsstrukturen und Auswahlkriterien sowie über die Kommerzialisierung des Events. In der Folge bestimmten Flüstern, Getuschel und Diskussionen das Grundrauschen im Maritim Hotel am Düsseldorfer Flughafen.

Einen Nachhaltigkeitspreis hätte auch die Weleda AG entgegennehmen können. Warum das Unternehmen darauf verzichtete, erklärt CEO Tina Müller bei LinkedIn. Die in der Recherche aufgearbeiteten Erkenntnisse veranlassten Nadine-Hélène Santiago, die bei Weleda den Bereich Nachhaltigkeit leitet, kurzerhand aus Düsseldorf abzureisen. Ohne Preis im Gepäck. „Nachhaltigkeit ist nicht käuflich. Auf Awards und teure Siegel, die schön aussehen, der Sache aber nicht helfen, verzichten wir gerne“, stellt Tina Müller klar und betont: „Wir sind fest davon überzeugt, dass es einen Wettbewerb für Nachhaltigkeit braucht – aber dieser muss fair, transparent und nachvollziehbar sein. Solange das nicht erfüllt ist, können wir nicht hinter dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis stehen.“

„Die Kritik ist wichtig. Ihr muss nachgegangen werden. Die Boykott-Reaktionen finde ich inszeniert und moralisch fragwürdig“, meint hingegen Julius Palm, der für followfood bereits zum dritten Mal den Deutschen Nachhaltigkeitspreis angenommen hat, ebenfalls bei LinkedIn. Transparenz hält er für die wichtigste Eigenschaft glaubwürdiger Nachhaltigkeit. Besonders Nachhaltigkeitsinitiativen müssten genau betrachtet werden, um Greenwashing zu vermeiden: „Jedoch laufen wir Gefahr, dass die binäre Einteilung von gut und böse dazu führt, sinnvolle Initiativen kaputt zu kritisieren.“ Gleichzeitig gehöre Nachhaltigkeit auf große Bühnen, mit Partys, Promis und Presse. Das habe der Deutsche Nachhaltigkeitspreis geschafft.

Auch in den Sitzecken des Kongresses und an den Tischen der Abendgala wurden sich die Teilnehmer:innen nicht einig: Während sich einige kritisch über die Veranstaltung äußerten, verwiesen andere darauf „dass das alles ja schon lange bekannt sei“ und wiederum andere widmeten sich mehr dem Entertainment und Networking. Tatsächlich geben sich DNP-Initiator Stefan Schulze-Hausmann und seine Organisation um eine Klarstellung bemüht. Auf der Website des DNP wurde inzwischen ein Statement des Vereins Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V. veröffentlicht.

Quo vadis, Deutscher Nachhaltigkeitspreis?

In Düsseldorf zeigt sich einmal wieder: Der Deutsche Nachhaltigkeitstag ist eine wertvolle und relevante Plattform für den Diskurs über nachhaltiges Unternehmertum – trotz des schwankenden inhaltlichen Niveaus. Zum anderen steht der Deutsche Nachhaltigkeitspreis nicht erst seit der aktuellen Recherche in der Kritik. Schon lange werden dem Event fehlende Transparenz, eine inflationäre Vergabe von Preisen und ein dominanter Fokus auf Entertainment vorgeworfen.

Die Meinungen gehen auseinander. Und ja, Diskussionen fördern den Fortschritt. Die Debatten über die Glaubwürdigkeit des Deutschen Nachhaltigkeitspreises wollen jedoch seit vielen Jahren nicht abreißen. Und mit jedem Gespräch über das Event scheint der Fokus von den Leistungen der ausgezeichneten Unternehmen abzuwandern. Zwar sind die Veranstalter um Erklärungen bemüht, aber das Event wirft mehr Fragen auf als Antworten. Ist das der Beitrag des bekanntesten Nachhaltigkeitsawards Deutschlands?

Die nachhaltige Transformation schreitet voran, doch sie erhält rauen Gegenwind. Wenn das Event diesem Gegenwind in Zukunft etwas entgegensetzen und die Transformation fördern will, sollte es eindeutiger und vertrauenswürdiger auf gemeinsame Ziele einzahlen. Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis braucht eine gründliche Evaluation. Die (Fach-) Öffentlichkeit weiß das schon lange und auch den Veranstaltern sollte es bewusst sein. Und daran führt kein Weg vorbei.