Maximilian Henkel, Achim Wenning
2.1 Nachhaltigkeit als Top-Thema auf der Unternehmensagenda
2.1.1 Mehr als 9 von 10 Finance-Verantwortlichen messen der Thematik einen hohen Stellenwert zu
Angesichts des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stellenwerts sowie der Präsenz des Themas Nachhaltigkeit im beruflichen und privaten Alltag ist es nur konsequent, dass die Agenda der großen Mehrheit aller Unternehmen, von Mittelstand bis Großkonzern, immer stärker durch das Nachhaltigkeitsthema geprägt wird. Themengebiete wie Energieeinsparung und CO2-Vermeidung, Kreislaufwirtschaft und die Stärkung des sozialen Gleichgewichts wurden früher noch oft als reine "Imagepolitur" oder "Green Washing" abgetan. Angesichts medienwirksam inszenierter Initiativen, deren Schrittlänge auf dem Weg zu echt nachhaltigem Wirtschaften jedoch eher überschaubar ausfiel, auch nicht immer völlig zu Unrecht.
Mittlerweile jedoch haben gesellschaftlicher und politisch-regulatorischer Druck beim Thema Nachhaltigkeit enorm zugenommen. Unternehmenslenker haben verstanden, dass die Transformation zu nachhaltigem Wirtschaften für sie zur echten Existenzfrage wird. Diese Entwicklung lässt sich auch an den Umfragewerten unserer CFO-Studie 2022 zum Fokusthema Nachhaltigkeit ablesen. Insgesamt stimmten 93 % der Befragten der Aussage zu, dass Unternehmen, die sich heute nicht intensiv mit der Transformation ihres Geschäfts in Richtung Nachhaltigkeit auseinander setzen, mittelfristig wesentliche Wettbewerbsnachteile haben werden (vgl. Abbildung 1).
Abb. 1: Wettbewerbsnachteile bei ausbleibender Transformation (Anteil an Zustimmung zur Aussage)
2.1.2 Hoher Handlungsdruck durch vielfältige Triebfedern
Zwar geht es beim Thema Nachhaltigkeit auch um die Erfüllung von Pflichtaufgaben externer Berichterstattung, jedoch zudem insbesondere um folgende Fragestellungen:
- Was erwartet der Markt von mir?
- Wie kann ich meinen Kunden die Fortschritte in puncto Nachhaltigkeit transparent und verständlich vermitteln?
- Wie kann ich durch besseren Ressourceneinsatz Risiken in meiner Wertschöpfungskette minimieren?
- Was erwartet die künftige Generation von Arbeitnehmern in der immer angespannteren Konkurrenz um Fachkräfte und Talente von einem Top-Arbeitgeber?
Summa summarum: Welchen Beitrag kann oder muss das eigene Unternehmen zur notwendigen Umstellung auf ein nachhaltigeres Wirtschaftssystem beitragen?
Dass der Transformationsdruck in Richtung mehr Nachhaltigkeit dabei nicht auf einen isolierten Treiber zurückzuführen ist, sondern aus diversen Richtungen angetrieben wird, spiegelt sich auch in den aktuellen Studienergebnissen wider. Nach den wesentlichen Gründen für verstärkte Nachhaltigkeitsbemühungen befragt, hatten die Studienteilnehmenden die Möglichkeit, zwischen den 4 Treibern "Unsere Kunden"; "Externe Berichtspflichten"; "Unsere eigene Organisation" und "Der Kapitalmarkt" zu unterscheiden.
Die Spannbreite der Ergebnisse zwischen dem Höchstwert von 58 % (Kunden) und dem niedrigsten Wert von 43 % (Kapitalmarkt) zeigt, dass es sich nicht um einen eindimensional beeinflussten Trend handelt (vgl. Abbildung 2). Nichtsdestotrotz identifiziert eine Mehrheit der Studienteilnehmenden vorrangig das Verhalten und die Erwartungen der Kundenseite als bedeutendsten Einflussfaktor (58 %).
Das ist für konsequent an Markt und Kundennutzen ausgerichtete Unternehmen keine Überraschung, sondern vielmehr eine folgerichtige und wünschenswerte Sichtweise. Zudem ist es auch ein erster Erklärungsansatz für die bereits angesprochene Einschätzung zur generellen Bedeutung der Thematik (vgl. Abbildung 1), denn schließlich ist zufriedene Kundschaft die wesentliche Bedingung für den Markterfolg eines jeden Unternehmens. Die Forderung nach ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltigerem Wirtschaften und die Bevorzugung von Unternehmen, die hier authentisch und transparent als Vorreiter agieren, sind kein ökonomisch unbedeutendes Phänomen kleinerer Kundengruppen mehr, sondern gesamtgesellschaftliche Erwartung.
Abb. 2: Treiber hinter der Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit
2.1.3 Mehrheit positioniert sich bereits über Mindestmaß gesetzlicher Vorschriften
Das Potenzial nachhaltig ausgerichteter Geschäftsmodelle bzw. andersherum das Risiko einer vernachlässigten Nachhaltigkeitsorientierung hat sich im Bewusstsein der Verantwortlichen verankert. Dies schlägt sich auch in den diesjährigen Umfragewerten hinsichtlich der eigenen Positionierung und des jeweils eigenen Entwicklungsstands in der Nachhaltigkeitstransformation nieder (vgl. Abbildung 3).
Abb. 3: Positionierung und Entwicklungsstand in der Nachhaltigkeitstransformation (Prozentangaben gerundet)
Lediglich 5 % der befragten Unternehmen gaben an, sich nicht oder nur am Rande mit dem Themengebiet Nachhaltigkeit zu befassen (Stufe 1). Weitere 11 % sehen ihren Entwicklungsstand in der Nachhaltigkeitsdebatte auf Stufe 2, also dem Ziel, gesetzlich geforderte Vorschriften zum Thema Nachhaltigkeit einzuhalten. Demgegenüber sehen bereits 84 % der Unternehmen ihre eigene Positionierung und ihren Entwicklungsstand über das Mindestmaß im Rahmen von gesetzlichen Vorschriften hinausgehen. Der größte Anteil (38 %) der befragten Unternehmen sieht sich aktuell in der Stufe 3.
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