Maximilian Henkel, Achim Wenning
Als zweitgrößte Herausforderung, mit 70 % Zustimmung, gaben die Teilnehmenden an, dass aktuell Unklarheit zu Rollen und Verantwortlichkeiten für den Themenkomplex Nachhaltigkeit herrscht.
Der Wunsch nach einer eindeutigen Themenverantwortung ist legitim. Allerdings löst auch die strikte Zuordnung der Verantwortlichkeit zu einem (neu geschaffenen) Nachhaltigkeitsbereich dieses Spannungsfeld nur bedingt auf, da Interdisziplinarität und allgemeine Tragweite des Themas unverändert fortbestehen (vgl. Abschnitt 2). Es wird zwangsläufig dazu kommen, dass Meinungen und Kompetenzen diverser Fachbereiche angehört, eingebracht und miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Betrachtet man die Nachhaltigkeitstransformation als lange laufendes, interdisziplinäres Programm, braucht es einen verantwortlichen Programmleiter bzw. eine -leiterin, der oder die die crossfunktionale Zusammenarbeit sicherstellt. Dies muss aber nicht zwingend mit Änderungen an der Aufbauorganisation im Unternehmen einhergehen.
Mit den genannten Unklarheiten bei Rollen und Verantwortlichkeiten korrespondiert auch die gemäß Studienergebnissen größte Herausforderung: 85 % der befragten Finance-Verantwortlichen sehen unzureichend etablierte Prozesse und Berichtslinien für den neuen Themenbereich als die aktuell wesentlichste Hürde an. Um nur einige Aspekte zu nennen, die hiervon tangiert sind:
- Wie und durch wen erfolgt die Datenerhebung zu Nachhaltigkeitsaspekten?
- In welcher Form werden die Informationen in das Berichtswesen integriert?
- Wie schlagen sich Nachhaltigkeitsziele in der Planung von Investitionen nieder und wo laufen die Fäden zusammen?
- Wer entscheidet in letzter Konsequenz über (Korrektur-)Maßnahmen und Projekte?
- Wie läuft künftig der Entscheidungsprozess, zum Beispiel bei Investitionsalternativen, der neben einer finanziellen Alternativenbewertung auch Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen muss?
Überführt in ein konkretes Beispiel wird sich ein produzierendes Unternehmen zukünftig fragen müssen, ob bei neuen Produktionsstätten weiterhin auf die konventionelle und häufig kostengünstigere Variante gesetzt werden soll, oder ob die "grüne" Variante mit Photovoltaik auf dem Hallendach und Geothermie als Alternative zur Erdgas-Beheizung zukunftsfähiger ist. Die neu hinzutretende Dimension Nachhaltigkeit führt notwendigerweise zu Anpassungen in bisherigen unternehmerischen Steuerungs- und Entscheidungsprozessen, da die klassischen Mechanismen, die vorwiegend auf rein wirtschaftliche Kriterien abzielen, hier schnell an ihre Grenzen stoßen.
Inhalt und Rangfolge der Kernherausforderungen weisen eine Parallele zum generellen Entwicklungsstand bzw. zur Diskrepanz zwischen langfristiger Ambition und derzeitigem Status quo des CFO-Bereichs auf. Die vermeintlich zu zögerliche Reaktion des Finanzbereichs auf das als hochgradig wichtig eingestufte Thema lässt sich darauf zurückführen, dass man sich in vielen Fällen aktuell noch mit der nötigen Grundlagenarbeit beschäftigen muss. Klare Bedingungen bei strategischer Grundausrichtung, bei Verantwortlichkeiten und bei internen Abläufen sind die Grundvoraussetzung, um die weitere Operationalisierung und auch Positionierung vorantreiben zu können.
Wenn auch nicht unter den Top 3 der akuten Herausforderungen, zeigt eine Zustimmungsquote von mehr als 60 %, dass die Unternehmen in weiten Teilen überdies mit folgenden Herausforderungen zu kämpfen haben:
- Unzureichende Abbildung des Themas in der Organisation
- Mangelnder Fokus und Uneinigkeit über relevante KPIs
- Fehlende oder unzureichende systemseitige Unterstützung
- Fehlende Kompetenzen und Skills der Mitarbeitenden
Bei den weiteren Herausforderungen gilt abermals, dass es sich hierbei um tendenziell nachgelagerte Aktivitäten handelt, die erst nach Klärung der notwendigen Voraussetzungen angegangen werden können. So müssen beispielsweise Rollen und Verantwortungen erst einmal geregelt sein, bevor im Detail Aussagen zu fehlenden Ressourcen mit entsprechenden Kompetenzen und Skills getroffen werden können.
Auch die Fragestellung, wie die systemseitige Abbildung von Nachhaltigkeitsinformationen erfolgt, kann und sollte erst nachgelagert beantwortet werden. Die Frage nach der technischen Abbildung stellt sich naturgemäß nicht vor der viel grundsätzlicheren Frage, welche Inhalte wie betrachtet und gesteuert werden sollen.