Erfolgreiche Nachhaltigkeit erfordert Fokussierung und Integration in die Steuerung
CFOs und Sustainability: Nachhaltigkeit in der Finanzfunktion
Zum Einstieg in das Thema gab Lydia Neuhuber, Sustainability Consulting Lead bei Deloitte einen Überblick über die aktuelle Relevanz von Nachhaltigkeit und ESG-Themen für Finanzfunktionen.
Organisationen spüren durch regulatorische Entwicklungen wie beispielsweise die EU-Taxonomie oder die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) starken Druck auf die eigene Performance und die Notwendigkeit existierende und zukünftige Vorschriften zum Thema Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Für Investoren spielt Nachhaltigkeit ebenso eine immer bedeutendere Rolle. Das spiegelt sich beispielsweise in den erhöhten Erwartungen an Daten- und Offenlegungsfragen wider (z.B. durch IASB, DRSC, IFAC, IDW). Auch Konsumenten und Mitarbeiter*innen erwarten zunehmend nachhaltiges Handeln von Unternehmen – nicht-nachhaltiges Agieren kann infolgedessen zu schwerwiegenden Reputationsschäden führen.
Nachhaltigkeit als Pflichtübung oder unternehmerische Chance?
Während Unternehmen also mindestens den regulatorischen Vorschriften nachkommen müssen, kann Nachhaltigkeit auch als große Chance gesehen werden und für führende Organisationen in der Nachhaltigkeitstransformation als echter Wettbewerbsvorteil gelten. Viele Organisationen erkennen diese Chancen und setzen sich ambitionierte Nachhaltigkeitsziele. Während die meisten Unternehmen dementsprechend über eine klar definierte ESG-Strategie verfügen, nutzen jedoch nur 36% Nachhaltigkeits-KPIs zur regelmäßigen internen Steuerung (Deloitte CFO Survey 2021).
Für eine gut verankerte Nachhaltigkeitsstrategie sind aber klar definierte, herunter gebrochene und in die Zukunft gerichtete Ziele, zusätzlich zur richtigen Kommunikation durch öffentlich zugängliche Nachhaltigkeitsberichte, essenziell. Eine professionelle Steuerung von ESG KPIs wird somit immer entscheidender. Wichtige Grundsätze für eine erfolgreiche Steuerung beinhalten dabei:
- Eine saubere Datengrundlage und Datenerhebung, welche prüfungssicher dokumentiert ist und die gesamte Organisation abbildet
- Das Herunterbrechen von definierten Zielen in Teilziele und die Überprüfung der Erreichung dieser Teilziele
- Standardisierte Gremien, die Maßnahmenplanung sowie -nachverfolgung ermöglichen
Der Fokus des nicht-finanziellen Reportings wandelt sich also vom reinen Ist-Reporting hin zum Reporting von nach vorne gerichteten Zielen und Ambitionen. Um das interne ESG Reporting hierfür zu operationalisieren, sind entsprechende Prozesse, Systeme und Verantwortlichkeiten notwendig. Für deren Umsetzung benötigt die ESG-Steuerung dieselbe Professionalität, die in Unternehmen für das eingespielte finanzielle Controlling gelebt wird.
Vom CFO zum Chief Performance Officer
Lydia Neuhuber berichtet weiter, dass das Grundgerüst des finanziellen Controllings in großen Teilen auf das nicht-finanzielle Reporting übertragbar ist. Durch diese Gegebenheit ändert sich zwingend die Rolle der Finanzfunktion und des CFOs vom Chief Financial Officer hin zum Chief Performance Officer (CPO), der oder die die Führung beim erfolgreichen Übergang zum nachhaltigen Unternehmen übernimmt. Dabei stehen folgende Handlungsfelder der Finanzrolle im Fokus:
- Das Integrieren von ESG-Kriterien in bestehende Entscheidungsfindungs-, Unternehmensplanungs-, (monatliche) Berichterstattungs- und Risikomanagementprozesse
- Die Verankerung eines ganzheitlichen ESG-Steuerungs- und Berichterstattungsrahmens in allen Geschäftsbereichen, der finanzielle und nicht-finanzielle KPIs integriert, die den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und den Informationsbedarf der relevanten Interessengruppen berücksichtigen
- Das Harmonisieren von Datenquellen und -systemen und das Automatisieren von Prozessen, wo immer dies möglich ist, um Transparenz über ESG-KPIs und finanzielle KPIs zu schaffen und eine "revisionssichere" Datenqualität sicherstellen zu können.
Entscheiden ist hierbei, dass das Verständnis der Finanzabteilung über rein finanzielle KPIs hinaus gehen muss und durch eine umfassende Nachhaltigkeitskompetenz auch nicht-finanzielle KPIs regelmäßig analysiert und interpretiert werden.
„Sustainability Process Model“ und „ESG Performance Management Framework“
Hinsichtlich eines „Sustainability Process Model“ wird der Schwerpunkt der Tätigkeit der Finanzfunktionen in Data Management, Performance Management & Reporting, Financing & Investment und Stakeholder Communication liegen.
In einem „ESG Performance Management Framework“ werden vier Schritte gesehen:
- Herunterbrechen der Handlungsfelder der Nachhaltigkeitsstrategie in relevante Steuerungsobjekte
- Operationalisierung durch definierte Verantwortlichkeiten und Alignment
- Zielfestlegung und Steuerung von Maßnahmen über den Performance Managementprozesse
- Integration in die Organisation, die Prozesse und die IT-Architektur
Ihre Erfahrungen in ESG-Reporting- und -Steering-Projekten fasste Lydia Neuhuber folgendermaßen zusammen:
- Weniger ist mehr!
- Halten Sie es pragmatisch!
- Kommunizieren Sie offen!
- Integrieren Sie finanzielle und nicht-finanzielle Berichterstattung!
- Incentivierung ist der Schlüssel!
- Automatisieren Sie wo möglich!
Integration von ESG in das kaufmännische Steuerungs- und Berichtswesen bei der E.ON SE
Zuerst erklärte Matthias Nawe, warum ESG für E.ON wichtig ist:
- ESG erfüllt gesetzliche Pflichten aufgrund von erhöhten Anforderungen an das Reporting.
- Investoren suchen ESG-konforme Anlagen.
- Kunden erwarten ESG-Engagement aufgrund steigender Bedeutung in der Gesellschaft.
- ESG bildet eigenen Nachhaltigkeitsbestrebungen ab.
Daher wundert es nicht, dass E.ON ESG in erster Linie als eine strategische Aufgabenstellung sieht, die mit einer Integration von Nachhaltigkeitskriterien in die Geschäftsprozesse einhergeht. Bei der Umsetzung der Strategie setzt E.ON nicht nur auf KPIs, sondern auch auf die Integration von Klimarisiken und sozialen Risiken in die Unternehmenssteuerung.
Die von Nawe genannten Erfolgsfaktoren für eine strukturierte ESG-Implementation
- Konzentration auf das Wesentliche
- Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses
- Operationalisierung
- Verankerung in der Organisation
- Fahrplan für 2022 und die Folgejahre
ähneln teilweise den Empfehlungen von Lydia Neuhuber.
Wichtig ist: Fokus, Fokus, Fokus!
Aus einer Longlist von 400 ESG-KPIs hat E.ON in einer Shortlist ca. 20 Core-KPIs selektiert, die aktiv gesteuert und regelmäßig reportet werden. Diese Core-KPIs unterstützen das Unternehmen bei der Darstellung der Nachhaltigkeit, haben den größten Impact für das Geschäftsmodell und sind konsistent mit den kommunizierten Zielen der Nachhaltigkeitsstrategie. Die Konzentration auf die wichtigsten ESG-KPIs ermöglicht es E.ON, von einem Zustand der Reaktion zur proaktiven Kommunikation und Steuerung zu kommen. Vier Leitprinzipien bestimmen hierbei den Rahmen für das Reporting:
- Die Einheiten sind für die ESG-Core-KPIs verantwortlich. Die zentrale Steuerung erfolgt über Richtlinien.
- Die KPIs qualifizieren sich für eine angemessene Prüfungssicherheit (hohe Datenqualität) bis spätestens 2023.
- Reduzierung des Reportingaufwands für die Einheiten, wo möglich.
- Nutzung bereits bestehender Prozesse und Systeme so weit wie möglich.
Product Carbon Footprints für das größte Portfolio der Chemischen Industrie
Immer wieder stellt sich BASF die Frage, wie groß der CO2-Fußabdruck eines Produkts ist. Das Unternehmen ist sich seiner Verantwortung bewusst, da 6 % der Gesamt-Treibhausgas-Emission von der chemischen Industrie stammt. Der Product Carbon Footprint (PCF) wird immer mehr quantitativer Faktor beim Endkundenverhalten und quantitatives Kriterium bei Einkaufsentscheidungen im Unternehmen. Die PCF-Berechnung erfordert die Verfügbarkeit der Daten von Teilnehmern entlang der Wertschöpfungsketten. Um diese Informationen zu erhalten hat BASF ein Strategic CO2 Transparency Tool (kurz SCOTT) entwickelt. Dieses von Referent Dr. Jochen Kurtz geleitete Projekt wurde auch mit dem Green Controlling Preis 2021 ausgezeichnet. Es galt 45.000 Verkaufsprodukte zu bewerten. SCOTT führt dabei eine Datenextraktion von Emissions-, Produktions- und Kostendaten aus existierenden ERP-Systemen durch. Neu am Projekt war, dass der Finanzbereich sich mit dem Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich abstimmen musste.
Nach den guten Erfahrungen wird SCOTT als Referenz-Tool an interessierte Softwarefirmen angeboten, die diese in ihre Lösungen integrieren können. Dieses Vorgehen ist ganz im Sinne von SDG 17 „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“.
Fokussierung, Datenverfügbarkeit und Integration als Erfolgsfaktoren
Alle drei Vorträge des von Claudia Maron moderierten Themenzentrums Nachhaltigkeit machten klar, dass Fokussierung, Datenverfügbarkeit und Integration in die operativen Prozesse die Kernelemente einer gelungenen ESG Strategie sind. Nun gilt es noch das Controlling für das Thema ESG zu begeistern und dort entsprechendes Wissen aufzubauen. Der Internationale Controller Verein (ICV) hat das Thema Nachhaltigkeit als Jahresthema ausgewählt und leistet hierbei einen wertvollen Beitrag.
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