Prof. Guido Grunwald, Prof. Jürgen Schwill
5.1 Chancen und Risiken des Lieferkettenmanagements
Zusammenfassend liefern das nachhaltigkeitsorientierte Lieferantenmonitoring und die Lieferantenauditierung diverse Ansatzpunkte zur Überwachung, Steuerung und Kontrolle der Lieferkette. In dem Zusammenhang sollte es Ziel des Nachhaltigkeitsmanagements sein, nur mit den Akteuren in der "Supply Chain" zusammenzuarbeiten, die die vereinbarten Leitsätze, Prinzipien, Standards oder Normen nicht nur akzeptieren und vertraglich zusichern, sondern auch konsequent danach handeln. Sofern nur ein Akteur der Lieferkette "ausschert" und bspw. ökologische und/oder soziale Prinzipien missachtet, dürften negative Überstrahlungseffekte auf die anderen Akteure nicht auszuschließen sein. Im Gegensatz dazu ergeben sich mit der Gewährleistung einer verantwortungsvollen vorgelagerten Lieferkette positive Auswirkungen auf die Reputation eines Unternehmens als zuverlässiger Geschäftspartner.
5.1.1 Schwierigkeiten bei indirekten Lieferanten
Ein ganzheitlich orientiertes Nachhaltigkeitsmanagement impliziert demzufolge auch ein "Management" der Lieferkette. Das dürfte bei einer "kurzen" Lieferkette mit nur wenigen Akteuren noch praktikabel sein. Mit der "Länge" der Lieferkette (z. B. mit den Stufen Rohstoffgewinnung, Vorfertigung, Veredelung, Produktion, Vertrieb und Logistik) steigt jedoch auch der Aufwand in Bezug auf die Überwachung, Steuerung und Kontrolle der in dieser "Supply Chain" beteiligten Akteure und ihrer Lieferpraktiken. V. a. bei indirekten Lieferanten, mit denen das Unternehmen keine direkten Geschäftsbeziehungen pflegt, ist demzufolge auch keine unmittelbare Einflussnahme (z. B. durch Sanktionen) möglich; gleichwohl können sie aber die gesamte Lieferkette durch ihr nicht nachhaltiges Agieren "vergiften" und Nachhaltigkeitskrisen induzieren. Insofern muss ein ganzheitlich ausgerichtetes Nachhaltigkeitsmanagement auch nach Möglichkeiten suchen, wie nachhaltiges Handeln auch bei indirekten Lieferanten eingefordert werden kann. So könnten Unternehmen bspw. direkte Geschäftspartner dazu verpflichten, von ihren Lieferanten nachhaltigkeitsbezogene Zertifizierungen zu verlangen und diese Nachweise dem Unternehmen vorzulegen.
5.1.2 Verbindlicher statt freiwilliger Ordnungsrahmen für globale Lieferketten sinnvoll
Eine weitere Problematik ergibt sich in Lieferketten dann, wenn nachhaltigkeitsbezogene Verhaltensregeln formuliert werden, die eher "Best-Practice-Beispiele" darstellen und damit lediglich als Orientierung(srahmen) für Unternehmen in der Lieferkette dienen – aber eben nicht müssen. Unternehmen sind grds. nicht verpflichtet, sich derartigen Regelwerken zu unterwerfen. Freiwilligkeit statt gesetzlicher Verbindlichkeit mag zwar – v. a. auch aus unternehmerischer Sicht – generell begrüßenswert sein; die Forderung nach einem verbindlichen Ordnungsrahmen gerade bei globalen Lieferketten ist jedoch aufgrund des "Phänomens der Externalisierung von Produktion" zunehmend relevant geworden. So machen globale Wertschöpfungsketten mittlerweile 80 % des Welthandels aus. Deutschland ist dabei so intensiv wie keine andere Industrienation in internationale Lieferketten eingebunden und teilweise sehr stark von importierten Vorleistungen abhängig (z. B. beträgt die ausländische Wertschöpfung in der Textilindustrie 63 % oder im Bereich der Elektronik 45 %). Mit dieser Externalisierung einzelner Produktionsstufen verbinden sich v. a. in den Entwicklungs- und Schwellenländern auch Problembereiche (z. B. hohe Umweltbelastungen und soziale Missstände wie etwa Kinderarbeit), die nicht nur lokale Schäden und Kosten verursachen, sondern auch auf andere Staaten übergreifen können (s. Klimawandel). Insofern geht – zumindest in ökologischer Hinsicht – neben der Externalisierung von Produktion auch gleichzeitig eine Externalisierung von Problemen einher.
5.2 Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Weil Unternehmen freiwilliges Engagement für die mit Lieferketten zusammenhängenden Problembereiche mehrheitlich vermissen lassen, stellte sich die Frage nach der Schaffung gesetzlicher Verbindlichkeiten. Als Antwort ist am 11.6.2021 das "Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG)" vom Deutschen Bundestag beschlossen worden; die Billigung im Bundesrat erfolgte am 25.6.2021 und die Verkündung im Bundesgesetzblatt am 22.7.2021.
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – häufig kurz Lieferkettengesetz genannt – verpflichtet
- ab 1.1.2023 für in Deutschland ansässige Unternehmen und Unternehmen mit einer Zweigniederlassung ab 3.000 Beschäftigten und
- ab 1.1.2024 Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten,
ihrer Verantwortung in der Lieferkette nachzukommen, und zwar in Bezug auf international anerkannte Menschenrechte und bestimmte Umweltstandards. Die betroffenen Unternehmen haben dabei folgende Sorgfaltspflichten zu berücksichtigen:
- "Einrichtung eines Risikomanagements und Durchführung einer Risikoanalyse
- Verabschiedung einer Grundsatzerklärung der unternehmerischen Menschenrechtsstrategie
- Verankerung von P...