Nachhaltigkeitsberichte sind für viele börsennotierte Unternehmen inzwischen Pflicht. Aus Marketinggründen oftmals machen dies auch solche Unternehmen, die es nicht müssten. Auch Städte nutzen VLRs zum Marketing um darzustellen, das sie an der Spitze beim Thema Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele stehen.
Als aktuell anerkannt erster VLR gilt der von New York City. New York City hatte unter Mayor de Blasio angefangen, die Tatsache, dass der Hauptsitz der Vereinten Nationen (UN) New York ist, strategisch zu nutzen. Wenn schon eine globale Behörde in der Stadt ist, sollte man schauen, welchen strategischen Nutzen man von ihr haben kann. So fing New York an, Kontakte zwischen der Stadt und der UN aufzubauen. Zunächst für klassische Themen der Zusammenarbeit. Im International Office saß mit Alex Hinniker eine "pfiffige" Mitarbeiterin, die die politische Ambition der UN, dass die Agenda 2030 und die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele auch lokal umgesetzt werden und gemonitort werden sollten, in der Stadtverwaltung vorantrieb, indem sie parallel zu den sogenannten Voluntary National Reviews vorschlug, einen VLR für New York City zu erstellen. Damals getrieben aus der Überzeugung, dass Städte aufgrund ihrer Wichtigkeit zentrale Transmissionsriemen für die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele und damit auch deren Erfolg sind. Vonseiten der UN wurde dies unterstützt und mit inzwischen einigen anderen städtischen Protagonisten, wie Kitakyuschu in Japan, fing man an, die lokale Umsetzung der SDG mittels eines VLR zu messen, aber auch mit der aktuellen städtischen Politik zu reflektieren. Dieser Bewegung eine Richtung gebend, wurden Anleitungen und Handbooks erstellt, wie ein solcher Voluntary Local Review aussehen sollte. New York ging den oben beschriebenen Weg, die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele mit der bestehenden Stadtstrategie zu matchen und die städtischen Schwerpunkte mit den UN-Nachhaltigkeitszielen zu verknüpfen. Die Leiterin des Internationalen Büros von New York City sah außer dem zweifelsohne fachlichen Mehrwert eines VLR aber auch den marketingtechnischen. Schon relativ kurz nach Veröffentlichung des New Yorker VLRs wurde die Tatsache, dass New York City weltweit den ersten anerkannten VLR hatte, bei jeder diesbezüglichen Gelegenheit genutzt, um in den einleitenden Worten darauf hinzuweisen "New York City, das weltweit den ersten Voluntary Local Review erstellt hat…". Daraus sah man sich verpflichtet und ermutigt andere auf diesem Weg zu unterstützen. Über einen entsprechenden Austausch mit New Yorks Partnerstadt Helsinki setzten diese ihren ersten und damit den ersten europäischen VLR auf. Auch Helsinki, wenngleich bescheidener, nutzt sehr oft auf internationalen Konferenzen die Gelegenheit, auf die Tatsache hinzuweisen, dass sie den ersten europäischen VLR hatten. Der erste VLR in Deutschland kam aus Mannheim und wurde im September 2019 von Oberbürgermeister Dr. Kurz auf dem High Level Political Forum in New York vorgestellt.
Danach folgte der mit Bertelsmann unterstützte VLR aus Stuttgart im November 2019. Wir hatten uns damals immer wieder mit den Kolleginnen aus unserer Landeshauptstadt ausgetauscht, wie weit jeder bei der Fertigstellung seines VLR war. Da der Erste zu sein wie beschrieben ein Marketingtool ist, fing Stuttgart, unterstützt von Bertelsmann an, auf nationalen Konferenzen darauf hinzuweisen, dass sie die erste Stadt in Deutschland waren, was nachweislich, siehe offizielle Liste der UN und vergleiche die Veröffentlichungsdaten auf den jeweiligen Publikationen, nicht stimmt. Da dies aber prestigeträchtig ist und mit dem Stuttgarter VLR auch die Bertelsmannlogik ihres wirklich guten (!) SDG-Portals umgesetzt werden sollte, wurde dies immer wieder behauptet. Von Stuttgarter Vertretern sogar bei Konferenzen, bei denen Mannheim auf dem Podium saß. Nun führt man solche Diskussionen nicht öffentlich, da es um die Sache (erfolgreiche Lokalisierung der UN-Nachhaltigkeitsziele) geht und nicht wer der Erste war. Insofern wurden die Stuttgarter Kollegen als auch das DIFU, das ja bei diesem Projekt (SDG-Portal und nationale Indikatoren) auch eingebunden ist, letztlich auch schriftlich im Vorfeld des freiwilligen deutschen Voluntary National Reviews (VNR) darauf hingewiesen. Nicht, dass Mannheim darauf bestand, im VNR als erste Stadt drin zu stehen, die einen VLR in Deutschland erstellt hat, doch wenn in einem Entwurf zum VNR Stuttgart als erste Stadt genannt ist, muss man intervenieren. Inzwischen rückt "man" davon ab dies so platt zu behaupten, zumindest teilweise. Der neueste Kniff ist zu behaupten, dass Stuttgart den ersten anerkannten (was immer das ist) Nachhaltigkeitsbericht zur Umsetzung der Agenda 2030, und dann in Klammer, (VLR) erstellt hat. Schade insgesamt.