Arbeit im religiösen Sinnkontext
Im frühen Christentum wurde Arbeit als Maxime der Lebensführung (Jahre 0 – 500) ausgerufen. Es war ein göttlicher Auftrag zu arbeiten. Auch im Klosterwesen des Mittelalters wurde diese Einstellung gegenüber Arbeit weiter postuliert (500–1500). Das lateinische Motto "Ora et labora" (bete und arbeite) hat seinen Ursprung im Spätmittelalter und ist bis heute bekannt. Es stammt aus der Tradition des Ordens der Benediktiner, die der Überzeugung waren, dass dies dem Leben einen Rhythmus und eine äußere Struktur gibt, die uns Menschen guttut und dem Leben eine Ordnung verleiht. Bis heute gibt es Ora-et-labora-Tage und -Veranstaltungen in Klöstern.
Arbeit als Mittel zur Bekämpfung von Armut
Im Spätmittelalter wurde Arbeit einem sozialen Milieu zugeordnet: die Arbeiterklasse im Gegensatz zum negativen Antitypen des Nichtstuns. In einer zu dieser Zeit veröffentlichten Schrift namens "Utopia" wurde eine Arbeitergesellschaft der Zukunft skizziert, in der man keine Armut mehr kennt. Diese Vision ist heute das erste Ziel der Sustainable Development Goals, die von der Weltgemeinschaft verabschiedet wurden, um weltweit ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Arbeit hat allerdings für die meisten Menschen nicht vordergründig die Funktion Armut abzuwenden.
Arbeit als Mittel zum Glück und Reichtum
Verschiedene Strömungen verstehen unter Arbeit ein Mittel zum Zweck, um menschliches Glück und Reichtum zu erlangen. Dies ging in der frühneuzeitlichen Gesellschaft (um 1800) mit einem grundlegenden Wandel der Lebenswerte, der Lebensverhältnisse und auch der Arbeitswelt einher. Die Einstellung zur Arbeit veränderte sich in qualitativer und quantitativer Hinsicht.
Heute befinden wir uns in einer ähnlich tiefgreifenden Phase der Veränderung unserer bisherigen Arbeitswelt. Durch die Einflüsse des technischen Fortschritts, die Prozesse der Automatisierung und die vorhandenen Möglichkeiten der Digitalisierung, die gekoppelt sind mit disruptiven Zeiten und Entwicklungen der weltweiten Covid-19-Pandemie, werden bisher übliche Arbeitsmodelle infrage gestellt und nicht nur Arbeitsinhalte, sondern auch die gesamte Arbeitsorganisation neu aufgestellt.
Aus der Perspektive des gegenwärtigen "Humanismus der Befreiung" kann dies als eine Errungenschaft für die Gesellschaft betrachtet werden. Denn das in den letzten 200 Jahren vorherrschende Verständnis von Arbeit und die damit verbundene, tief in unserer Gesellschaft verankerte Moral und Verhaltensnorm, die uns seit dem Spätmittelalter fast überall in Europa aufoktroyiert wurde, haben einige starre Praktiken der Arbeitsorganisation hervorgebracht, die – streng genommen – nicht sonderlich gut mit humanistischen Werten wie "Individualität", "Selbstbestimmung" und "Freiheit" zu vereinbaren sind. Diese Praktiken können als eine der letzten Formen menschlicher Unfreiheit (zugegebenermaßen auf einem sehr hohen Niveau) betrachtet werden, die uns zu einer fremdbestimmten Alltagsführung und vorgegebenen Abläufen zwingt. Derart einschränkende Strukturen berauben Menschen einer individuellen und vor allem selbstbestimmten "Work-Life-Balance". Daher streben wir in unseren (ur-)menschlichen Grundbedürfnissen danach, diese Starrheit unseres Arbeitslebens zu überwinden.