Flavia Kruck, Dipl.-Kffr. Andrea Kämmler-Burrak
Nachhaltigkeit ist heute ganzheitlich zu betrachten. In einem 360-Grad-Ansatz sind alle drei Säulen "Ökologie", "Soziales" und "Ökonomie" zu berücksichtigen. Jede der drei Nachhaltigkeitsdimensionen umfasst diverse Themen, welche aber nicht für alle Organisationen gleichermaßen relevant sind.
Unternehmen haben begrenzte finanzielle, personelle und technische Ressourcen. Der Fokus auf ausgewählte Themen ermöglicht eine bessere Verteilung von Investitionen und Ressourcen und ein effektiveres Management der Themen, um so einen maximalen Nutzen (Verringerung der negativen oder Steigerung der positiven Auswirkungen) zu erzielen.
Es gilt also jene Themen zu identifizieren, die für das Unternehmen und seine Stakeholder aufgrund der Branche, des Business Modells wie auch der Unternehmensstandorte relevant sind. Dabei ist die Frage "Wo können wir einen positiven Einfluss ausüben oder dazu beitragen, einen negativen Einfluss zu verringern?" zu beantworten. Die Identifikation und Priorisierung der Themen erfolgt typischerweise anhand einer Wesentlichkeitsanalyse. In Deutschland wird hier im Rahmen der CSRD die doppelte Wesentlichkeit als Prinzip zugrunde gelegt. Die Wesentlichkeitsanalyse erfolgt dann unternehmensspezifisch und umfasst folgende Schritte:
- Erstellung einer Long-List möglicher Nachhaltigkeitsthemen
- Einholen der Stakeholder-Erwartungen
- Assessment Inside-Out-Perspektive und Outside-In-Perspektive
- Priorisierung der Themen sowie Abbildung in einer Wesentlichkeitsmatrix
Wesentlichkeiten können sich über die Zeit ändern. Was heute wesentlich ist, ist es vielleicht nicht mehr in der Zukunft bzw. was heute unwesentlich ist, kann künftig wesentlich sein. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die Wesentlichkeitsanalyse in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Bis dato war es üblich, die Wesentlichkeitsanalyse alle zwei bis drei Jahre zu wiederholen. Künftig ist vor dem Hintergrund der neuen Regulatorik und der erforderlichen Prüfung davon auszugehen, dass zumindest eine jährliche Validierung der Wesentlichkeitsanalyse erfolgen sollte.
1. Long-List an möglichen Themen
Startpunkt bildet die Identifikation und Sammlung potenzieller wesentlicher Nachhaltigkeitsaspekte mit dem Ziel, ein möglichst vollständiges Bild potenziell relevanter Themen zu bekommen. Anhaltspunkte ergeben sich u. a. aus Folgendem:
- Analyse der Wertschöpfungskette sowie Stärken und Schwächen des Unternehmens, um kritische Erfolgsfaktoren herauszuarbeiten,
- Durchsicht der aktuellen und zukünftigen Rechtsvorschriften (z. B. Lieferkettengesetz) sowie freiwilliger Standards und Rahmenwerke (z. B. UN SDGs),
- Analyse von allgemeinen und branchenspezifischen Trends (z. B. globale Risiken),
- Review der Nachhaltigkeitspraktiken der wichtigsten Wettbewerber, z. B. mittels Durchsicht der veröffentlichten ESG-Berichte.
Die Long-List umfasst typischerweise 20 – 30 Themen und wird mit internen Fachexperten erstellt, um sicherzustellen, dass diese auf das Unternehmen zugeschnitten ist (z. B. Verwendung von unternehmensspezifischen Begrifflichkeiten). Die Themen sollten dabei MECE ("mutually exclusive and collectively exhaustive") – auf Deutsch "sich gegenseitig ausschließend und gemeinsam umfassend" – definiert werden, d. h. vollständig, aber überschneidungsfrei sein.
2. Stakeholder-Dialog
In einem nächsten Schritt gilt es, die Perspektiven von internen und externen Stakeholdern zu sammeln. Im Rahmen des Stakeholder-Dialogs geht es darum, die Interessen und Bedürfnisse der Stakeholder zu identifizieren sowie die Entwicklung und Dringlichkeit der Themen einschätzen zu können.
Vorteile des Stakeholder-Engagements
Stakeholder spielen bei der Erarbeitung der Strategie eine Schlüsselrolle, deshalb hat der Einbezug der wichtigsten Stakeholder mehrere Vorteile:
- Er erhöht die Glaubwürdigkeit und stärkt das Vertrauen, was für den Unternehmenserfolg essenziell ist
- Er ermöglicht einen aktiven Lernprozess, in welchem die Herausforderungen des Unternehmens identifiziert und Handlungsoptionen erarbeitet werden können
- Er dient als Frühwarnsystem, indem zukünftige Risiken identifiziert werden
Während das Stakeholder Engagement früher reaktiv ausgerichtet war, geht es heute darum, in einem Dialog Win-win-Lösungen zu erarbeiten.
Typische Stakeholdergruppen
Stakeholder sind alle Interessensgruppen, die
- von den Aktivitäten, Dienstleistungen oder Produkten des Unternehmens betroffen sind oder
- die Zielerreichung des Unternehmens beeinflussen können.
Unternehmen sind mit einer Vielzahl von Stakeholdern mit unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissen konfrontiert. Aufgrund zeitlicher, personeller und auch finanzieller Engpässe ist es ratsam, sich beim Stakeholder Engagement auf jene Stakeholdergruppen mit strategischer Bedeutung zu fokussieren. Nach Identifizierung aller Stakeholdergruppen werden diese deswegen anhand der beiden Kriterien "Interesse am Unternehmen" und "Einflussmöglichkeit auf das Unternehmen" priorisiert.
Typische Stakeholdergruppen sind Mitarbeitende, Eigentümer, Kunden, Lieferan...