Neben den Diskussionen im Kontext der Entlohnung von weiblichen und männlichen Mitarbeitern scheint die Debatte um die Vergütung von Führungskräften v. a. durch die teilweise exorbitanten Managergehälter weitaus höhere Wellen zu schlagen.

Anlasspunkte der Kritik sind zum einen die absolute Höhe der Gehälter und zum anderen die relative Höhe im Vergleich zum Durchschnittsverdienst eines Beschäftigten (Lohnspreizung).[1]

 
Praxis-Beispiel

VW: Absolute und relative Entgelthöhe

Der damalige Vorstandsvorsitzende des Volkswagen-Konzerns, Herbert Diess, verdiente 2019 mit 9,9 Mio. EUR mehr als alle anderen Topverdiener der 30 Dax-Unternehmen. 2014 waren es für den damaligen VW-Chef Martin Winterkorn noch 16 Mio. EUR.

Durchschnittlich verdienten Vorstände 2019 3,4 Mio. EUR; im Vergleich zum Durchschnitt der Mitarbeitergehälter ist es das 49-Fache. Martin Winterkorn hat 2013 noch das 190-Fache von dem eines durchschnittlichen Arbeitnehmers des Autokonzerns verdient.[2]

Besonders kritisch werden Vergütungssysteme gesehen, wenn trotz Fehlleistungen bzw. offensichtlichem Versagen leitende Mitarbeiter Millionenbeträge an Abfindungen und Pensionszahlungen erhalten.

 
Praxis-Beispiel

VW: Entgelthöhe und Fehlverhalten

Aufgrund der Manipulationen bei Abgastests (Dieselskandal) trat Martin Winterkorn am 23.9.2015 als Vorstandschef der Volkswagen AG zurück. Er bezieht weiterhin ein Grundgehalt von 1,6 Mio. EUR pro Jahr. Im Sommer 2016 erhielt er sogar eine Bonuszahlung in Höhe von 4,1 Mio. EUR, die Ende des Jahres um zusätzliche 1,7 Mio. EUR aufgestockt wurde. Seit dem 1.1.2017 bezieht Winterkorn nunmehr eine VW-Betriebsrente von 3.100 EUR, und zwar pro Tag und bis ans Lebensende[3]

Derartige Entwicklungen hinsichtlich der absoluten und relativen Höhe der Vergütung und auch der Vergütungsbestandteile haben dazu geführt, Maßnahmen zur Regulierung von Entgeltstrukturen zu initiieren. So beschließt gemäß "Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II)" vom 12.12.2019 der Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften u. a. "ein klares und verständliches System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder".[4] Dabei sind auch Angaben in Bezug auf Vergütungsbestandteile erforderlich, wie etwa über die Festlegung der Maximalvergütung der Vorstandsmitglieder oder über alle festen und variablen Vergütungsbestandteile.[5]

 
Praxis-Beispiel

Vergütungsregelungen bei der Siemens AG

Der Aufsichtsrat der Siemens AG hat am 18. September 2019 ein verändertes und ARUG II-konformes Vergütungssystem verabschiedet, welches in der Hauptversammlung am 5. Februar 2020 auch beschlossen wurde. So entscheidet der Aufsichtsrat über die Struktur, die Höhe und die Gewichtung der einzelnen Vergütungsbestandteile. Zudem soll die Angemessenheit der Vergütung durch den Aufsichtsrat regelmäßig überprüft werden. Zu den Prüfkriterien zählen:

  • wirtschaftliche Lage,
  • Unternehmenserfolg,
  • Zukunftsaussichten,
  • Üblichkeit der Vergütung,
  • Vergütung Vorstand vs. oberer Führungskreis und Belegschaft,
  • Aufgabe und Leistung Vorstand.

Gemäß der "Vision 2020+" soll auch die Nachhaltigkeit im Vergütungssystem verankert werden. So gehen zur Ermittlung der langfristig aktienbasierten Vergütung („Stock Awards“) als weiteres Leistungskriterium 20 % auf Basis eines Siemens-internen Nachhaltigkeits-Index, bestehend aus 3 Kennzahlen (z. B. CO2-Emissionen), ein.[6]

Einen rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen liefert auch der Deutsche Corporate Governance Kodex, der – im Gegensatz zu ARUG II – einen stärkeren Stakeholder-Bezug beansprucht. Er verdeutlicht die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat, neben den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft und der Belange der Aktionäre auch die Interessen der Belegschaft und weiterer Stakeholder zu berücksichtigen, zumal sie mit verantwortlich sind für den Bestand des Unternehmens und der nachhaltigen Wertschöpfung.

 
Wichtig

Orientierung am Leitbild des "Ehrbaren Kaufmanns"

Explizit wird auf das Leitbild des "Ehrbaren Kaufmanns" verwiesen, der nicht nur dem Legalitätsprinzip zu folgen hat, sondern von dem auch ein ethisch fundiertes, eigenverantwortliches Verhalten verlangt wird.[7]

Gerade auch im Bereich der Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat werden im Kodex umfangreiche Empfehlungen formuliert, die die Festlegung der konkreten Gesamtvergütung und die Festsetzung der Höhe der variablen Vergütungsbestandteile betreffen.[8]

Insgesamt gibt es – zumindest aus wissenschaftlicher Sicht – kein Patentrezept v. a. in Bezug auf die Bestimmung angemessener (Manager-)Gehälter. Auch erscheint eine – von wem auch immer – festgelegte absolute Obergrenze aufgrund fehlender objektiver Maßstäbe wenig sinnvoll. Zu überlegen wäre vielmehr, wie die persönliche Verantwortlichkeit und damit auch die individuelle Haftung in ethisch orientierten Vergütungssystemen stärker berücksichtigt werden könnten. Es ist ethisch nicht vertretbar, dass Mitarbeiter aufgrund von Managementfehlern ihren Arbeitsplatz verlieren oder auf Gehaltszuwächse verzichten müssen, verantwortlic...

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