Nachhaltige Geschäftsmodelle

„Nachhaltige Geschäftsmodelle“ sind seit einigen Jahren in aller Munde. In der Praxis ist dieser Begriff mittlerweile genauso geläufig wie der Begriff der Nachhaltigkeitsstrategie. Doch was zeichnet ein nachhaltiges Geschäftsmodell überhaupt aus? Was macht es transformativ? Und welche Beispiele gibt es? Das erläutert Prof. Florian Lüdeke-Freund in diesem Artikel.

Im Kontext der nachhaltigen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft wird diskutiert, dass einzelne Unternehmen sowie ganze Industrien neue Geschäftsmodelle brauchen, die an Nachhaltigkeitsprinzipien ausgerichtet sind. Dies führt zu Fragen wie: Was ist ein Geschäftsmodell? Was macht es nachhaltig? Was macht es transformativ? Welche Beispiele und Best Practices gibt es?

Um dies zu beantworten, muss kurz geklärt werden, was ein Geschäftsmodell ist. Trotz verschiedener Definitionen, die man in der Literatur findet, kann man sagen, dass ein Geschäftsmodell die Wertschöpfungslogik eines Unternehmens beschreibt. Hiermit ist gemeint, dass wir uns vor allem die Ressourcen und Aktivitäten eines Unternehmens und deren Zusammenspiel bei der Schaffung von Mehrwert genauer anschauen. Im Zentrum steht das Angebot, das an Kund:innen gemacht wird; üblicherweise Produkte, Services oder Produkt-Service-Kombinationen.

Mehr über Nachhaltigkeit als Treiber für neue Geschäftsmodelle erfahren Sie in unserem Podcast:

Ein Geschäftsmodell beschreibt die Wertschöpfungslogik eines Unternehmens

Mithilfe von Geschäftsmodellen versuchen wir zu verstehen, wie Unternehmen es schaffen, mit ihren Ressourcen und Aktivitäten ein Angebot zu erstellen, das sowohl für die Kund:innen als auch für das Unternehmen selbst einen Mehrwert schafft. Was ist zum Beispiel das Besondere an Amazon und Google, das es diesen Unternehmen erlaubt, nahezu konkurrenzlos zu sein? Die klassische Geschäftsmodellforschung stellt Fragen nach den Quellen der Wettbewerbsfähigkeit und des Profitpotenzials. Darüber hinaus stellt sich jedoch die Frage, was ein nachhaltiges Geschäftsmodell eigentlich ausmacht.

Bei nachhaltigen Geschäftsmodellen, genauer gesagt an Nachhaltigkeitsprinzipien ausgerichteten Geschäftsmodellen, geht es auch um unternehmerischen Erfolg. Jedoch in mehrfacher Hinsicht. Es geht darum zu verstehen, wie für Kund:innen und Unternehmen ein Mehrwert geschaffen werden kann, während zugleich ökologischer und sozialer Mehrwert geschaffen wird. Nachhaltige Geschäftsmodelle sind solche, die es Unternehmen ermöglichen, zugleich ökologischen, sozialen und ökonomischen Mehrwert zu schaffen. Im Zentrum steht also die Frage, wie Unternehmen ihre Ressourcen und Aktivitäten derart einsetzen können, dass nachhaltige Wertschöpfung möglich wird.

Nachhaltige Geschäftsmodelle erlauben es Unternehmen, zugleich ökologischen, sozialen und ökonomischen Mehrwert zu schaffen.

Hierbei stellen sich unmittelbar Fragen der Priorisierung und der Anforderungen an relative und absolute Nachhaltigkeitsbeiträge. Man kann sich leicht vorstellen, dass es ein breites Spektrum nachhaltiger Geschäftsmodelle gibt, das von ökologisch-effizient und sozial-inklusiv bis zu stark nachhaltig und sogar regenerativ reichen kann. Je weiter man hierbei übliche Gestaltungs- und Erfolgskriterien wie Effizienz, Umsatzwachstum oder Gewinnmarge mit alternativen Designprinzipien wie Zirkularität, Regeneration oder sozialer Inklusion kombiniert, desto stärker bewegt man sich in Richtung potenziell transformativer Geschäftsmodelle. Das transformative Potenzial kann hierbei von kleinen Veränderungen im Betrieb bis zum Wandel von Konsummustern und ganzen Industrien reichen [1].

Die Frage, welches Geschäftsmodell denn nun wirklich nachhaltig-transformativ und damit das richtige ist, lässt sich pauschal nicht beantworten. Es ist u.a. eine Frage der Prioritäten und der konkreten Herausforderung, die ein Unternehmen bewältigen muss und möchte, sowie der Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft, zu denen ein Unternehmen beitragen möchte. Vereinfachend lässt sich jedoch sagen, dass sich nachhaltig-transformative Geschäftsmodelle grundsätzlich an vier Designprinzipien orientieren:

Vier Designprinzipien unterscheiden nachhaltig-transformative von konventionellen Geschäftsmodellen

1. Nachhaltigkeitsorientierung.
Entscheide ich mich nicht bewusst für ökologische und soziale Prioritäten, wirken die systemischen Kräfte (z.B. Kundenwünsche, Kostendruck), und diese sind per se nicht nachhaltig. Es muss eine bewusste Entscheidung sein, ökologische und soziale Probleme anzugehen.

2. Erweiterte Wertschöpfung.
Dafür muss man alle Stakeholder im Blick haben. So versteht man die Wertschöpfungslogik nicht als rein finanzielle, sondern kann Dinge integrieren wie Freude für Mitarbeitende, Reputation für das Unternehmen, verlässliche Beziehungen zu Geschäftspartnern, die Regeneration natürlicher Ökosysteme u.v.m.

3. Systemisches Denken.
Ein Unternehmen ist Teil der Wirtschaft, der Gesellschaft und des ökologischen Gesamtgefüges. Nur wenn die größeren Systeme berücksichtigt werden, erhöht sich die Chance, weniger Schaden im ökologischen und sozialen Gefüge anzurichten. Klassische Instrumente der Geschäfts(modell)entwicklung unterstützen diese Sichtweise nicht – eher das Gegenteil.

4. Stakeholder-Integration.
Man versucht nicht nur, für seine Kunden, Geschäftspartner oder Investoren da zu sein, sondern zu verstehen, mit wem man es noch zu tun hat. Das kann die lokale Nachbarschaft sein, die Politik oder indirekt betroffene Stakeholder. Es geht darum, diesen Gruppen Gehör zu schenken, Spannungsfelder zu entdecken und aufzulösen.

Beispiele für Geschäftsmodelle, die auf die Lösung ökologischer und sozialer Probleme spezialisiert sind

Wir haben uns die Frage gestellt, welche Typen von an Nachhaltigkeitsprinzipien ausgerichteten Geschäftsmodellen eigentlich bekannt sind, und haben insgesamt 45 Muster identifiziert [2, 3]. Für eine einfache Navigation haben wir diese in 11 Gruppen eingeteilt, die sich hinsichtlich der wesentlichen Nachhaltigkeitsherausforderungen unterscheiden, die sie adressieren. Somit finden sich Muster, die sich mit ökologischen Herausforderungen befassen, die auf soziale Anliegen reagieren und die die ökonomischen Notwendigkeiten von Unternehmen berücksichtigen.

Ein Best Practice Beispiel ist das Muster „Green Razor and Blade“. Der Kontext ist hierbei die Herausforderung, dass sich Unternehmen entwickeln und wachsen müssen, ohne die natürlichen Ressourcen in gleichem Maße stärker zu belasten. Eine Lösung hierfür kann darin bestehen, Produkte modular zu gestalten und die einzelnen Module separat voneinander anzubieten. So lässt sich nicht nur das Verbrauchsmaterial separat von einer Maschine anbieten, wie z.B. Drucker und Druckertinte, sondern es lässt sich durch modulares Design auch der Wiederverwendungsgrad einzelner Komponenten erhöhen, wie z.B. nachfüllbare Tintentanks. Dies kann anhand von Unternehmen wie Epson und SodaStream sehr gut illustriert werden.

Eine stärkere Entkopplung von Geschäft und negativen Umwelteffekten – und somit eine stärkere Transformation konventioneller Geschäftsmodelle – lässt sich z.B. durch den Wechsel von Produkt- auf Serviceangebote erreichen. Auch hierzu haben wir diverse Muster und Fallbeispiele identifiziert, unter anderem zu Solarunternehmen, die Geschäftsmodelle nutzen, die Deutschlands erstem „grünem Einhorn“, Enpal, sehr ähnlich sind. Fälle wie dieser belegen mittlerweile ganz praktisch, dass sich ganze Industrielogiken mithilfe smarter Geschäftsmodelle transformieren lassen.

Es gibt noch einiges zu tun: Wie lassen sich nachhaltig-transformative Geschäftsmodelle regelmäßig entwickeln und deren Impact bewerten?

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich nachhaltig-transformative Geschäftsmodelle stark von konventionellen unterscheiden. Die Orientierung an ökologischen und sozialen Prinzipien, die Fähigkeit zur mehrfachen Wertschöpfung, systemisches Denken sowie Stakeholder-Integration sind die wesentlichen Kennzeichen. Darüber hinaus stellen sich Fragen zur Praxis der Gestaltung und Implementierung solcher Modelle sowie zur Bewertung ihrer Wertschöpfung und ihres Impacts. Dies sind extrem wichtige Felder für weitere Entwicklungen in Forschung und Praxis.

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Quellen:

[1] Aagaard, A.; Lüdeke-Freund, F. & Wells, P. (Eds.) (2021): Business Models for Sustainability Transitions – How Organizations Contributes to Societal Transformation. Cham: Palgrave Macmillan.

[2] Lüdeke-Freund, F.; Breuer, H. & Massa, L. (2022): Sustainable Business Model Design – 45 Patterns. Berlin.

[2]  Lüdeke-Freund, F.; Massa, L. & Breuer, H. (2024): Sustainable Business Model Design, Journal of Business Models, Vol. 12, No. 1, im Druck, frei verfügbar unter: https://www.researchgate.net/publication/377982306_Sustainable_Business_Model_Design

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Dieser Kommentar ist ein Ausschnitt aus der Haufe-Studie "Corporate Sustainability im Mittelstand", die Sie hier zum Download finden.