Nachhaltigkeit als Teil der Unternehmenskultur

Eine konsequente nachhaltige Transformation gelingt oft nur mit einem Kulturwandel in den Unternehmen. Dabei spielen Faktoren wie Fairness und Angstfreiheit eine wichtige Rolle. Ein achtstufiger Prozess kann dazu beitragen, dass der Wandel zu einer nachhaltigen Unternehmenskultur gelingt.

Kultur = Werte + Verhalten

Führungskräfte müssen mehr tun, als nur ein Umfeld schaffen, in dem man unbeschadet die Wahrheit sagen darf. Sie müssen mit gutem Vorbild vorangehen … Eine vertrauensbasierte Kultur aufzubauen, ist ein hartes Stück Arbeit.
Simon Sinek, »Das unendliche Spiel«

Es ist entscheidend, eine Kultur zu schaffen, die Werte wie Umweltbewusstsein, soziale Verantwortung und ethisches Handeln fördert. Dies bedeutet in der Regel einen Kulturwandel. Dieser Wandel kann über eine konsequente, nachhaltige Transformation erreicht werden. Nachhaltigkeit beginnt mit einer klaren Vision, die von der Unternehmensführung gemeinsam mit den Mitarbeitenden entwickelt wird. Dabei sollte Nachhaltigkeit nicht als separater Aspekt betrachtet werden, sondern als Fundament in die Unternehmensstrategie eingebettet sein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spielen eine zentrale Rolle bei der organisatorischen und kulturellen Transformation entsprechend den Nachhaltigkeitszielen und sollten aktiv in den Prozess einbezogen werden. Dabei ist Fairness ein entscheidender Faktor, ob Change-Prozesse gelingen. Auch die Angstfreiheit ist eine sehr wichtige Bedingung. Im Folgenden werde ich dir einen Prozess aus acht Stufen vorstellen, mit dem der Wandel zu einer nachhaltigen Unternehmenskultur auf Basis der menschlichen Neurobiologie wirklich gelingt.

Wie Nachhaltigkeit als Grundlage für eine erfolgreiche Unternehmenskultur genutzt werden kann

Das tiefgreifende Verständnis von Nachhaltigkeit liefert die Grundpfeiler für eine Kultur, die es Menschen und Unternehmen ermöglicht, zu wachsen und sich zukunftsorientiert zu entwickeln. Eine authentische Nachhaltigkeitsstrategie berücksichtigt die biologischen Grundlagen des menschlichen Verhaltens. Das biologische Wissen kann weiterentwickelt werden, wenn der kulturelle Rahmen es zulässt. Unternehmen sind soziale Systeme, die es Menschen ermöglichen sollten, ihre primären Bedürfnisse nach sinnvollem Zusammenleben und -arbeiten auf der einen Seite und selbstwirksamen kreativen Arbeiten auf der anderen Seite zu verwirklichen. Die Frage, wie eine nachhaltige Unternehmenskultur geschaffen werden kann, führt uns zur Erkenntnis, dass dieser Wandel aktiv angeleitet, also geführt werden muss.

Wir haben auch gesehen, dass aktuell noch zu viel Selbstgefälligkeit zugelassen wird – ein Fehler, den John P. Kotter als den bei weitem größten Fehler bezeichnet, der beim Versuch der Veränderung gemacht wird. Selbstgefälligkeit bezieht sich auf eine übertriebene Zufriedenheit mit sich selbst, die oft zu einem Mangel an Selbstkritik und Selbstreflexion führt. Dies kann zu einem Gefühl der Selbstzufriedenheit führen, dass die Motivation zur persönlichen Weiterentwicklung und Verbesserung beeinträchtigt. Menschen und Leader, die selbstgefällig sind, neigen dazu, sich in ihrer Komfortzone wohlzufühlen und Veränderungen oder Herausforderungen zu vermeiden, da sie glauben, dass sie bereits erfolgreich oder gut genug sind. Dies kann zu einem Stillstand in der persönlichen Entwicklung sowie im Unternehmen führen und die Fähigkeit zur Anpassung und zum Wachstum einschränken. Diese Selbstgefälligkeit findet man nach wie vor in vielen Unternehmen. Deshalb ist es wichtig, sich nicht einfach in die Veränderung zu stürzen, sondern Klarheit und genügend Dringlichkeit unter Führungskräften und Mitarbeitenden zu schaffen. Ohne genügend Dringlichkeit der wichtigen Themen erreichen Transformationen niemals ihr Ziel, vor allem wenn der Grad der Selbstgefälligkeit zu hoch ist.

Das Handelsblatt schrieb über die Belastung vieler Mittelmanager. Sie beklagen Zusatzarbeit durch Change-Prozesse, schwindende Privilegien und das Gefühl, zwischen oben und unten aufgerieben zu werden. »Es gibt da eine Überlastung oder zumindest eine Belastung. Oben wollen alle ständig alles ändern. Unten ist die Fluktuation hoch. Die Leute wollen mehr Homeoffice oder Teilzeit, das gilt übrigens auch für viele Führungskräfte selbst. Die Vorteile, die früher noch ein Trost waren, gibt es nicht mehr: die Direktorenkantine, der Dienstwagen, die Bonusmeilen […]. Gleichzeitig sind auch viel CEOs von ihrem Mittelmanagement tierisch genervt.« Das alte selbstgefällige Management-Denken scheint auch aktuell noch effektiv seine Wirkung zu verbreiten. Mit dieser Einstellung funktioniert aber logischerweise eine nachhaltige Transformation nicht. Daher ist es entscheidend, zunächst ein Gefühl der Dringlichkeit zu schaffen, um Handlungen zu ermöglichen und der Selbstgefälligkeit entgegenzuwirken.

Der Acht-Stufen-Prozess des nachhaltigen Wandels

Im Folgenden stelle ich dir die acht Schritte vor, wie du die Unternehmenskultur erfolgreich nachhaltig verändern kannst, wenn du dein Mindset entsprechend vorbereitet und ausgerichtet hast. Wichtig ist die Sequenzierung – also die Reihenfolge – des Vorgehens. Wenn man erfolgreich sein will, darf man den dritten Schritt nicht vor dem ersten ausführen, da sonst Widerstand vorprogrammiert wäre. Die Reihenfolge hat eine hohe Bedeutung. Wie wir gesehen haben, müssen wir die Menschen und ihre Nervenzellen wirklich abholen und mit einbinden – auf eine glaubhafte und ehrliche Weise –, um letztendlich erfolgreich eine lebbare und erlebbare neue Unternehmenskultur zu schaffen.

1.           Ein Gefühl für die Dringlichkeit erzeugen

  • Realitätscheck – Nummer-1-Thema
  • rationale Darstellung der Faktenlage, Klima, Markt – und Wettbewerbsrealitäten
  • Bewertung – emotionale Bedeutung
  • Identifizierung und Diskussion von potenziellen Krisen und grundsätzlichen Chancen

2.           Eine Führungskoalition aufbauen

  • Zusammenstellen eine Gruppe mit ausreichender und vielfältiger Kompetenz
  • Initiieren von Motivation und Rahmen für Teamarbeit dieser Führungskoalition

3.           Vision und Strategie entwickeln

  • ansteckendes Zukunftsbild aufzeigen
  • eine für den Wandel richtungsweisende Vision schaffen
  • Strategien für die Umsetzung der Vision entwickeln
  • Compound- und Leverage-Effekte identifizieren

4.           Die Vision des Wandels kommunizieren

  • Kommunikationsstrategie für die Vision entwickeln
  • zunächst Leader klar mitnehmen – Storytelling vorbereiten
  • Kommunikation der neuen Vision und der Strategie durch alle verfügbaren Kommunikationskanäle
  • die Vision muss den Mitarbeitenden von der Führungskoalition vorgelebt werden.

5.           Mitarbeitende auf breiter Basis befähigen

  • Hindernisse beseitigen
  • Ändern von Systemen oder Strukturen, die der Vision des Wandels nicht entsprechen
  • zur Risikobereitschaft und zu ungewöhnlichen Ideen, Aktivitäten und Handlungen ermutigen

6.           Schnelle Erfolge erzielen und sichtbar machen

  • sichtbare Verbesserungen oder »Erfolge« planen und möglichst schnell erreichen
  • Fokus auf ein Leuchtturmprojekt
  • Die Menschen, die diese Erfolge ermöglichen, für alle deutlich erkennbar anerkennen und auszeichnen

7.           Erfolge konsolidieren und weitere Verbesserungen einleiten

  • die wachsende Glaubwürdigkeit dazu nutzen, alle Systeme, Strukturen und Verfahren zu ändern, die nicht zusammenpassen oder nicht der Vision des Unternehmens entsprechen
  • Menschen, die die Vision des Wandels umsetzen können, einstellen, (be-) fördern und entwickeln
  • den Prozess mit neuen Projekten, Themen und Change Agents wiederbeleben

8.           Neue Ansätze in der Kultur verankern

  • Erreichung einer Leistungsverbesserung durch kunden- und produktivitätsorientiertes Verhalten, mehr und bessere Führung und effektiveres Management
  • die Beziehung zwischen neuem Verhalten und Unternehmenserfolg herausstellen
  • Maßnahmen entwickeln, die Führungsentwicklung und –nachfolge sicherstellen

Das Erzeugen eines Dringlichkeitsgefühls ist ausschlaggebend, um die notwendige Kooperationsbereitschaft zu erhalten. Bei geringer Dringlichkeit wird es schwierig sein, eine Gruppe mit genügend Kraft und Glaubwürdigkeit zusammenzustellen, die in der Lage ist, den Prozess zu leiten oder Schlüsselspieler davon zu überzeugen, die notwendige Zeit in die Erstellung und Kommunikation einer Vision des Wandels zu investieren. Auch wenn es anfangs möglich ist, einige größere oder kleinere Veränderungen vorzunehmen, wird die Veränderung – unabhängig davon, wie viel Druck ausgeübt wird – wahrscheinlich weit vor der Ziellinie zum Stillstand kommen, wenn nicht auch viele andere Führungspersonen und Mitarbeitende die gleiche Dringlichkeit empfinden. Die zahlreichen Greenwashing-Aktionen zeigen, wie oberflächlich mit den erforderlichen Veränderungen umgegangen wird. Es fehlen die Dringlichkeit und die Einsicht, dass wir uns eine Pseudo-Nachhaltigkeit nicht mehr leisten können. Menschen finden zahllose ausgeklügelte Wege, um ihre Kooperation an einem Prozess zu verweigern, den sie für entbehrlich und nicht durchdacht halten. Hier kommen wieder alle alten Glaubenssätze und Verzerrungen zum Tragen.


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Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus dem Buch „Nachhaltigkeit beginnt im Kopf“ von Dr. Maria Hoffacker, das 2024 bei Haufe erschienen ist. Hier geht es zum Buch.