Green Claims: Ein Leitfaden für mehr Orientierung im Begriffsdschungel
„Mehrweg“, „klimaneutral“, „regionales Produkt“, „recycelbar“ – mit der wachsenden Relevanz von Nachhaltigkeit für die Kaufentscheidung von Konsument:innen steigt auch der Einsatz solcher Produktaussagen sowie die Unsicherheit für ihre richtige Verwendung.
Wachsende Anforderungen von Gesetz und Gesellschaft verlangen zunehmend einen sensibleren Umgang mit diesem Thema, der in verlässliche und klare Angaben münden soll. Der Leitfaden „Sustainable Product Claims 2.0“ bietet eine Orientierung und Entscheidungshilfe für den Einsatz nachhaltigkeitsrelevanter Product Claims. Er richtet sich in erster Linie an Marketing- und Kommunikationsfachleute in Unternehmen, aber auch Verantwortliche für Verpackungsdesign und Produktentwicklung profitieren davon.
Das Herzstück des interaktiven Dokuments mit Empfehlungscharakter bildet ein Glossar mit 55 Begriffen zu Themenclustern wie „Klima”, „Recycling und Verwertung” sowie „Inhaltsstoffe”. Für jede Aussage werden eine abgestimmte Definition, Empfehlungen zur Anwendung, Anwendungsbeispiele sowie dazugehörige Siegel und Zertifikate zusammengefasst. Dazu wurden Anforderungen führender globaler, europäischer und nationaler Standards, Normen und Gesetze gesammelt. Des Weiteren erhalten Leser:innen exklusive Ergebnisse einer bundesweiten, repräsentativen Studie, die das Verständnis von Verbraucher:innen für einzelne Begrifflichkeiten untersucht.
Nachgefragt: Studie untersucht Verständlichkeit von Produktaussagen zur Nachhaltigkeit
Für eine effektive Produktkommunikation ist es wichtig, dass die adressierten Konsument:innen die Inhalte verstehen. Die HHL Leipzig Graduate School of Management führte daher im Auftrag von GS1 Germany eine Onlinebefragung von 14- bis 70-Jährigen durch, um das Verständnis von Verbraucher:innen für einzelne Begrifflichkeiten in puncto Nachhaltigkeit zu untersuchen. Dabei erfolgte eine Gegenüberstellung der Ergebnisse mit denen einer Studie von 2014, die vom Aufbau her vergleichbar war. Die Erkenntnisse daraus flossen in den Leitfaden ein. Sie zeigen unter anderem, dass sowohl die Verständlichkeit als auch die Kaufrelevanz bei den Befragten über alle betrachteten Begriffe hinweg zugenommen haben und sich keine nennenswerten Verständnisunterschiede nach soziodemografischen Kriterien feststellen lassen. Zudem ergab die Analyse, welche Begrifflichkeiten in Zukunft noch besser erklärt werden müssen, um noch mehr Transparenz zu schaffen und Kaufentscheidungen zu erleichtern.
Sieben Prinzipien für eine zielgerichtete und transparente Kommunikation
Damit Konsument:innen die Begriffe richtig verstehen und fundierte Kaufentscheidungen für nachhaltigere Produkte treffen können, bedarf es einer verbreiteten, einheitlichen Nutzung der gleichen Claims. Es ist wichtig, bei ihrer Verwendung auf bestimmte Gesichtspunkte zu achten, um eine höhere Transparenz zu gewährleisten und somit eine bessere Verständlichkeit bei den Kund:innen zu erzeugen:
- Faktenbasis: Die Verwendung von Nachhaltigkeits-Claims sollte auf korrekten datengestützten beziehungsweise faktenbasierten Informationen beruhen, das heißt die zugrundeliegenden Daten müssen zuverlässig und wahrheitsgemäß sein.
- Verwendung nachprüfbarer Methoden: Produktaussagen sollten durch standardisierte und (wissenschaftlich) anerkannte Prüfmethoden, wie zum Beispiel Zertifikate und Berechnungsmethoden, untermauert werden, um Vergleichbarkeit und Überprüfbarkeit zu ermöglichen.
- Ganzheitliche Betrachtung: Um die Aussagefähigkeit des jeweiligen Product Claims zu erhöhen, sollte der gesamte Lebenszyklus eines Produkts in der Betrachtung berücksichtigt werden. Dies kann über eine Ökobilanz geschehen. Bezieht sich die Aussage nur auf eine bestimmte Phase des Lebenszyklus, ist dies kenntlich zu machen und der Anteil zu beziffern.
- Verfügbarkeit von Hintergrundinformationen: Die Glaubwürdigkeit der getroffenen Produktaussage lässt sich dadurch erhöhen, dass alle relevanten Informationen, die zu der entsprechenden Aussage geführt haben, von potenziellen Kund:innen beziehungsweise von allen interessierten Anspruchsgruppen eingesehen werden können. Das können zum Beispiel Grundannahmen, Berechnungsmethoden, berücksichtigte Kriterien und Datenquellen sein. Die Schwelle, um an diese Hintergrundinformationen zu gelangen, sollte möglichst niedrig sein.
- Kein Werben mit Selbstverständlichkeiten: Das Werben mit Selbstverständlichkeiten, also die Kommunikation von Produktaussagen, die auf gesetzliche Anforderungen zurückzuführen sind, ist grundsätzlich verboten.
- Formulierung zielgerichteter Werbebotschaften: Produktaussagen sind spezifisch, genau und zutreffend zu formulieren – von sehr allgemeinen Botschaften ist abzusehen. Übertreibungen oder Behauptungen sollten nicht verwendet werden.
- Relevanz und Wesentlichkeit: Kommunikationsmaßnahmen zu nicht wesentlichen Produktleistungen laufen Gefahr, als „Greenwashing“ wahrgenommen zu werden. Hotspot-Analysen können Hinweise darauf geben, welche Herausforderungen mit besonderer Priorität gelöst werden müssen und sich entsprechend gut für die Kommunikation eignen.
Zudem gilt: Die Begriffe, Definitionen und Kommunikationshinweise sind eine wichtige Hilfestellung, schützen für sich genommen aber nicht vor öffentlicher Kritik oder juristischen Sanktionen. Eine rechtliche Prüfung durch einen spezialisierten Anwalt ist daher stets ratsam.
Der Leitfaden als lebendiges Dokument
Die aktuelle Version basiert auf einer ersten Auflage aus dem Jahr 2014. Die Sensibilisierung von Endkonsument:innen sowie die regulatorischen Anforderungen an eine transparente Produktkommunikation sind in den letzten Jahren deutlich vorangeschritten. Der überarbeitete Leitfaden zahlt auf diese Entwicklung ein.
Mit dem im März 2023 veröffentlichtem Entwurf der Directive on Green Claims reagiert die EU auf die zunehmende irreführende Verwendung der Produktaussagen. Dadurch werden die Anforderungen an eine zuverlässige, vergleichbare und überprüfbare Kommunikation verschärft. Neben der Schaffung eines einheitlichen Rahmens für die Begründung von Green Claims und der damit einhergehenden Kommunikation liegt auch ein Augenmerk auf Umweltkennzeichen. Der Vorschlag ist noch durch das EU-Parlament und den Rat zu verabschieden, bevor die Mitgliedsstaaten die Anforderungen in nationales Recht überführen müssen.
Etwaige Auswirkungen auf den Leitfaden werden in zukünftigen Entwicklungsschleifen berücksichtigt.
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