1 Vorbemerkung

Die nachfolgende Entscheidung des LAG Brandenburg betrifft verschiedene (Teil-)Komplexe der Abberufung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit durch den Arbeitgeber. Die Grundsätze des Urteils können in drei Leitsätzen wie folgt zusammengefasst werden:

  1. Die Zustimmung des Betriebsrates zur Abberufung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit nach § 9 Abs. 3 S. 2 ASiG ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die individualrechtliche Abberufung.
  2. Der unwirksame Beschluss des Betriebsrats führt dann nicht zur – individualrechtlichen – Unwirksamkeit der Abberufung, wenn der Arbeitgeber auf die Wirksamkeit des Beschlusses vertrauen konnte und durfte.
  3. Äußert der BR Kritik an der Arbeit der Fachkraft für Arbeitssicherheit, so ist deren Abberufung zur Bewältigung der bestehenden oder vermeintlichen Konfliktlage nicht unbillig i. S. v. § 315 Abs. 3 BGB.

1. Bei der Abberufung von Fachkräften für Arbeitssicherheit (und Betriebsärzten) sind zwingend die Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Diese sind abhängig von der rechtlichen Ausgestaltung.

  • Bei angestellten Fachkräften für Arbeitssicherheit ist die Abberufung nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Betriebsrats möglich, § 9 Abs. 3 Satz 1 ASiG. Deshalb reicht beispielsweise ein Schweigen des Betriebsrats auf einen entsprechenden Antrag des Arbeitgebers, oder die Mitteilung, der Betriebsrat nehme die Abberufungsabsicht zur Kenntnis, werde sich dazu aber weiter nicht äußern, nicht aus.
  • Eine ohne Zustimmung des Betriebsrats vorgenommene Abberufung (oder Aufgabenänderung, § 9 Abs. 2 Satz 2 ASiG) ist unwirksam.
  • Nach § 9 Abs. 3 Satz 3 ASiG ist der Betriebsrat vor der Entpflichtung einer freiberuflich tätigen Fachkraft oder eines überbetrieblichen Dienstes (lediglich) zu hören.

Das in § 9 Abs. 3 Satz 1 ASiG normierte Zustimmungsrecht des Betriebsrates zur Abberufung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit (und eines Betriebsarztes) ist ein vollwertiges Mitbestimmungsrecht. Dieses ist im Übrigen nicht nur dann zu wahren, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fortsetzen und die von ihm beschäftigte Fachkraft nur von ihren Aufgaben als Fachkraft durch eine Abberufung entbinden will. Zweck und Ausgestaltung des Mitbestimmungsrechts des § 9 Abs. 3 ASiG gewähren einerseits Schutz vor Änderungen des Inhalts des Arbeitsvertrages (Tätigkeit als FASi). Es wirkt sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aber darüber hinaus auch als Bestandsschutz für das Arbeitsverhältnis der Fachkraft aus, wenn der Arbeitgeber davon absieht, die Zustimmung des Betriebsrates zur Abberufung einzuholen oder ersetzen zu lassen und die Abberufung nur als Folge einer Kündigung durchzusetzen versucht (BAG, Urteil v. 24.3.1988, 2 AZR 369/87[1]). Nach Auffassung des LAG Hamm soll die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur Abberufung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 9 Abs. 3 ASiG allerdings nicht zur Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung führen (LAG Hamm, Urteil v. 14.6.2005, 19 Sa 287/05[2]). Dies ist aber abzulehnen. Die Auswirkung der fehlenden Zustimmung des Betriebsrats zu der Abberufung der FASi auf die Wirksamkeit der Kündigung von den Kündigungsgründen abhängig zu machen, ist systemwidrig, weil auch bei anderen besonders geschützten Personengruppen, wie z. B. bei Betriebsratsmitgliedern, im Interesse ihrer Unabhängigkeit nicht nach den vorgebrachten Kündigungsgründen differenziert wird.

Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die Einigungsstelle. Deren Spruch ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (BAG, Urteil v. 24.3.1988, 2 AZR 369/87).

2. Zum (Teil-)Komplex Vertrauensschutz des Arbeitgebers betreffend die Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses entspricht die Auffassung des LAG Brandenburg der vom Bundesarbeitsgericht geprägten herrschenden Meinung. So ist der Arbeitgeber z. B. mangels besonderer negativer Anhaltspunkte nicht verpflichtet, sich über die Richtigkeit der Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden zu vergewissern. Hat der Arbeitgeber allerdings Anhaltspunkte für eine geschäftsordnungswidrige oder gar unterlassene Beschlussfassung des Betriebsrats, kann er auf die Wirksamkeit des Beschlusses nicht mehr vertrauen.

3. Kraft seines Direktionsrechts bestimmt der Arbeitgeber die näheren Einzelheiten, unter denen die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen ist, vor allem deren Ort, Zeit und näheren Inhalt. Das Direktionsrecht kann durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen oder Einzelarbeitsvertrag eingeschränkt sein. Soweit hiernach das Direktionsrecht ausgeübt werden kann, muss der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des BAG die Grenzen des billigen Ermessens i. S. d. § 315 Abs. 3 BGB einhalten.

Die Wahrung billigen Ermessens setzt voraus, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Ob dies geschehen ist, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle.

Dabei kommt es nach Auffassung des L...

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