4.1 Rechtsstellung gegenüber dem Arbeitgeber

Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind bei ihren arbeitsmedizinischen bzw. sicherheitstechnischen Aufgaben weisungsfrei. Diese Rechtsstellung entspricht ihrer besonderen Funktion. Ein Nichtfachmann kann weder medizinische noch sicherheitstechnische Fragen beurteilen und entscheiden. Das Direktionsrecht des Vorgesetzten, etwa des Vorstands, muss hier aus sachlichen Gründen entfallen.

Allerdings schließt das ein arbeitsrechtliches Unterstellungsverhältnis in den übrigen Bereichen nicht aus. Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit unterstehen mit Rücksicht auf ihre speziellen Funktionen dem Leiter des Betriebes unmittelbar. Sind mehrere Betriebsärzte bestellt, untersteht der leitende Betriebsarzt unmittelbar dem Leiter des Betriebes (§ 8 Abs. 2 ASiG). Entsprechendes gilt, wenn mehrere Fachkräfte für Arbeitssicherheit eingesetzt sind. Erfahrungsgemäß kann nicht ausgeschlossen werden, dass über Vorschläge zu arbeitsmedizinischen oder sicherheitstechnischen Maßnahmen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Leiter des Betriebs und dem Betriebsarzt oder der Fachkraft entstehen, bei denen eine Verständigung ausgeschlossen ist. Diesen denkbaren Konflikt regelt das Gesetz folgerichtig. In einem solchen Fall kann sich nämlich der Betriebsarzt bzw. die Fachkraft mit seinem Vorschlag unmittelbar an den Arbeitgeber bzw. die Geschäftsführung wenden. Ist ein leitender Betriebsarzt oder Sicherheitsingenieur bestellt, steht diesem das Vorschlagsrecht zu.

Lehnt der Arbeitgeber oder das zuständige Mitglied der Geschäftsführung den Vorschlag ab, ist das dem Betriebsarzt oder Sicherheitsingenieur schriftlich mitzuteilen. Eine einfache Unterrichtung genügt nicht. Die Ablehnung muss begründet werden (§ 8 Abs. 3 ASiG). Der Vorschlagende muss in der Lage sein, sich mit den Überlegungen, die zur Verweigerung der angeregten Maßnahme geführt haben, vertraut zu machen. Da der Betriebsrat bei der Verwirklichung von Arbeitssicherheit und Unfallverhütung beteiligt ist (vgl. § 87 BetrVerfG), muss er eine Abschrift der begründeten Ablehnung erhalten.

Das Unterstellungsverhältnis ist eindeutig. Der Betriebsarzt bzw. Sicherheitsingenieur untersteht grundsätzlich dem Leiter des Betriebs, der seinerseits im Regelfall dem Arbeitgeber verantwortlich ist. Sind mehrere Betriebsärzte oder Fachkräfte vorhanden, ist ihnen zunächst der leitende Betriebsarzt bzw. der leitende Sicherheitsingenieur vorgesetzt, nicht der Betriebsleiter. Der leitende Betriebsarzt oder die leitende Fachkraft ist dem Betriebsleiter unterstellt. Kann über einen Vorschlag keine Einigung mit dem Betriebsleiter erzielt werden, ist der Arbeitgeber unmittelbar zuständig.

4.2 Strafrechtliche Stellung

Die Verantwortung bei schuldhaften Verstößen gegen Arbeitsschutz- oder Sicherheitsbestimmungen, die zu Arbeitsunfällen führen, muss strafrechtlich unter dem Gesichtspunkt der fahrlässigen Tötung (§ 222 StGB) oder fahrlässigen Körperverletzung (§ 230 StGB) geprüft werden. Eine vorsätzliche Regelung dürfte in der Praxis ohne Bedeutung sein. Wie bei jedem anderen Straftatbestand sind objektive und subjektive Voraussetzungen maßgebend. Der objektive Tatbestand verlangt ein Handeln oder Unterlassen. In der Regel wird der Verantwortliche einen Arbeitsunfall nicht durch die aktive Einwirkung auf den Betriebsangehörigen verursachen, sondern durch ein Unterlassen, d.  h., eine an sich gebotene Sicherungsmöglichkeit unterbleibt. Für die Rechtswidrigkeit des Unterlassens ist darauf abzustellen, ob der Verantwortliche eine Rechtspflicht zum Handeln hatte und trotz dieser Verpflichtung (sog. Garantenpflicht) nicht gehandelt hat.

Eine Rechtspflicht zum Handeln hat derjenige, der einen tatsächlichen Pflichtenkreis in einem bestimmten Lebensbereich mit der Aufgabe übernimmt, für den Schutz Dritter zu sorgen, wobei ihm gleichzeitig das Recht eingeräumt wird, die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Maßnahmen und Entscheidungen selbst zu treffen. Eine nur moralische oder allgemeine Verpflichtung zum Handeln reicht zur Begründung einer Garantenstellung nicht aus.

In erster Linie verantwortlich für die Erfüllung der besonderen Arbeitsschutz- und Sicherheitspflichten (z.  B. nach § 21 SGB VII) und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Unfallverhütungsvorschriften, der Pflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ist der Unternehmer. Das folgt aus diesen Gesetzen selbst, aber auch aus den §§ 618, 619 BGB und § 62 HGB. Aus der Verpflichtung des Unternehmers, für den Arbeits- und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu sorgen, folgt eine entsprechende Rechtspflicht im Sinne einer Garantenpflicht gegenüber den Arbeitnehmern.

Eine derartige Rechtspflicht trifft auch den mit der Wahrnehmung der Unternehmerpflichten im Arbeits- und Gesundheitsschutz Beauftragten, der mit wirksamer Übertragung praktisch an die Stelle des Unternehmers tritt.

Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure oder andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit haben grundsätzlich keine Garantenstellung. F...

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